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Südkorea sichert seine Grenze zum Norden mit automatischen Waffen.

© Kim Dong-Joo,AFP

Automatische Kriegsmaschinen: Killerroboter auf dem Vormarsch

Die USA und Russland blockieren ein Verbot autonomer Waffensysteme durch die UN. Verhandlungen über eine Ächtung könnten auch ohne die Neinsager beginnen.

Feilschen, Streiten, Abwiegeln: Mehr als sieben Jahre ziehen sich die Gespräche über Killerroboter bei den Vereinten Nationen in Genf hin. Die Vertreter Dutzender Staaten einigten sich bislang nicht auf einen entscheidenden Schritt: Mit Verhandlungen über ein Verbot der „tödlichen autonomen Waffensysteme“ zu beginnen. Am Montag gehen die Beratungen von Diplomaten und Experten in die nächste Runde. Schauplatz ist die fünftägige Überprüfungskonferenz der UN-Waffenkonvention.

Den Stillstand haben vor allem die großen Militärmächte USA und Russland zu verantworten. Sie sperren sich gegen ein völkerrechtlich verbindliches Verbot der Killerroboter. „Am besten können wir Fortschritt durch einen nichtbindenden Verhaltenskodex erzielen“, sagte der US-Regierungsvertreter Joshua Dorosin im Vorfeld der Konferenz. Im Windschatten der USA und Russlands befinden sich weitere Länder wie Israel, die tödliche oder letale autonome Waffensysteme für ihr Militär als unverzichtbar betrachten.

Auf der anderen Seite pochen besonders Österreich, Irland und Mexiko auf ein Verbot der Killerroboter. Auch die neue deutsche Bundesregierung macht klar: „Letale Autonome Waffensysteme, die vollständig der Verfügung des Menschen entzogen sind, lehnen wir ab“, heißt es in dem Ampel-Koalitionsvertrag. „Deren internationale Ächtung treiben wir aktiv voran.“

Töten ohne menschliche Kontrolle

Friedensaktivisten verlangen ebenso die Ächtung der unheimlichen Instrumente, die selbstständig und ohne menschliches Eingreifen töten können - und somit die Kriegsführung revolutionieren. Doch Unterhändler erwarten bei der UN-Konferenz wieder keine Schritte in Richtung verbindliches Verbot der Killerroboter – wegen der Blockade der USA und anderer Staaten. Allenfalls könnte die Konferenz weitere Beratungen beschließen – damit würden die Gespräche endgültig zur Farce.

Doch es ginge ohne die Bremser. „Wenn bei den Genfer Gesprächen wieder nichts Entscheidendes in Richtung verbindliches Verbot herumkommt, könnten die erklärten Gegner der Killerroboter mit Verbotsverhandlungen außerhalb der Konvention über konventionelle Waffen beginnen“, erklärt Thomas Küchenmeister von der Internationalen Kampagne zum Verbot der Killerroboter.

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Als Vorbild für ein Abkommen über Killerroboter könnte der Vertrag zur Ächtung der Streumunition von 2008 dienen. Jahrelang hatten US-Amerikaner und Russen die Verhandlungen über die heimtückischen Waffen in den traditionellen UN-Abrüstungsgremien behindert. Darüber waren Norwegen und andere Gegner der Streubomben derart verärgert, dass sie einen Prozess außerhalb der UN anstießen, ohne die USA und Russland. Am Ende stand der verbindliche Verbotsvertrag für Streumunition.

Warum sollten die Staaten nun Killerroboter verbieten? Besonders eindringlich beantwortet UN-Generalsekretär António Guterres diese Frage: „Autonome Maschinen, die ohne menschliches Zutun Ziele auswählen und Leben vernichten, sind politisch inakzeptabel und moralisch abstoßend.“ Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz macht klar: Entscheidungen „über Leben und Tod auf dem Schlachtfeld dürfen nicht an Maschinen übertragen werden“.

Nach Meinung der Kritiker stoßen Killerroboter die Tür auf zu einer immer brutaleren Kriegsführung. Moralisches Handeln, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, die Abschätzung der Folgen bestimmter Aktionen, Verantwortung für das eigene Tun, Verhältnismäßigkeit, das alles würde verschwinden. Aktivist Küchenmeister betont zudem: „Es ist zu befürchten, dass allein die Verfügbarkeit autonomer Kampfroboter die Wahrscheinlichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen erheblich erhöhen wird.“

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch listet die USA, Großbritannien, China, Israel, Russland und Südkorea als diejenigen Staaten auf, die bei der Entwicklung der Killerroboter sehr weit sind. Das Friedensforschungsinstitut (SIPRI) in Stockholm berichtete 2017 von mindestens 381 autonomen Systemen für Verteidigungszwecke. Künstliche Intelligenz bildet die Grundlage für die Waffensysteme. Sie sind oft fest verankert, zum Beispiel auf Kriegsschiffen, zum Schutz militärischer oder ziviler Einrichtungen, wie Atomanlagen. Südkorea lässt die Grenze zu Nordkorea von autonomen Waffensystemen überwachen. Mobile Systeme setzen sich selbst in Marsch oder sie werden in Marsch gesetzt.

Israel technologisch an der Spitze

Als ein führender Anbieter gilt die israelische Firma Rafael Advanced Defense Systems, die das Panzerabwehrsystem Trophy anbietet. Die Firma Elbit, ebenfalls aus Israel, präsentierte im September das System Arcas, das Sturmgewehre in digital vernetzte Kampfmaschinen transformiert. Zu den autonomen Waffensystemen wird auch Loitering Munition gezählt, zu Deutsch etwa herumlungernde Munition. Der Deutsche Bundeswehrverband schreibt unter Berufung auf die Fachzeitschrift „Soldat & Technik“: Es handele es sich um unbemannt fliegende Systeme mit Lenkfunktion, “die ohne präzise Zielkoordinaten auf Verdacht gestartet werden können und im Anschluss über eine längere Zeit über einem Zielgebiet kreisen, bis ein lohnendes Ziel entdeckt und bekämpft wird“. Die Experten von „Soldat & Technik“ zeigen sich von der Loitering-Munition sehr angetan: „Der Konflikt in Berg-Karabach hat gezeigt, dass Loitering Munition maßgeblich zum Erfolg auf dem Gefechtsfeld beitragen kann.“ Die deutsche wehrtechnische Industrie habe das Potenzial der sogenannten Kamikaze-Drohnen erkannt.

Eine Anfrage zu Entwicklungen und dem Marktvolumen autonomer Waffensysteme bei der europäischen Rüstungsschmiede KNDS durch diese Zeitung blieb zunächst unbeantwortet. Der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall legte sich hingegen fest: "Rheinmetall ist davon überzeugt, dass der Mensch im Falle eines Waffeneinsatzes die Entscheidungsgewalt behalten muss und lehnt daher letale autonome Waffensysteme, die dem Menschen die Entscheidung über den Waffeneinsatz gegen Personen entziehen, ab.“ Ein internationales UN-Verbot der Waffensysteme hätte keine Auswirkungen auf Rheinmetall.

Doch welchen Wert hätte ein Pakt gegen Killerroboter überhaupt, dem sich die USA und andere Mächte mit autonomen Waffen nicht anschließen? Keinen großen. Ein Verbotsvertrag könnte allenfalls moralischen Druck auf die Staaten mit den Waffen der neuen Dimension ausüben – zu wenig um die Killerroboter noch zu stoppen.

Jan Dirk Herbermann

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