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SPD-Politikerin Bärbel Bas kandidiert als Bundestagspräsidentin.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Bärbel Bas soll Schäuble nachfolgen: Wer große Frauen will, muss sie wachsen lassen

Fünf Männer in Spitzenposten wären zu viel. Die Diskussion über eine „geeignete Frau“ zeugt nicht vom Gleichstellungsanspruch der SPD. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ann-Kathrin Hipp

Es ist eine Frau! Tagelang hatte die SPD gehadert, taktiert und rumgeeiert. Jetzt konnte sie sich endlich doch noch durchringen und eine Kandidatin für das Amt der Bundestagspräsidentin benennen. Rolf Mützenich, der sich insbesondere auch im Wahlkampf als Fraktionschef verdient gemacht hatte, und selbst Chancen und Lust auf das Amt gehabt hätte, brachte am Mittwoch Parteikollegin und Fraktions-Co Bärbel Bas ein; der Vorstand stimmte einstimmig zu.

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Am Ende war man sich also doch noch einig: Fünf Männer in den politischen Spitzenpositionen dieses Staates – vom Bundespräsidenten, über den Bundeskanzler, den Bundesratschef und den Parlamentschef bis hin zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts – wären womöglich einer zu viel gewesen.

Erst recht, wenn jetzt der fünfte von einer Partei ins Rennen geschickt worden wäre, die in ihrem Wahlprogramm „das Jahrzehnt der Gleichstellung“ ausruft und die „Gleichstellung von Frauen und Männern in der Politik vollenden“ will. Die Diskussion der vergangenen Tage zeigt: nach wie vor eine schwere Geburt!

Dass sogar die selbsternannte Fortschrittspartei erst einmal lange darüber debattiert, ob sie eine „geeignete“ Frau hat und zunächst einen geeigneten Mann vorschlägt, zeigt vor allem eins: Sie nimmt ihren eigenen Gleichberechtigungsanspruch nicht ernst genug. Dass Medien nach dem Trara der vergangenen Tage schreiben, Rolf Mützenich habe „selbstlos und klug entschieden – für eine Bundestagspräsidentin“, gleicht einer Farce.

Wer große Frauen will, muss ihnen die Möglichkeit geben, zu wachsen

Ja, nachdem profilierte weibliche SPD-Abgeordnete, wie Justizministerin Christine Lambrecht, nicht mehr für den Bundestag kandidiert hatten, hat sich die Zahl der erfahrenen Sozialdemokratinnen vielleicht minimiert.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Wären Spitzenfrauen wie einst SPD-Chefin Andrea Nahles nicht von ihrem Posten gemobbt (Zitat Olaf Scholz: Die SPD offenbarte damals einen „ziemlich frauenfeindlichen Anteil“) und wären andere frühzeitig gefördert worden, gäbe es womöglich mehr Auswahl. Wer große Frauen will, muss ihnen irgendwann auch mal die Möglichkeit geben, zu wachsen.

Dass mit Bärbel Bas nun eine Frau aus der zweiten Reihe an erste Stelle rückt, zeugt dabei keinesfalls von Unvermögen. Im Gegenteil: Vielleicht ist sie ja genau die Richtige! Die Sozialdemokratin kommt aus einer Großfamilie, hat bei den Duisburger Verkehrsbetrieben gearbeitet und ist das, was jeder noch so lange Berufspolitiker immer sein will: nah an den Menschen.

Neuer Nachwuchs ist da: Jetzt gilt's!

Sie hat sich vom Hauptschulabschluss, zur Abteilungsleiterin und jetzt möglicherweise zum zweithöchsten Amt in Deutschland hochgearbeitet, kennt die Politik unter anderem als Bundestagsabgeordnete, Fraktions-Vize und parlamentarische Geschäftsführerin. Bärbel Bas steht für die Möglichkeiten in diesem Land. In einem Haus, das den Anspruch trägt, das Volk zu repräsentieren, kann das nur wertvoll sein.

All das hätte die SPD von vornerein als Chance verkaufen können. Dass die Partei das nicht geschafft hat, ist schade. Für die SPD, für das Land und für das Jahr 2021. Wer sich im Hier und Jetzt als Fortschrittspartei behaupten will, muss die Förderung von Frauen ernst nehmen – und zwar dann, wenn sie es verdient haben, nicht erst dann, wenn sie aus Quotengründen gebraucht werden. Neuer Nachwuchs ist da. Jetzt gilt’s. Übrigens nicht nur für Sozialdemokraten.

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