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Bei hochsommerlichen Temperaturen bräunen sich weibliche Besucher in der Mittagssonne im Strandbad Wannsee.

© picture alliance / dpa

Auswirkungen der neuen Corona-Regeln: Urlaub, Festivals, Volksfeste – was in diesem Sommer alles ausfallen könnte

Der Sommer naht und die Bürger wollen planen. Doch was eigentlich? Wir geben einen Überblick, was möglich sein könnte und was nicht.

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Zumindest eines bewirken die Beschlüsse von Bund und Ländern zum weiteren Vorgehen in der Coronakrise: Es gibt mehr Planungssicherheit. Für viele von den Einschränkungen Betroffene gibt es aber keine guten Nachrichten.

Reihenweise trudeln Absagen von Volksfesten und Festivals ein, und die Kirchen sind verstimmt. Gleichzeitig wird das Video mit den Erklärungen der Kanzlerin tausendfach geteilt. „Wir sind jetzt ungefähr bei einem Reproduktionsfaktor von 1,0, also: Einer steckt einen an“, hatte Angela Merkel nach den Beratungen mit den Ministerpräsidenten gesagt.

Schon bei einem Wert von 1,3 „wären wir im Juni an der Belastungsgrenze unseres Gesundheitssystems“. Daher bleiben Großveranstaltungen wegen ihrer hohen Infektionsdynamik noch viele Monate untersagt – aber auch der Sommerurlaub ist bedroht. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten, was in den kommenden Monaten noch stattfinden könnte und was nicht:

Sommer ohne Urlaub?

Alle Reisebeschränkungen gelten weiter, ebenso das touristische Übernachtungsverbot in Hotels. Der Urlaub ist kaum zu planen – was die Unsicherheiten der hiesigen Branche dramatisch verschärft.

Und so versuchen erste Ministerpräsidenten mit Blick auf die noch schwierigere Lage, für Urlaub daheim zu werben. Dass Urlaube im Sommer in Italien, Spanien, Frankreich, Türkei möglich sind, hält Markus Söder für „eher unwahrscheinlich“. Er hofft deshalb, dass ein touristischer „Run auf Bayern“ entstehen könnte, der der Gastronomie und Hotellerie wieder auf die Beine helfen könnte – doch auch diesbezüglich kann die Politik bisher keine Öffnungsperspektive bieten.

Allein von den 19.500 Betrieben in Berlin wäre die Hälfte insolvenzgefährdet, wenn Restaurants und Hotels über den 4. Mai hinaus geschlossen bleiben müssen, heißt es beim Landesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). In der Hauptstadt hängen rund 250.000 Arbeitsplätze an der Branche, inklusive Reinigungs- und Sicherheitskräften, Lieferanten und Landwirten.

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Hotels und Gasthäuser wurden als erstes geschlossen und „sind nun die letzten, die wieder öffnen dürfen“, klagt Verbandspräsident Guido Zöllick. „Es darf nicht sein, dass nur Großkonzerne gerettet werden und 223 000 gastgewerbliche Betriebe mit 2,4 Millionen Beschäftigten das Nachsehen haben.“ Im März verloren die Betriebe mehr als die Hälfte ihres Umsatzes, im April hat die große Mehrheit überhaupt keine Einnahmen.

Die Erlöse im Abhol- und Liefergeschäft sind in der Regel nicht kostendeckend. Nach zehn guten Jahren mit reger Investitionstätigkeit und 300.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen stürzt das Virus die Gastbranche in eine Existenzkrise.

Die Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges sagte dem Tagesspiegel, eine Reduzierung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent würde sofort helfen, wenn die Betriebe wieder öffnen dürfen, „und die dann auf Grund von Schutzmaßnahmen zu befürchtenden Umsatzeinbußen zumindest teilweise kompensieren“. Dazu wünscht sich die Branche einen Rettungsfonds, aus dem direkte Finanzhilfen fließen könnten.

Stirbt das Volksfest?

