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Kein Liebling der Basis: CDU-Chef Armin Laschet

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Basis tendiert zu Söder: Wie das Laschet-Drama die Risse in der CDU offenlegt

Die ersten an der Basis rufen schon nach Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten. Fünf Erkenntnisse, die zeigen, wie tief die Probleme der CDU reichen.

Birgit Thiele ist ratlos. Für sie sind beide Kandidaten durch den ungelösten Bruderkampf verbrannt. Thiele ist CDU-Politikerin im Sauerland und Vorsitzende der Frauen-Union in Brilon. „Markus Söder hat in meinen Augen das Fähnchen noch stärker in den Wind gedreht wie der Laschet“, sagt sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Und im jüngsten Agieren von Söder, der die Empfehlungen der CDU-Führung nicht akzeptiert und die Schwesterpartei in schwere Turbulenzen gestürzt hat, erkennt sie den früheren Söder wieder.

Aber Laschet ist für sie halt auch keine überzeugende Wahl. Braucht es nicht einen neuen Kandidaten? Ja, sagt Birgit Thiele, sie hätte am liebsten einen dritten Mann: „Für mich wäre Friedrich Merz der beste Kandidat."

Hier, bei der Aufstellung des Kandidaten für die Bundestagswahl, bei der sich Merz im Wahlkreis Hochsauerland gegen den Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg durchgesetzt hat, ließ sich im Arnsberger Stadion „Große Wiese“ gut das Dilemma der CDU und ihres Vorsitzenden Armin Laschet ergründen. Offengelegt werden schonungslos die Defizite und Spaltungen in der Partei. Mit dem Herz tendieren viele zu Söder, die Führung dagegen mit dem Kopf zu Laschet.

1. Die Machtfrage

Die größte Angst an der Basis ist eine rot-rot-grüne Koalition, ein Verlust der Macht, eine Linksregierung. Von einem Regenerieren in der Opposition halten sie hier nichts. Söder verspricht dabei deutlich die besseren Wahlchancen, und er wird in Zeiten großer Veränderungen für schlagkräftiger gehalten, um mit einem Wladimir Putin zu verhandeln. Sowohl nach Meinung der CDU-Mitglieder als auch der Bevölkerung, ist die Zustimmung zu Söder viele Prozentpunkte höher als die für Armin Laschet. „Klar, er ist unser Landesvater, er hat in der Pandemielage vielleicht nicht alles richtig gemacht in NRW. Söder kann sich besser verkaufen“, meint das CDU-Mitglied Klaus Humpe.

2. Der Riss zur Basis

Obwohl Laschet Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist, hat er keinerlei Aufbruch und Rückhalt für sich erzeugen können, durch sein Laufenlassen der K-Frage, vertrauend darauf, dass eine Empfehlung von Präsidium und Vorstand, die Sache zu seinen Gunsten entscheiden, ist er weiter beschädigt worden. Er hat enormes Stehvermögen. Aber zum einen hat er Söders Taktik unterschätzt, der den CDU-Gremienwunsch nicht akzeptiert, wissend, dass er bei der Jungen Union und in vielen Landesverbänden die Mehrheit hat. „Laschet trauen hier sehr viele nicht die notwendigen Führungsqualitäten in dieser schwierigen Zeit zu. Das ist jetzt das Dilemma, das uns unsere Parteioberen hier an der Basis eingebrockt haben“, sagt CDU-Mitglied Karl Becker bei der Nominierungsveranstaltung von Friedrich Merz.

„Was wir hier an Rückmeldungen bekommen, ist gravierend. Das zeigt, dass da oben Personalentscheidungen an der Basis vorbei getätigt werden.“

Die nun geschlagenen Wunden sind groß, Landesvorsitzende wie der Niedersachse Bernd Althusmann stellen sich auf Laschets Seite, die Kreisvorsitzenden sind mehrheitlich aber für Söder. Auch in anderen Landesverbänden gibt es gespaltene Bilder und bloßgestellte Vorsitzende, das zerschlagene Porzellan des Machtkampfes ist enorm.

Zudem wird gerade an der Basis deutlich, dass Laschet als gerade erst gewählter CDU-Chef viel zu wenig Unterstützung hat, braucht die CDU bald schon wieder einen neuen Vorsitzenden?

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Auf Distanz, nicht nur Coronabedingt: Armin Laschet und Markus Söder, hier bei der Unions-Fraktionssitzung im Bundestag.
Auf Distanz, nicht nur Coronabedingt: Armin Laschet und Markus Söder, hier bei der Unions-Fraktionssitzung im Bundestag.

