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Die Bahn will nun vor Gericht erreichen, das Land Baden-Württemberg, Stadt, Region und Flughafen Stuttgart die Mehrkosten für Stuttgart 21 mitfinanzieren.

© Marijan Murat/dpa

Bahnprojekt in Baden-Württemberg: Und wer zahlt jetzt für Stuttgart 21?

Bahn, Land und Bund streiten über die Mehrkosten in Höhe von 3,7 Milliarden Euro für das Großprojekt Stuttgart 21. Das Verfahren um die Finanzierung könnte sich über Jahre ziehen.

Am Montag haben die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 wieder demonstriert, es war die 415. Montagsdemo in Folge. Ein Redner kritisierte die „1700 Risiken“ und prophezeite, dass der Milliardenbau allein am Brandschutz für den geplanten unterirdischen Hauptbahnhof scheitern werde.

Einen Tag später lobten Vertreter der Stuttgarter Feuerwehr im Stuttgarter Gemeinderat das neue Konzept. Auch der Brandschutz, so viel wurde klar, dürfte das Projekt nicht mehr aufhalten. Die Politik tut es nach dem für die S-21-Befürworter erfolgreichen Volksentscheid von 2011 sowieso nicht, die einzige relevante Partei, die damals dagegen war, waren die Grünen.

Die Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die seit 2016 mit den S-21-Befürwortern der CDU regiert, aber sieht sich an den Volksentscheid gebunden. Mehr noch: Sie drückt aufs Tempo. „ Nun muss die Bahn zeigen, dass sie S 21 bauen und fertigstellen kann“, sagt Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz, „wir haben als Land das Interesse, dass das Projekt jetzt endlich vorankommt und zügig abgeschlossen wird.“

Das Jahr 2018 hat für das Projekt indes mit Hiobsbotschaften begonnen: Es wird noch viel teurer, die Fertigstellung erfolgt Jahre später, musste die Bahn Ende Januar bekennen. In der Folge hat Bahn-Chef Richard Lutz sogar bekundet, dass man S 21 mit dem Wissen von heute nicht noch einmal angehen würde. Für einen Baustopp sei es aber zu spät. Seitdem gibt es allerlei Fortschritte zu beobachten, doch eine Frage ist ungeklärt: Wer kommt für Mehrkosten in Höhe von 3,7 Milliarden Euro auf, deren Aufteilung im Finanzierungsvertrag von 2009 nicht klar geregelt ist?

Das Land will nicht mehr zahlen

Damals ging die Bahn von 4,5 Milliarden Euro für den Tiefbahnhof und einer Fertigstellung bis 2021 aus. Nach der jüngsten Rechnung kalkuliert der Konzern nicht nur damit, dass der Bau bis Ende 2025 andauern wird, sondern mit Kosten von bis zu 8,2 Milliarden Euro.

Die Bahn will vor Gericht erwirken, dass das Land Baden-Württemberg, Stadt, Region und Flughafen Stuttgart die Differenz mitfinanzieren. Seine Klage stützt der Konzern auf die sogenannte Sprechklausel im Finanzierungsvertrag. Dort heißt es, dass die Beteiligen „Gespräche“ aufnehmen, wenn die vereinbarten 4,5 Milliarden Euro überschritten werden sollten. Sprechen ja, zahlen nein, lautet dagegen die Devise der Beklagten.

"Wir sehen der Klage der Bahn gelassen entgegen, da der Bau von Bahnhöfen keine Aufgabe der Bundesländer ist“, sagt Schwarz. Das Land interpretiert die Sprechklausel als „Kostendeckel“: Mehr als die vertraglich fest vereinbarten 930 Millionen Euro, mit denen Baden-Württemberg der Bahn den Bau schmackhaft gemacht hat, will das Land nicht zahlen.

Zugleich sehen auch führende Regierungspolitiker die Gefahr, vor Gericht für die Kostensteigerungen in Mithaftung genommen zu werden. Das Verwaltungsgericht Stuttgart als erste Instanz wird nicht vor 2019 entscheiden, das Verfahren könnte sich über Jahre ziehen, die Risiken würden damit nicht kleiner.

„Um das Risiko fürs Land zu minimieren, wäre eine außergerichtliche Lösung die bessere Lösung“, sagt die Verkehrsexpertin der CDU-Landtagsfraktion, Nicole Razavi, und deutet Verhandlungsbereitschaft an. Auf einen Vergleich allerdings will sich der grüne Koalitionspartner keinesfalls einlassen. „Von unserer Seite gibt es keinerlei Bereitschaft für einen Vergleich“, sagt der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann. Die Rechtsposition des Landes sei „absolut sicher“.

Hermann und DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla haben daher angekündigt, beim Bund vorstellig werden zu wollen. Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger (CDU) dämpft indes die Erwartungen: „Aus Sicht des Bundes stehen die Regeln bei Stuttgart 21.“ Eine Lösungsweg könnte indes sein, dass das Land dem Bund finanziell bei Projekten wie Anschlüssen zum Tiefbahnhof entgegenkommt, die im Finanzierungsvertrag nicht geregelt sind, die aber dafür sorgen, dass der neue Bahnknoten in die Fläche wirkt.

Im Gegenzug, so eine Überlegung, könnte der Bund beim Kernprojekt selbst Mittel nachschießen. Doch nicht nur die Mehrkosten werfen Fragen auf. Das Schwesterprojekt, die Neubaustrecke über die Schwäbische Alb nach Ulm, könnte drei Jahre vor dem Bahnhof fertig werden. Ob und wie sie auch ohne S 21 sofort genutzt werden könnte, ist bislang nicht geregelt.

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