Albert Ritter kann von seiner Terrasse in Essen-Altenessen jeden Morgen auf seinen Stillstand blicken. Der Präsident des Deutschen Schaustellerbundes blickt auf „einen eingemauerten Gewerbebetrieb“, wie er es formuliert. Alle Zugmaschinen und Verkaufswagen bleiben eingemottet, jetzt, wo eigentlich nach der Winterpause das große Geld verdient werden soll, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern – aber Ritter hat dafür keine Muße.

Er war gerade in einer Telefonschalte mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU), der seiner Branche wenig Hoffnung macht. Ritter bezeichnet die Beschlüsse von Bund und Ländern, alle Großveranstaltungen bis zum 31. August zu verbieten, als „schwarzen Mittwoch“.

Von Absage bedroht:Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kann sich ein Oktoberfest 2020 "kaum vorstellen"
Von Absage bedroht:Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kann sich ein Oktoberfest 2020 "kaum vorstellen"

© Angelika Warmuth/dpa

Ritters Verband vertritt 5000 Schausteller, die mit über 55 000 Mitarbeitern auf Jahrmärkten, Volks- und Schützenfesten mit Karussells, Imbissen, Los- und Schießbuden vertreten sind. „Das ist schon dramatisch, weil wir ja auf den Weihnachtsmärkten unser letztes Geld verdient haben.“ Einige haben im Winter nochmal Millionen in neue Fahrgeschäfte investiert. Die gesamte Saison könnte ausfallen, auch das größte Volksfest der Welt mit sechs Millionen Besuchern steht vor dem Aus. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist „sehr, sehr skeptisch“, ob das Münchner Oktoberfest stattfinden kann.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Angebote, wie das Kreditprogramm der staatlichen KfW-Bank helfen der Branche daher nicht weiter. „Wie soll ich einen Kredit finanzieren“, fragt Ritter. Ohne Einnahmen im laufenden Jahr, seien Kredite auch in den Folgejahren kaum zurückzuzahlen. „Deswegen fordern wir von der Politik einen echten Rettungsschirm.“ Denkbar seien auch Steuerstundungen.

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Und er verweist auf Leitlinien des Robert-Koch-Instituts, das zwischen Drinnen- und Freiluft-Veranstaltungen unterscheide, wo das Ansteckungsrisiko geringer sei. Die Schausteller hätten eine Verdopplung der Sanitäranlagen, Desinfektionsstationen und die Nutzung von Masken angeboten, sowie die Verpflichtung, auf Abstandsregeln zu achten.

„Wir können nichts verschieben, weil wir seit Jahrhunderten am Kirchenkalender hängen: Osterkirmes, Pfingstkirmes, Liborikirmes, das ist alles weg“, klagt Ritter. Es drohe das Ende einer 1200 Jahre alten Tradition.

Gibt es noch Open-Air-Festivals?

Der Festivalsommer wird ausfallen. Und es stellt sich die Frage, ob die bisherigen Soforthilfen für Künstler und Musiker ausreichen werden, zudem hängen zehntausende Jobs am Catering und der Organisation.

Die Seite des größten Heavy Metal Festivals der Welt, des Wacken Open Air in der schleswig-holsteinischen Provinz, ziert am Donnerstag ein Schwarz-Weiß-Bild der riesigen Bühne – erstmals muss es abgesagt werden. Was als Dorffestival vor 30 Jahren begann, hat einen ganz eigenen Charakter entwickelt. Mitbegründer Thomas Jensen sagt: „Diese Nachricht trifft uns tief und muss auch von uns erst einmal verarbeitet werden.“ Dennoch trügen die Organisatoren „in dieser für die gesamte Welt schwierigen Lage die Entscheidung der Bundesregierung mit“. Für den Umgang mit den 75 000 verkauften Tickets gibt es noch keine Lösung.

Festivalbesucher feiern auf dem Hurricane Festival in Niedersachsen.
Festivalbesucher feiern auf dem Hurricane Festival in Niedersachsen.