© DAVIDS/krohnfoto.de

3. Einzug des Populismus:

In Österreich hat Sebastian Kurz die ÖVP entkernt und auch ein Emmanuel Macron hat seine Partei nur auf seine Person zugeschnitten, in der CSU folgt alles Markus Söder. Daher gibt es – weniger an der Basis als vor allem im Bundesvorstand – die große Sorge in der CDU, dass althergebrachte Strukturen erodieren könnten, zugleich fehlt es an einer klaren gemeinsamen Linie, all die wabernden Konflikte dauerhaft zu lösen. In Ostdeutschland droht schon nach der Wahl am 6. Juni ein Aufflammen der Debatte, wie die CDU es mit der AfD hält. Und der umstrittene frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen könnte gegen den Willen vieler in der Parteiführung in den Bundestag einziehen – der Anspruch, weiter Volkspartei zu sein, ist immer schwerer zu erfüllen, Polarisierungs- und Spaltungstendenzen nehmen zu - auch in der sonst so disziplinierten CDU gibt es verstärkt Flügelkämpfe.

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4. Der Entscheidungsprozess:

Kanzlerin Angela Merkel ist Ende Oktober 2018 als CDU-Chefin; nicht aber als Kanzlerin zurückgetreten, der Dualismus hat nicht funktioniert, da Annegret Kramp-Karrenbauer an dem AfD-Umgang der Thüringer CDU scheiterte. Laschet war dann der Kandidat des Apparats, aber nie der Basis. Auch wenn es zur CDU bisher nicht passt, eine Einbindung der Mitglieder (und nicht nur der Delegierten) im Rennen um den Vorsitz wäre besser gewesen – dann hätte es auch eine größere Legitimität für die Beanspruchung der Kanzlerkandidatur gegeben.

Der Widerstand gegen Söder bei Granden wie Wolfgang Schäuble ist auch deshalb so groß, weil sie eine Selbstenthauptung der CDU befürchten, wenn der knallhart agierende Franke als möglicher Kanzler über das CSU-Präsidium in München den Takt vorgibt, die CDU würde degradiert. Christian Bäumler, Vizechef der CDU-Sozialauschüsse (CDA) fordert im „Handelsblatt“ für die Zukunft ein neues Gremium zur Bestimmung des Kanzlerkandidaten. „Das Verhältnis von CDU, CSU und Bundestagsfraktion muss grundsätzlich neu geklärt werden“, so Bäumler. Er schlägt einen „Deutschlandrat der Union“ vor. Darin sollten gewählte Vertreter beider Parteien den Kanzlerkandidaten aufstellen und das Programm beschließen.

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Richtung Kanzleramt? Markus Söder stürzt mit seinem Machtkampf die CDU in Turbulenzen.
Richtung Kanzleramt? Markus Söder stürzt mit seinem Machtkampf die CDU in Turbulenzen.

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5. Der Zeitgeist

Das Land driftet in vielem auseinander. An der Basis im tiefschwarzen Sauerland lieben sie bei allen Defiziten deshalb jemandem wie Friedrich Merz so, weil er zurück zu den konservativen Wurzeln will - er hat ähnlich wie Söder auch schon gegen das Establishment gewettert und arbeitet an seinem politischen Comeback, sein Bundestagseinzug gilt als sicher. Und viele würden ihn immer noch gerne als Vorsitzenden sehen.

Seine Mahnung nicht dem Zeitgeist hinterherzulaufen, ist auch eine klare Warnung an Markus Söder: „Wir sind nicht die besseren Grünen und auch nicht die etwas weniger radikale AfD“.

Während bei Twitter ein Sturm der Entrüstung tobt, bekam er für kaum eine Passage bei seiner Rede am Samstag in dem Stadion so viel Zustimmung wie für seine Kritik an Identitäts- und Genderpolitik.

Es gebe in dieser Zeit andere Herausforderungen, „als uns damit zu beschäftigen, die Mohrenstraße umzutaufen oder Universitätsarbeiten schlechter zu bewerten, weil die oder der „Zuprüfende“ die "Gender***" nicht richtig gesetzt hat“, so Merz.

Wer gebe diesen Leuten eigentlich das Recht, einseitig die deutsche Sprache zu verändern? Müsse man künftig sagen: „Liebe Grüne und Grüninnen?; Frau oh Frau statt Mann-oh-Mann? Oder Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland?“

Zugleich zerreißt es auch die CDU zunehmend zwischen den Bewahrern und den Modernisierern, das zeigen auch in den internen Spaltungen bei der Klimapolitik.

Angela Merkel hat versucht die Partei entsprechend in die Zukunft zu begleiten – aber bei vielen an der Basis gibt es nun eine Merkel-Müdigkeit. „Nach 16 Jahren ist das egal, ob sie Vorsitzender vom Schützenverein sind, oder vom Tennisclub, nach 16 Jahren, da wollen auch mal wieder was anderes“, sagt CDU-Mitglied Klaus Humpe, der Apotheker ist.

Da Laschet eher für eine Kontinuität steht, hat er es so schwer an der Basis. Sollte er stürzen, wäre aber auch keines der strategischen und inhaltlichen Probleme geklärt – die CDU geht schweren Zeiten entgegen.

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