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Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Weg zum Bundestag (am 16. April 2021)

© AFP/Tobias Schwarz

Bedenken gegen geplante Ausgangssperre: CDU-Ministerpräsidenten hadern mit Merkels Notbremse

Die geplante bundesweite Corona-Notbremse stößt bei den Ländern auf wachsende Kritik. Die Regierungschefs aus Hessen und dem Saarland äußern sich deutlich.

Gegen die Regierungspläne für eine bundeseinheitliche Notbremse zur Bekämpfung des Coronavirus kommen Bedenken von Länderseite. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans hadert mit der Notbremse, die auch Ausgangsbeschränkungen vorsieht. „Wenn wir jetzt erneut völlig unkreativ in einen weiteren Voll-Lockdown gehen, wird das zwar irgendetwas helfen“, sagte der CDU-Politiker der „Welt“. „Aber es wird auch für viel Verdruss sorgen“, fügte er hinzu.

„Nach 14 Monaten in der Pandemie kann ein modernes Land wie Deutschland, das sich auf die Fahnen schreibt, auch technologisch vorne zu sein, doch nicht auf alle Alternativen verzichten, auf Kontaktnachverfolgungen per App etwa oder regelmäßiges Testen mit Nachweisen, die digital geliefert werden können“, sagte Hans.

Sein hessischer Amtskollege Volker Bouffier (CDU) wies auf rechtliche Bedenken gegen die geplanten Ausgangsbeschränkungen hin. „Bereits jetzt gibt es große juristische Bedenken gegen die Ausgangssperre, wie sie in dem Gesetz formuliert ist“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Eine Entmachtung der Länder sieht er in dem Gesetz aber nicht. Wie Hessen sich im Bundesrat positioniere, sei noch nicht festgelegt. „Wir sind konstruktiv dabei“, sagte Bouffier. „Wir warten allerdings ab, welche Änderungen es im Bundestag noch gibt. Ich halte es auch für richtig, das Gesetz in manchen Bereichen verfassungsfester zu machen. So sollten beispielsweise Ausgangssperren nur als Ultima Ratio, das heißt als letztes Mittel verhängt werden.“

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Der Bundestag hatte sich am Freitag in erster Lesung mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes befasst. Kontaktbeschränkungen zum Brechen der dritten Corona-Welle sollen in Kreisen und Städten ab einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche greifen. Zudem sind Ausgangsbeschränkungen ab 21.00 Uhr geplant, diese sind aber besonders umstritten. Auch in einer Expertenanhörung am Freitag im Gesundheitsausschuss gab es dazu unterschiedliche Meinungen. Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der nächtlichen Ausgangsbeschränkung hatte auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages geäußert.

Über mögliche Änderungen am bisherigen Entwurf könnte der Gesundheitsausschuss am Montag befinden. Eine Verabschiedung des Bundestages ist für kommenden Mittwoch vorgesehen. Der Bundesrat will sich am Donnerstag damit befassen. Die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes sind als Einspruchsgesetz formuliert, was es für die Länderkammer schwerer macht, es aufzuhalten oder noch zu verändern. Die Länderkammer müsste dazu den Vermittlungsausschuss mit Vertretern von Bundestag und Bundesrat für Nachverhandlungen anrufen. Dazu bräuchte es eine absolute Mehrheit von 35 der 69 Stimmen im Bundesrat.

Mehrere Bundesländer haben jedoch schon angekündigt, dass die Corona-Notbremse bereits ab Montag gelten soll. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Donnerstag an die Länder appelliert, angesichts der angespannten Lage nicht auf die Bundes-Notbremse zu warten.

Linke fordert einen harten Lockdown

Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, mahnte zur Eile. „Es ist momentan keine Zeit für tage- oder wochenlange Diskussionen - jetzt ist höchste Zeit zu handeln“, sagte Marx dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Für Detaildiskussionen über den Sinn einzelner Maßnahmen habe er kein Verständnis. Das Infektionsgeschehen müsse schnellstens unter Kontrolle gebracht werden. Deshalb brauche man die bundesweite Notbremse - und zwar besser gestern als heute.

Die Linke forderte einen harten Lockdown. „Ein konsequenter und solidarischer Lockdown mit dem Herunterfahren der meisten Bereiche über zwei, drei Wochen wäre deutlich sinnvoller, als sich in diesem halbherzigen und belastenden Dauer-Lockdown noch über Wochen und Monate weiterzuschleppen“, sagte Parteichefin Janine Wissler der „Augsburger Allgemeinen“. „Wenn man Notbremsen erst bei Inzidenzwerten von 100 und 200 zieht, ist man schon mittendrin im exponentiellen Wachstum.“ Die Intensivstationen liefen voll. „Da kann man nicht die Schulen aufmachen und in Modellregionen den Einzelhandel öffnen.“ (dpa)

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