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Bei seinem Amtsantritt sagte Mike Pompeo, er wolle dem US-Außenministerium den Stolz zurückzugeben. Das Versprechen hat er noch nicht einlösen können.

© Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Außenpolitik der USA: Mike Pompeo: Der Undiplomat

Mauerbau, Venezuela, Abrüstungsvertrag – Außenminister Mike Pompeo unterstützt Donald Trump bedingungslos. Doch der Ex-CIA-Chef scheint eigene Pläne zu haben.

Zwei Fragen, mehr lässt Mike Pompeo nicht zu. Nüchtern wie ein Staatsanwalt hat der Außenminister der Vereinigten Staaten nicht weniger als das Ende einer außenpolitischen Ära verkündet, den Fall dargelegt, die Beweise und Argumente. Für seinen Auftritt im fensterlosen Presseraum des Washingtoner State Departments braucht Pompeo nur neun Minuten. Neun Minuten für die Presse, zwei Fragen im Anschluss, das ist schon viel für den 55-Jährigen. Dann ist Schluss. „Have a great day.“ Der Außenminister verlässt den Raum.

Zuvor hat Pompeo an diesem 1. Februar erklärt, die USA würden sich ab dem nächsten Tag nicht mehr an die Verpflichtungen aus dem noch aus Zeiten des Kalten Krieges stammenden INF-Atomabrüstungsvertrag mit Russland gebunden fühlen. Der nächste Tag, das ist der 2. Februar, an dem eine von US-Präsident Donald Trump Anfang Dezember gesetzte 60-Tages-Frist ausläuft. Moskau sollte in dieser Zeit seinen Willen zur Zusammenarbeit beweisen. Das hat es nicht, weswegen sich die USA nun zum Handeln gezwungen fühlen – und die Welt ein neues Wettrüsten fürchtet. Viele Fragen, zum Beispiel die, was die USA nun konkret vorhaben, ob sie neue landgestützte atomare Mittelstreckenraketen entwickeln und auf europäischem Boden stationieren wollen, bleiben unbeantwortet.

Als Pompeo um 8.40 Uhr den Raum verlässt, ist es draußen vor dem State Department in der Zwischenzeit kaum heller geworden, schon in der Nacht hat der Schneefall begonnen, die Straßen und Bäume hier in Foggy Bottom sind weiß. Das Viertel im Westen der Hauptstadt, das vom Potomac-Fluss bis nach Georgetown reicht, heißt zu Deutsch „Neblige Senke“, ein Name wie gemacht für das häufig schwer zu durchschauende Außenamt der Vereinigten Staaten. Längst ist Foggy Bottom zum Spitznamen des Ministeriums geworden.

Er versprach, die Fahne der Diplomatie hochzuhalten

Das Nebulöse ist nicht auf Mike Pompeo persönlich gemünzt. Aber der 55-Jährige, der seit April des vergangenen Jahres an der Spitze des Ministeriums steht, tut wenig dafür, dass die Sicht auf die Außenpolitik der letzten verbliebenen Supermacht klarer und verständlicher wird. Das liegt auch daran, dass er in vielen Fragen zunehmend wie ein Hardliner agiert, obwohl er zum Amtsantritt doch verneinte, einer zu sein – und versprach, die Fahne der Diplomatie hochzuhalten.

Dabei ist der qua Amt oberste Diplomat der USA von seinem ganzen Wesen her alles andere als ein Diplomat. Das zeigte seine Rede in Brüssel Ende des vergangenen Jahres, als er mal schnell die bestehende internationale Ordnung und die Legitimität multilateraler Organisationen wie der EU, der UN oder des Weltwährungsfonds infrage stellte. Auch scheinen nicht wenige in seinem Ministerium inzwischen daran zu zweifeln, dass er überhaupt viel von Diplomaten hält.

Da war dieser Brief während des fünfwöchigen Shutdowns, in dem Pompeo betroffenen Mitarbeitern seinen Dank für ihre Geduld aussprach, aber gleichzeitig wie immer vor allem die Politik von Trump verteidigte. Dessen Mauer, deretwegen die rund 800 000 Regierungsangestellten im Haushaltsstreit auf ihr Gehalt verzichten mussten, werde die Sicherheit der Amerikaner erhöhen, schrieb er.

