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Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch wurden als Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion wiedergewählt.

© Michael Kappeler/dpa

Bartsch und Mohamed Ali wiedergewählt: Linke macht mit bisheriger Fraktionsführung weiter

Die Linken-Fraktion bestätigt ihre Vorsitzenden Bartsch und Mohamed Ali. Doch hinter den Kulissen gab es Versuche, einen personellen Neuanfang zu erzwingen.

Für die Linke geht es um alles. Die Partei führe einen „Überlebenskampf“, sagte die Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow nach der schweren Niederlage mit nur 4,9 Prozent bei der Bundestagswahl. Ähnlich äußerte sich Fraktionschefin Amira Mohamed Ali vor der Sitzung der stark geschrumpften Bundestagsfraktion. Nur noch 39 Abgeordnete sind für die Linke in den neuen Bundestag eingezogen, 30 weniger als in der vergangenen Legislaturperiode.

Am Montag wählte die Fraktion die bisherigen Vorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali wieder an die Spitze, beide erhielten knapp 77 Prozent der Stimmen. Das sei ein „sehr gutes Ergebnis“, eine „überzeugende Wahl“, betonte Bartsch nach der Sitzung. Mohamed Ali sprach von „großer Einigkeit“ in der Fraktion.

Dabei hatte es in letzter Minute den Versuch gegeben, einen personellen Neuanfang an der Fraktionsspitze zu erzwingen. In einer kurzfristig auf Wunsch von Bartsch-Kritikern einberufenen außerplanmäßigen Sitzung des Parteivorstandes am Sonntag wurde der Antrag gestellt, Bartsch und Mohamed Ali zum Rückzug aufzufordern.

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Schon in einer Klausurtagung des Vorstands Anfang Oktober in Berlin war Kritik an Bartsch laut geworden. Der Unmut richtete sich unter anderem gegen das strategische Bündnis, das die ostdeutschen Reformer um Bartsch schon vor Jahren mit dem Lager von Sahra Wagenknecht geschlossen hatten und das als „Hufeisen“ bezeichnet wird.

Ab 2015 führten Bartsch und Wagenknecht die Fraktion gemeinsam, nach dem Rückzug Wagenknechts übernahm im November 2019 Amira Mohamed Ali, die zum Lager der ehemaligen Fraktionschefin gerechnet wird. Die machttaktische Allianz zwischen den beiden so unterschiedlichen Lagern hält also bis heute.

Antrag gegen Bartsch und Mohamed Ali erhielt keine Mehrheit

Für den Antrag, die bisherigen Fraktionsvorsitzenden zum Verzicht auf ihre Posten aufzurufen, gab es am Sonntag im Parteivorstand keine Mehrheit. Das Lager um Bartsch hatte ohnehin bereits wissen lassen, man habe in der Fraktion durchgezählt, und es reiche demnach für eine Wiederwahl des bisherigen Duos. Eine Kampfkandidatur um den Fraktionsvorsitz - und damit neuen offenen Streit in der Partei - wollten am Ende auch die Kritiker vermeiden.

Als aussichtsreiche Kandidaten wurden in den vergangenen Wochen der parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte, der nun im Amt bestätigt wurde, und Parteichefin Janine Wissler gehandelt. Eine solche Lösung hätte aber einen freiwilligen Rückzug der bisherigen Fraktionsvorsitzenden vorausgesetzt.

Der Abgeordnete Sören Pellmann, der mit seinem Leipziger Direktmandat ein Scheitern seiner Partei an der Fünf-Prozent-Hürde verhindert hatte, meldete im Vorfeld Interesse am Fraktionsvorsitz an, betonte aber zugleich, nicht gegen Bartsch und Mohamed Ali kandidieren zu wollen. Intern gibt es durchaus Kritik an den beiden Vorsitzenden. Dass die Fraktion über die Rettungsmission in Afghanistan nicht geschlossen abstimmte, wird vor allem Bartsch angelastet.

Bartsch nennt Spekulationen über Übergangslösung „dummes Geschwätz“

Von Überlegungen, die Wiederwahl des Führungsduos sei nur eine Übergangslösung, wollte Bartsch nichts wissen. Das sei „dummes Geschwätz“, sagte er nach der Fraktionssitzung. Mohamed Ali und er seien für zwei Jahre gewählt. Zugleich mahnte er die Partei zu Geschlossenheit. „Zerstrittene Parteien werden nicht gewählt.“ Und in Anlehnung an ein Zitat von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der in Hamburg einmal gesagt hatte, wer Führung bestelle, der bekomme sie auch, gab Bartsch seiner Fraktion eine weitere Mahnung mit auf den Weg: „Wenn Führung bestellt wird, muss auch Führung angenommen werden.“

Doch die Personaldebatte bei den Linken ist mit der Entscheidung vom Montag nur aufgeschoben worden. „Wir müssen nach einem solchen Ergebnis grundlegender nachdenken als über einen Gesichtertausch - ohne die Entwicklung einer Zukunftsperspektive wäre das zu wenig“, heißt es in einem Beschluss des Parteivorstandes von Sonntag. „Daher erarbeitet die Partei mit der Fraktion im nächsten Jahr eine Strategie, der dann strategische und personelle Konsequenzen folgen können.“

Vorstand der Partei will engere Zusammenarbeit mit der Fraktion

Vorstand und Mitglieder der Fraktion trügen „ihrerseits Verantwortung, diesen Prozess inklusiv zu gestalten und Diskussionen in und mit der Partei zu führen“. Dieser Satz lässt sich als Mahnung an Bartsch lesen, der die Vorstandsklausur Anfang Oktober nach kurzer Zeit verlassen hatte. Einige Vorstandsmitglieder fühlten sich von Bartsch „brüskiert“, heißt es intern. Künftig sollen die Fraktionsvorsitzenden zur Teilnahme an den Sitzungen des Vorstands verpflichtet werden.

Außerdem wollen Parteivorstand und Fraktion bei den Linken von nun an stärker zusammenarbeiten, mit regelmäßigen gemeinsamen Sitzungen und Arbeitsgruppen. Als Wagenknecht noch Fraktionschefin war, hatte ihr Konflikt mit der damaligen Linken-Führung um Katja Kipping und Bernd Riexinger die eigene Partei zusätzlich belastet.

In einer Ampel-Koalition sehen manche auch eine Chance für die Linke, weil diese als einzige Oppositionspartei im Bundestag die neue Regierung von links kritisieren könne. Die Hoffnung ist, dass die Partei auf diese Weise in der Öffentlichkeit ihr eigenes Profil bei den sozialen Themen schärfen kann. Gelingt dies jedoch nicht, droht in vier Jahren womöglich tatsächlich das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde.

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