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Matthias Klopfer, Oberbürgermeister von Schorndorf und Roland Eisele, Polizeipräsident in Aalen, bei einer Pressekonferenz am Montag.

© Christoph Schmidt/dpa

Update

Baden-Württemberg: Krawalle und sexuelle Übergriffe auf Volksfest in Schorndorf

Zwei Tage nach gewaltsamer Randale auf einem baden-württembergischen Stadtfest ist der Bürgermeister noch immer fassungslos.

Bei einem jährlich stattfindenden Stadtfest in Schorndorf ist es zu Krawallen mit Angriffen auf die Polizei sowie zu sexuellen Belästigungen gekommen. Die Polizei spricht von "erschreckender Gewalt", wie man sie in der Stadt im Rems-Murr-Kreis bisher noch nicht erlebt habe. Das Fest fand zum 49. Mal statt. Zahlreiche Jugendliche haben während der "Schorndorfer Woche" randaliert und dabei auch Einsatzfahrzeuge der Polizei beschädigt. An sechs Polizeifahrzeugen wurden die Kfz-Kennzeichen abmontiert und entwendet.

In der Nacht zu Sonntag hätten sich etwa tausend Jugendliche auf dem Schlossplatz versammelt, meldet die Polizei. Aus der Menschenmenge heraus hätten einzelne Randalierer Flaschen auf eingesetzte Polizisten geworfen. Die Gewalttäter hätten aus der "Anonymität heraus" gehandelt, sagte Aalens Polizeipräsident Roland Eisele.

Vor den Krawallen hätten vor allem Abiturienten und Realschüler auf dem Volksfest gefeiert, sagte der Oberbürgermeister der Stadt, Matthias Klopfer (SPD), dem SWR. „Es war wie immer: Viele, viele Abiturienten und Realschüler haben bei uns im Schlosspark gefeiert. Und dann kam es nach Mitternacht zur Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen.“ Später seien auch mehrere Menschen mit Migrationshintergrund oder Asylbewerber hinzugekommen - dies sei aber nicht der Großteil gewesen.

Bürgermeister spricht sich für Abschiebungen aus

Am Dienstag schrieb Klopfer eine Stellungnahme auf der Website der Stadt. Es seien keine Kleingruppen randalierend durch die Stadt gezogen. Seit einigen Wochen würde jedoch eine Gruppe von 20-30 arabischstämmigen Personen, die nicht aus Schorndorf kämen, sich aber immer wieder in Schorndorf versammeln. So sei es auch am Samstag während des Stadtfestes der Fall gewesen. Die Polizei habe diese Gruppe ganz konkret im Focus. "Ich stelle klar, wir dulden keine Übergriffe gegen wen auch immer. Und ich habe immer gesagt: Asylsuchende, die straffällig werden, müssen sofort abgeschoben werden", schreibt Klopfer. Er möchte klarstellen, dass er und die Stadt "keine Tatsachen vertuschen oder etwas schönreden" würden.

In den sozialen Medien sei er "auf hetzerische Art" angefeindet worden, "auch durch Verbreitung falscher Tatsachen. Auch die Polizei würde stark angegangen. "Ich kenne unsere Stadt anders." Er bittet mit Nachdruck darum, beleidigende und diskriminierende Kommentare zu unterlassen. Im ZDF "Morgenmagazin" sagte er, die Polizei und die Stadt hätten Fehler gemacht. Die Situation sei falsch eingeschätzt und der Schlosspark zu spät geräumt worden. Von der Gewalt gegen die Polizei sei er erschrocken gewesen. „Ich kann mir auch heute noch nicht erklären, dass es auch in so einer schwäbischen Kleinstadt nicht mehr ein gutes Miteinander zwischen Polizei und Mitbürgerinnen und Mitbürgern gibt.“ Am Dienstagmorgen meldet die Polizei Schorndorf weitere Fälle von Vandalismus in der Stadt: an acht Fahrzeugen wurden die Kennzeichen abgerissen und weggeworfen. Ein Zeuge habe zwei Jugendliche dabei beobachtet und die Polizei verständigt. Die Verdächtigen konnte flüchten.

Ein Tatverdächtiger widersetzte sich der Festnahme

In einer Polizei-Pressemitteilung vom Sonntag hatte zunächst gestanden, bei einem "großen Teil" der 1000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen habe es sich wohl um Personen mit Migrationshintergrund gehandelt. Polizeipräsident Eisele korrigierte diese Zahl am Montag: "Man kann nicht genau sagen, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund dabei waren. Wir sind keine Glaskugelleser", sagte er. "Mit solchen Zahlen muss man vorsichtig sein, weil man sie überhaupt nicht verifizieren kann. Man geht da oftmals nach dem Aussehen, deswegen ist es schwierig, dies an einer Zahl festzumachen oder zu sagen, so und so viel Prozent hätten Migrationshintergrund."

