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Die Ampel ist sich nicht immer einig.

© picture alliance/dpa

Baerbocks Werk und Mützenichs Beitrag: Ampel streitet über Verlängerung des Irak-Mandats

Um den ersten Beschluss der Ampel zu einem Auslandseinsatz gibt es viel Diskussion. Nicht nur die Grünen sehen den Einsatz kritisch.

Von Hans Monath

Die erste Verlängerung eines Bundeswehr-Auslandseinsatzes durch die Ampelkoalition im neuen Jahr stößt auf Schwierigkeiten – und zwar nicht nur wegen der Grünen, sondern auch wegen eines wichtigen sozialdemokratischen Politikers.

Die Partei von Außenministerin Annalena Baerbock hat den Einsatz deutscher Streitkräfte zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stets abgelehnt. Aber auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich haderte mit dem Mandat.

Der leidenschaftliche Außenpolitiker, der gerne eigene Wege geht und dabei nicht immer die Bündnisfähigkeit Deutschlands im Blick hat, schlug nach Informationen des Tagesspiegels nun vor, das neue Mandat auf nur sechs Monate zu begrenzen. Ein Sprecher seiner Fraktion bestreitet das allerdings.

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Seit Juni 2015 beteiligt sich die Bundeswehr auf Bitten der irakischen Regierung an der internationalen Koalition gegen den IS, die von den USA geführt wird. Anders als wichtige Partner haben deutsche Streitkräfte nie Luftangriffe gegen IS-Stellungen geflogen, sondern unterstützten zuletzt die Allliierten durch Betankung von deren Kampfjets aus der Luft.

Von der irakischen Airbase Al-Asad aus betreibt die Bundeswehr ein Luftraumüberwachungsradar, zudem hilft sie beim Aufbau irakischer Sicherheitskräfte im Zentralirak und in der unabhängigen Region Kurdistan. Der Einsatz deutscher Tornado-Flugzeuge zur Aufklärung war schon im Frühjahr 2020 beendet worden.

Weil das bisherige Mandat des Bundestags Ende Januar ausläuft, muss schnell entschieden werden. Für die Grünen wirft die Abstimmung die Glaubwürdigkeitsfrage auf: Während ihre Fraktion zu anderen Auslandseinsätzen meist sehr uneinheitlich abstimmte, hatte sie das Irak-Mandat mehrfach geschlossen abgelehnt.

Sowohl Baerbock selbst („schlicht unverantwortlich“) wie auch ihr heutiger Staatsminister Tobias Lindner („verquickt, verworren, völkerrechts- und verfassungswidrig“) hatten den Einsatz mit drastischen Worten kritisiert und sein Ende gefordert.

Rollenwechsel: Als Oppositionspolitikerin lehnte Annalena Baerbock den Irak-Einsatz ab. als Außenministerin verlängert sie ihn nun.
Rollenwechsel: Als Oppositionspolitikerin lehnte Annalena Baerbock den Irak-Einsatz ab. als Außenministerin verlängert sie ihn nun.

© picture alliance/dpa

Änderungen am Mandat sollen es den grünen Abgeordneten nun erleichtern, sich neu zu entscheiden. Ursprünglich sollte das Kabinett das Mandat schon am Mittwoch verabschieden, doch die komplizierten Verhandlungen zwischen Auswärtigem Amt (AA), Verteidigungsministerium, Kanzleramt und den Ampel-Fraktionen verhinderten das. Am kommenden Mittwoch soll das Kabinett entscheiden, sonst kann der Bundestag das Mandat nicht Ende Januar verlängern.

Zu den Zugeständnissen an die Kritiker gehört die Zusage, dass die Bundeswehr nicht mehr den syrischen Luftraum nutzen wird. Zudem soll die Obergrenze von 500 Soldaten abgesenkt werden, was keine unmittelbaren Probleme schaffen würde, da zuletzt nur 280 Soldaten eingesetzt waren. Ein besonders heikler Punkt ist die Dauer des Mandats. Manche in der Koalition wundern sich darüber, dass das Ministerium der früheren Mandats-Kritikerin Baerbock angeblich zwölf Monate vorschlug, viel länger, als SPD-Fraktionschef Mützenich das für angemessen hielt. Nun soll es auf neun Monate hinauslaufen. Die Evaluierung, eine Vorgabe des Koalitionsvertrags für alle Auslandseinsätze, wird auch festgeschrieben.

Die Linkspartei spricht von Umfallen und dreister Wählertäuschung

Am wenigsten Probleme mit dem Mandat haben die Liberalen. Auch wenn geringere Bundeswehr-Kapazitäten beim Kampf gegen den IS womöglich keinen militärischen Nachteil schaffen, könnten Reduzierungen doch bei den Alliierten den Ruf der Deutschen als sicherheitspolitische Drückeberger verstärken. Die Bündnisfähigkeit Deutschlands sei auch bei diesem Mandat „von zentraler Bedeutung“, mahnt deshalb FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai.

Nicht mehr ändern können Kanzleramt, AA und Verteidigungsministerium wohl die rechtliche Grundlage des Mandats. Die vorige Bundesregierung hatte stets auf das Recht auf „kollektive Selbstverteidigung“ (Artikel 51 UN-Charta) und die Resolution des UN-Sicherheitsrats zum Kampf gegen den IS aus dem November 2015 verwiesen.

Hat mit dem Aufstieg zum Fraktionschef der SPD seine Leidenschaft für Außenpolitik nicht abgelegt: Rolf Mützenich setzte eigene Akzente bei den Verhandlungen um das Irak-Mandat.
Hat mit dem Aufstieg zum Fraktionschef der SPD seine Leidenschaft für Außenpolitik nicht abgelegt: Rolf Mützenich setzte eigene Akzente bei den Verhandlungen um das Irak-Mandat.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Allerdings war der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags im Januar des gleichen Jahres zu dem Schluss gekommen, der Einsatz sei vom Grundgesetz nicht gedeckt, was die Grünen gerne aufgriffen. „Wenn das so durchgeht, dann wird das einfach gelebte Verfassungswidrigkeit sein", kritisiert damals Katja Keul, die heute ebenfalls Staatsministerin im Auswärtigen Amt ist.

Kein Wunder, dass die Linkspartei als Gegner jeglicher Auslandseinsätze der neuen Regierungspartei nun Opportunismus vorwirft. "Es hat keinen Monat gedauert, da sind die Grünen schon bei den Militäreinsätzen umgefallen", kritisiert die Abgeordnete Sevim Dagdelen.

Es sei "fahrlässig", die Sicherheit und das Leben deutscher Soldaten im Irak weiter zu gefährden mit einem Einsatz, den man aus der Opposition heraus noch wegen der unklaren Rechtslage und der Gefahrenlage abgelehnt habe. Fazit der Linken-Politikerin: "Auch hier zeigt sich wie schnell grüne Grundsätze welk werden. Man kann dies nur als dreiste Wählertäuschung seitens Außenministerin Baerbock einstufen."

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