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Svenja Schulze (SPD), Bundesumweltministerin, spricht bei einer Protestaktion von Bauern gegen das Agrarpaket der Bundesregierung vor dem Brandenburger Tor.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Bauern-Demo und steigende Temperaturen: So hart krachen Klimaschutz und Landwirtschaft aufeinander

Bauern protestieren, Umweltschützer warnen, die Umweltministerin wird ausgepfiffen. Der Ton in der Debatte wird rauer – während die Lufttemperatur steigt.

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Die Debatte über die grundsätzliche Notwendigkeit und richtige Ausrichtung einer nachhaltigen Klima- und Umweltschutzpolitik nimmt in Deutschland deutlich an Schärfe zu. Am Dienstag demonstrierten Tausende Landwirte in Berlin gegen die ihrer Meinung nach zu strengen Auflagen der Politik für ihre Branche.

Die Bauern legten mit mehr als 5000 Traktoren den Verkehr in der Innenstadt teilweise lahm. Gleichzeitig löste ein neuer Bericht zum Klimawandel Aufsehen aus. Demnach trifft der Klimawandel Deutschland noch stärker als bisher befürchtet. Die Bewegung Fridays for Future will am Freitag wieder Zehntausende Menschen in ganz Deutschland für mehr Klimaschutz auf die Straße bringen.

Anlass für den Aktionstag ist die Klimakonferenz der Vereinten Nationen Anfang Dezember in Madrid. Für Samstag haben auch Aktivisten der Initiative „Ende Gelände“ zu Aktionen gegen Braunkohletagebaue in der Lausitz aufgerufen, darunter Besetzungen und Blockaden. In der Region gibt es Sorgen, dass das in Gewalt ausarten könnte.

Den Zorn der Bauern über die Umweltschutzpolitik bekam am Dienstag vor allem Bundesumweltministerin Svenja Schulze zu spüren. Die SPD-Ministerin wurde auf der Kundgebung am Brandenburger Tor ausgepfiffen, es gab „Schulze weg“-Sprechchöre. Die Landwirte, die sich zur größten Bauerndemo seit der Wende nach Berlin aufgemacht hatten, haben die Umweltministerin zu ihrer Hauptgegnerin erklärt.

Die Bauern wehren sich gegen verschärfte Auflagen zur Düngung und zum Insektenschutz, Gesetzesvorhaben aus dem Umweltministerium. Sie werfen der Politik vor, mit falschen Zahlen zu hantieren und die Landwirtschaft zum Sündenbock für Umwelt- und Klimaschäden zu machen. Schulze sieht das anders, sie warb für „klare Regeln“ zum Schutz des Wassers und der Insekten. „Ich möchte, dass die Landwirte Teil der Lösung sind“, sagte die Ministerin.

Klöckner stößt auf Ablehnung

Auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) stieß auf Ablehnung. Obwohl sie den Bauern mehr Geld versprach und sie vor zu hohen Auflagen rund um den Insektenschutz bewahren will, wurde sie von Zwischenrufen und Pfiffen unterbrochen. „Dieselbe Rede hat sie schon in Münster gehalten“, sagte ein Bauer und spielte damit auf eine der früheren Demonstrationen an. „Sie hört uns nicht zu.“

Wie wichtig konsequente Umwelt- und Klimaschutzpolitik sei, machte Schulze bei der Vorlage eines Monitoringberichts ihres Ministeriums und des Bundesumweltamts zum Klimawandel deutlich. In Deutschland habe sich die Lufttemperatur allein binnen fünf Jahren um 0,3 Grad erhöht, heißt es in dem Bericht.

Seit 1881 sei die mittlere Lufttemperatur um 1,5 Grad gestiegen. „Es ist nicht auszudenken, wenn sich dies in dieser Geschwindigkeit fortsetzen würde“, sagte Schulze. Starkregen und extreme Hitzeperioden würden immer häufiger. Dadurch steige die Zahl der Hitzetoten spürbar. Umweltbundesamtspräsidentin Maria Krautzberger sagte: „Das ist die größte Naturkatastrophe in Deutschland, die wir in den letzten 50 Jahren hatten.“

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) stellte sich am Montag den protestierenden Bauern in Berlin.
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) stellte sich am Montag den protestierenden Bauern in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Die UN stellten zudem fest, dass weltweit die Treibhausgasemissionen einen neuen Höchststand erreicht haben. Der Welt könnte dem Umweltprogramm der UN zufolge ein Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen um 3,2 Grad Celsius drohen. Dieses Szenario werde eintreffen, wenn die Staaten ihre derzeitigen Klimaschutzpläne nicht drastisch verbessern, hieß es am Dienstag in Genf.

Die Bewegung Fridays for Future forderte im Vorfeld der für Freitag geplanten Demonstrationen „einen kompletten Neustart in der Klimapolitik“. Die größte Demonstration soll in der Hauptstadt stattfinden. Sprecher Quang Paasch sagte, das Klimapaket der Bundesregierung sei angesichts der weltweiten Herausforderungen durch die bereits begonnene Klimakatastrophe „Pillepalle“ und eine Bankrotterklärung.

Die Opposition im Bundestag nutzte die Debatte um den Bundeshaushalt 2020 für Angriffe auf die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Im Klimapaket sei kein Konzept erkennbar, sagte die FDP- Haushaltsexpertin Ulla Ihnen. Sven-Christian Kindler (Grüne) warf der Regierung vor, sie traue sich nicht an die 57 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen ran.

Das Klimaschutzgesetz habe „keine Zähne“. Statt des Kohleausstiegs drohe ein „Windausstieg mit verheerenden Folgen für Zehntausende Arbeitsplätze“. Heidrun Bluhm-Förster (Linke) sagte, die Hoffnung auf ein Umsteuern im Klimaschutz sei gestorben. „Stattdessen ist der Frust in der Gesellschaft größer geworden.“ Die AfD kritisierte, dass überhaupt Geld für Klimaschutz ausgegeben werde. (mit rtr/epd/dpa)

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