Ein Tatverdächtiger habe sich der Festnahme widersetzt, woraufhin sich zahlreiche Personen mit ihm solidarisiert hätten. Zeugenaussagen, wonach kleine Gruppen mit Messern und Schreckschusspistolen in der Nacht zum Sonntag durch die Stadt mit knapp 40.000 Einwohnern gezogen seien, gehe die Polizei noch nach.

Haftbefehle wurden bisher nicht erlassen

Bisher wurden zwei Fälle von sexueller Nötigung bekannt. Am Freitag wurde ein 20-jähriger Iraker als Tatverdächtiger ermittelt. Am Samstag sollen drei afghanische Asylbewerber im Alter zwischen 18 und 20 Jahren eine 17-jährige Frau am Bahnhofsvorplatz festgehalten und begrapscht haben. Die Täter sind ermittelt, Haftbefehle wurden bisher nicht erlassen, ihr Wohnort ist noch unklar. Alle Täter seien stark alkoholisiert gewesen, sagte Polizeipräsident Eisele. Die Polizei bittet Geschädigte darum, sich zu melden. Wer belästigt wurde oder Hinweise zu Tätern geben kann, soll sich beim Polizeirevier Schorndorf unter der 07181/204-0 melden.

In der Nacht zu Sonntag musste die Polizei ihre Einsatzkräfte verdoppeln und Polizisten aus anderen Orten zu Hilfe rufen. Eisele berichtet auf der Pressekonferenz, das Stadtfest sei in all den Jahren friedlich abgelaufen und die Eskalation am Marktplatz sei keinesfalls vorhersehbar gewesen. Es sei üblich, dass sich Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren anlässlich das Festes auf dem Schlosspark versammeln. Alkohol sei dort bis 22 Uhr erlaubt. In diesem Jahr habe man bis 23 Uhr gewartet und wollte dann für Ruhe sorgen. Bis drei Uhr in der Nacht sei es dann zu Krawallen gekommen. Teilweise habe man die Situation nicht unter Kontrolle gehabt, gibt Eisele zu. Wie viele Einsatzkräfte vor Ort waren, wollte er nicht sagen.

"Alkohol ist ein Gewalttransmitter"

Bürgermeister Klopfer sagte auf der Pressekonferenz: "Wenn in Baden-Württemberg 100.000 Flüchtlinge sind, kommt es mit mehr Einwohnern leider auch zu mehr Straftaten. Das ist in Schorndorf nicht anders als in anderen Städten." Bei dem Stadtfest hätten auch viele Flüchtlinge mitgeholfen. Der Nachrichtenagentur dpa zufolge hat die Stadt 700 Flüchtlinge aufgenommen.

Als erste Maßnahme sollten der Stadtpark und Teile des Festgeländes in der Nacht dauerhaft und besser beleuchtet werden. Zudem müsse man über strengere Alkoholkontrollen nachdenken. Auch Polizeipräsident Eisele, der von "besonderen Vorfällen" in dieser Nacht sprach, meinte: "Alkohol ist ein Gewalttransmitter". Desto länger Alkohol ausgeschenkt werde, umso aggressiver werde es.

Die Polizei habe die Lage streckenweise nicht unter Kontrolle gehabt. Man haben aus Schutz der Beamten kurzfristig den Rückzug angetreten um später besser agieren zu können. Von einem "Ausnahmezustand" wolle er jedoch nicht sprechen. Es habe zuvor keine Anhaltspunkte gegeben, dass das Fest entgegen frühere Erfahrungen dieses Mal nicht friedlich verlaufen werde, betonte der Polizeipräsident. Allerdings könne man keinesfalls von einer Situation wie zum Beispiel während des G20-Gipfels in Hamburg reden. Eisele kritisierte, dass Gewalt gegen Polizisten zunehmen würde - "nicht nur in Schorndorf". Dies zu ändern sei auch ein "gesamtgesellschaftliches Problem".

Landesinnenminister Strobl verurteilt Gewalt gegen Polizei

Auch der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat die Gewalt gegen die Polizei scharf verurteilt. „Es gilt glasklar: Wir dulden solche Exzesse nicht, bei uns gibt es keine rechtsfreien Räume, wir haben null Toleranz bei Gewalt, bei sexuellen Übergriffen, bei Gewalt gegen die Polizei“, sagte er nach Angaben eines Ministeriumssprechers am Montag. Das gelte unabhängig von der Herkunft der Täter. Die Polizei werde nun beim Volksfest deutlich mehr Präsenz zeigen, sagte Strobl.

Auch bei einem Fest in Böblingen wurden sexuelle Übergriffe bekannt. Laut Polizei wurde eine Gruppe betrunkener afghanischer Asylbewerber am Samstagabend am Rande eines Festivals aggressiv. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, seien drei alkoholisierte Männer in eine Schlägerei verwickelt gewesen. Während die Polizei den Sachverhalt aufnahm, meldeten sich mehrere junge Frauen, die demnach aus der Gruppe heraus unsittlich berührt und sexuell beleidigt wurden.

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