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

Auch die Festivals „Rock am Ring“ (Nürburgring) und „Rock im Park“ (Nürnberg) fallen aus, rund 156 000 Menschen besuchten sie vergangenes Jahr. Auch die Festivals „Hurricane“, „Southside“, „Deichbrand“, „Elbjazz“, „Limestone“, „Highfield“, „M'era Luna“, „Airbeat One“ und „Fusion“ fallen den Corona-Entscheidungen zum Opfer.

Gibt es zumindest Geister-Fußballspiele?

Die Vertreter der 36 Profiklubs aus Bundesliga und Zweiter Liga setzen weiter darauf, ab 9. Mai mit Geisterspielen die Saison fortzusetzen – um eine Pleitewelle wegen ausbleibender Fernsehgelder zu verhindern. In anderen Sportarten wird dagegen über einen Abbruch der Saison diskutiert.

Papst Franziskus beim Auftakt der durch die Corona-Pandemie eingeschränkten österlichen Zeremonien.
Papst Franziskus beim Auftakt der durch die Corona-Pandemie eingeschränkten österlichen Zeremonien.

© Alessandro Di Meo/REUTERS

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) will bei ihrer auf den 23. April verschobenen Mitgliederversammlung offiziell Fakten schaffen. Laut „Bild“ sollen 126 Personen in den Innenraum: Die Mannschaften in kompletter Stärke, pro Team acht Trainer, Betreuer und Ärzte. Statt bislang zwölf werden nur noch vier Balljungen dabei sein.

Die größte Gruppe im Innenraum solle das Fernsehen mit insgesamt 36 Personen stellen. Dazu kommen maximal 113 Personen auf den Tribünen – darunter 30 Journalisten.

Die 36 Profi-Klubs warten immer noch auf die vierte und letzte Rate der Fernsehgelder. Diese hätte eigentlich schon am 10. April bei der Deutschen Fußball Liga eingehen sollen.

Aber nach einem Bericht des Fußball-Magazins „Kicker“ wurden die insgesamt 304 Millionen Euro bisher noch nicht überwiesen. Ohne die Zahlung droht innerhalb der nächsten zwei Wochen 13 Vereinen, darunter vier Bundesligisten, im Mai und Juni die Insolvenz. Einer der Klubs soll der Traditionsklub Schalke 04 sein.

Warum dürfen die Kirchen nicht öffnen?

Große Autohäuser dürfen ab 20. April wieder öffnen, Kirchen, Moscheen und Synagogen nicht – weil sich hier oft die besonders „vulnerablen Gruppen“ treffen. „Wir wollen, dass religiöse Feierlichkeiten, Veranstaltungen und Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften zunächst weiterhin nicht stattfinden“, sagt Merkel.

Geisterspiele in der Bundesliga könnten für den Rest der Saison zur Regel werden, wenn sie fortgesetzt wird.
Geisterspiele in der Bundesliga könnten für den Rest der Saison zur Regel werden, wenn sie fortgesetzt wird.

© imago images/Uwe Kraft

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag Lösungsvorschläge unterbreiten, hier ist man spürbar verstimmt.

Das Verbot gemeinsamer Gottesdienste greife tief in das Recht der freien Religionsausübung ein „und war insbesondere während der Kar- und Ostergottesdienste für viele Gläubige nur schwer zu ertragen“, betont Bätzing. „Für die katholische Kirche kann ich sagen, dass wir uns selbstverständlich an die für alle Versammlungen in geschlossenen Räumen geltenden Kriterien und Bestimmungen gebunden wissen und die Einhaltung von Abstandserfordernissen kontrollieren werden.“

Für Muslime wird in diesem Jahr wegen Corona das gemeinsame Fastenbrechen ausfallen – am 23. April beginnt der Ramadan. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, betont: „So schwer es uns fällt, unsere Moscheen im Heiligen Monat Ramadan weiter geschlossen zu halten, so ist es unsere religiöse und bürgerliche Verantwortung in der aktuellen Phase genau das zu tun.“

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