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Präsident Macron zu Schuljahrsbeginn: Ab 30. September gelten Impfpassregeln auch 12-17-Jährige.

© Daniel Cole/AP/dpa

Kaffeetrinken und Bahnfahren nur für Geimpfte: Während Deutschland zögert, zieht Frankreich Konsequenzen

Die französische Regierung wagt die Konfrontation mit den Impfgegnern. Eine ehemalige Gesundheitsministerin steht wegen Untätigkeit vor Gericht. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Andrea Nüsse

Reisen bildet – und der Blick über den deutschen Tellerrand lässt die Reisenden angesichts des Standes der Corona-Debatten im eigenen Land verblüfft sein: Während in Deutschland in Endlosschleife lamentiert wird, dass die politischen Mittel ausgeschöpft seien und man sich doch bitte, bitte impfen lassen möge, um sich und andere nicht zu gefährden, werden in Frankreich einfach die logischen Konsequenzen aus der Impfunwilligkeit einiger Gruppen gezogen.

Im Nachbarland darf man sich nicht mal mehr auf eine Café-Terrasse im Freien setzen, ohne den „pass sanitaire“, kurz „le pass“ vorzuzeigen, der Impfung, Genesung oder Testergebnis digital anzeigt. Auch in größere Einkaufszentren kommt man schon seit dem 8. August ohne den Ausweis nicht mehr, nur wenige Eingänge sind geöffnet, und es wird streng kontrolliert und gescannt. Jedenfalls im Mittelmeer-Département Var, also in Südfrankreich, wo Regeln oft eher kreativ ausgelegt werden.

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Und Zug fahren geht auch nur noch mit „le pass“, zumindest im Schnellzug TGV oder auf Langstrecken. Dazu wurden Tausende „Pass“-Kontrolleure auf Zeit eingestellt. Sicher: Es wird nicht flächendeckend kontrolliert, aber die Vorschrift hebt sicher die Rate derer, die sich daran halten. Und ab 30. September soll dies auch für 12-17-Jährige gelten.

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In Deutschland habe ich meinen Impfpass bisher nur ein einziges Mal, im Museum, vorgezeigt, in Frankreich-Urlaub dagegen fast täglich. Und an die Maske, allerdings nicht FFP2, wird man selbst bei der Abgabe von Sperrmüll im strömendem Regen erinnert.

Da nur das Impfen verhindern kann, dass die Fallzahlen im Herbst stark steigen, hat die französische Regierung im August die Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in Alten- und Pflegeheimen eingeführt. Daraufhin haben sich an einem Tag fast eine Million Menschen zur Impfung angemeldet. Das alles funktioniert relativ unaufgeregt und ist die neue Normalität. Jedenfalls für Geimpfte und Genesene.

Natürlich gibt es auch dort Impfgegner, auch hartgesottene, die jedes Wochenende demonstrieren. Doch die Regierung hat die Konfrontation und die Gefahr, dass sie der Rechtsextremen Marine le Pen im Mai 2022 ihre Stimme geben, nicht gescheut, und die Statistik gibt ihr recht: Die Zahl der Demonstranten nimmt ab. Zuletzt waren es landesweit 120.000, das sind 50.000 weniger als noch drei Wochen zuvor.

 Gegen Agnes Buzyn, Ex-Gesundheitsministerin, wurde vom Gerichtshof der Republik (CJR) ein Verfahren wegen möglicher Verfehlungen im Umgang mit der Corona-Krise eingeleitet.
Gegen Agnes Buzyn, Ex-Gesundheitsministerin, wurde vom Gerichtshof der Republik (CJR) ein Verfahren wegen möglicher Verfehlungen im Umgang mit der Corona-Krise eingeleitet.

© Lucas Barioulet/AFP/dpa

Zwar läuft in Deutschland gerade eine kreative Impfwoche an, und man drückt wieder einmal die Daumen, ansonsten aber scheint es, als ob der Wahlkampf bei den Politikern zu Lähmungserscheinungen in Sachen Corona führt.

Dabei macht Frankreich vor, dass eine Regierung verpflichtet ist, solche Regeln aufzustellen: Die ehemalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, gelernte Medizinerin, muss sich – weil sie die Pandemie noch Ende Januar 2020 unterschätzt, Maßnahmen unterlassen und damit Menschenleben gefährdet habe – inzwischen vor einem Sondergericht für amtierende Minister verantworten. Hatte nicht Gesundheitsminister Spahn zum gleichen Zeitpunkt den Karneval noch als unbedenkliche Zusammenkunft eingestuft?

Vielleicht ist ein Gericht nicht das richtige Werkzeug zur Beurteilung der Corona-Politik der Regierung, aber es ist wunderbar konsequent. Ebenso wie die französischen Regeln zum „pass sanitaire“ und zur partiellen Impfpflicht.

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