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Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, und Joachim Herrmann, Innenminister von Bayern

© dpa/Peter Kneffel

Bayerisches Polizeigesetz: Die CSU opfert die Freiheit – aus Angst vor der AfD

Es ist fast tragisch, dass die CSU aus Angst vor der AfD auf dem bayerischen Wahlkampfaltar die Freiheit zu Gunsten einer vermeintlich höheren Sicherheit opfert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Leben schützen will Markus Söder mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz (PAG), das die CSU mit ihrer absoluten Mehrheit in Bayern nun verabschiedet hat. Wer könnte dagegen etwas haben? Niemand? Doch, jeder müsste gegen das schärfste Polizeirecht protestieren, das dieses Land je gesehen hat, weil es die Grund- und Freiheitsrechte aller massiv bedroht. Und das betrifft eben nicht nur Bayern. Bundesinnenminister Horst Seehofer möchte das von ihm noch als bayerischer Ministerpräsident initiierte PAG zum Polizei-Mustergesetz für alle Bundesländer machen.

Ohne Not hat die CSU den Gefahrenbegriff geändert. Bisher konnte die Polizei Maßnahmen ergreifen, wenn eine „konkrete Gefahr“ bestand. Nach dem PAG reicht jetzt bereits eine „drohende Gefahr“ für eine Vielzahl polizeilicher Maßnahmen. Die Schwelle, ab der die Polizei eingreifen darf, um Straftaten zu verhindern, wird gesenkt. Gleichzeitig werden ihre Befugnisse erweitert.

Durch den schwammigen und unbestimmten Rechtsbegriffs der „drohenden Gefahr“ wird das Eingriffs- und Zugriffsrecht der Polizei weit nach vorne verlagert. Eine „drohende Gefahr“ erlaubt es den Beamten, Telefone abzuhören, Pakete zu öffnen, Festplatten auszuspähen und sogar Menschen präventiv für drei Monate einzusperren – mit der Möglichkeit diese Art der Haft immer wieder zu verlängern.

Besonders unverschämt ist, dass sich die bayerische Regierung auf das Bundesverfassungsgericht beruft. Das zeugt von einer Missachtung des Gerichts und der Verfassung. Zwar hat Karlsruhe im Jahr 2016 bei einer Überprüfung des Gesetzes über die Eingriffsbefugnisse des Bundeskriminalamts Maßnahmen auch bei einer „drohenden Gefahr“ für verfassungsgemäß erklärt, aber nur ausnahmsweise und nur, falls Terror befürchtet werden muss. Das bayerische Polizeigesetz macht die Ausnahme zur Regel, indem es der Polizei die Möglichkeiten schafft, unbescholtene Bürger wie Terroristen zu behandeln.

Das bayerische PAG ist das Gegenteil von einem Mustergesetz

Wenn jetzt die Befürworter des Gesetzes argumentieren, man könne doch das Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen, ob die „drohende Gefahr“ im bayerischen Polizeigesetz den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllt oder die Vorschriften wenigstens verhältnismäßig ausgelegt werden können, wird es endgültig absurd.

Es kann nicht richtig sein, dass die Polizei in Zukunft härter gegen Menschen vorgehen darf, die noch gar keine Straftaten begangen haben, als gegen Straftäter. Genau diesen Weg beschreitet Bayern aber mit dem Gesetz. Das führt zu einer verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Verwischung der Unterschiede zwischen dem Gefahrenabwehrrecht und der Verfolgung von Kriminellen, die in der Strafprozessordnung geregelt wird.

Es ist fast tragisch, dass die CSU aus Angst vor der AfD auf dem bayerischen Wahlkampfalta die Freiheit zu Gunsten einer vermeintlich höheren Sicherheit opfert. Die wird sie nämlich auch nicht erreichen, weil Gefahren sich nicht isoliert innerhalb der bayerischen Landesgrenzen abwehren lassen. Insofern wäre ein rechtsstaatlichen Grundsätzen genügendes Polizeigesetz, von allen Bundesländern mitgetragen, tatsächlich eine gute Idee gewesen. Das bayerische PAG ist leider genau das Gegenteil von einem Mustergesetz. Die CSU wird mit dieser Art Politik für den Rechtsstaat selbst zur drohenden Gefahr.

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