Das kam nicht gut an. US-Medien berichteten von Klagen selbst hochrangiger Diplomaten, dass dies zeige, wie wenig Respekt er vor ihnen habe. Genauso wie die Tatsache, dass er trotz des teilweisen Regierungsstillstands seine Ehefrau Susan auf eine mehrtägige Nahostreise mitnahm. Dass solche Klagen überhaupt öffentlich werden, zeigt, wie es um die Moral im Außenministerium bestellt ist. Doch der Hausherr Pompeo ignorierte die Bedenken und sprach bei einer Pressekonferenz in Abu Dhabi davon, dass alle hinter der Politik des Präsidenten stünden: „Die Moral ist gut.“

Als CIA-Chef gehört Verschwiegenheit zur Jobbeschreibung

Pompeo tut auch wenig, um seine Vorhaben öffentlich zu erklären. Die früher täglichen Informationsrunden des Ministeriums mit Journalisten sind seltener und kürzer geworden. Der Außenminister scheint lästigen Fragen aus dem Weg gehen zu wollen.

Mike Pompeo war 15 Monate lang Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA in der Regierung Trump, bevor der Präsident ihn zum Nachfolger des mit einem Tweet geschassten Rex Tillerson machte. Als CIA-Chef gehört Verschwiegenheit quasi zur Jobbeschreibung. Im Außenamt dagegen eher nicht.

Allerdings: Wie soll man die Strategie hinter der Außenpolitik eines Präsidenten erklären, wenn es die vielleicht gar nicht gibt? Viele ehemalige Botschafter sind genau davon überzeugt. So schrieb Stephen Sestanovich vom Council on Foreign Relations nach Trumps unabgesprochener Ankündigung im Dezember, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen: „Der Präsident hat keine Strategie und keine Doktrin. Er hat nur Wutanfälle.“

Ziehen die USA ihre Truppen aus Syrien wirklich sofort ab? Wie ist die Lage in Afghanistan? Wie steht es um die Gespräche mit Nordkorea, gibt es Fortschritte oder versucht Pjöngjang einmal mehr, die USA hinters Licht zu führen? Es wäre Pompeos Aufgabe, hier Klarheit zu schaffen. Doch er tut es nicht. Vielleicht kann er es nicht, aber zumindest Trump gefällt das Vorgehen seines Außenministers.

Wird er wagen, seinem Chef zu widersprechen?

An diesem Mittwoch hätte Pompeo einmal mehr die Gelegenheit, Aufklärung zu schaffen, wenn er die Außenminister der 79 Mitglieder umfassenden Anti-IS-Koalition empfängt, um über die Fortschritte im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zu beraten. Wird er wagen, seinem Chef zu widersprechen, der bereits erklärt hat, dass die Terrororganisation besiegt sei?

Die große Frage ist, wie eigenständig die Außenpolitik von Mike Pompeo ist – und wie erfolgreich. „Für einen Außenminister ist es unerlässlich, dass er als ein glaubwürdiger Vertreter der Politik seines Chefs wahrgenommen wird“, sagt Ex-Diplomat Sestanovich, der unter anderem US-Außenpolitik an der Columbia University in New York lehrt. Hier sei Pompeo deutlich erfolgreicher als sein Vorgänger. „Er macht Meinungsverschiedenheiten nicht öffentlich.“ Der Nachteil dabei sei aber, dass nicht alles, was er öffentlich mache, den langfristigen Interessen des Landes diene. „Warum nur dachte Pompeo, es sei eine gute Idee, in Brüssel eine Rede zu halten, in der er die Bedeutung der Europäischen Union anzweifelte? Er hat damit ganz korrekt Trumps EU-Feindlichkeit wiedergegeben, aber was bringt das?“

Pompeo, hier neben Trump beim Gedenken an einen in Syrien getöteten US-Soldaten, widerspricht seinem Chef nicht.
Pompeo, hier neben Trump beim Gedenken an einen in Syrien getöteten US-Soldaten, widerspricht seinem Chef nicht.

© Brendan Smialowski/AFP

Pompeo, der Anhänger der konservativen Tea-Party-Bewegung ist, hat sich in den vergangenen Monaten verlässlich in die Riege der Hardliner in der Trump-Regierung eingereiht. Bei den Themen Iran, dem INF-Vertrag, dem Umgang mit Russland, China oder Venezuela setzt der Außenminister eher auf Konfrontation denn auf Verhandlungstaktik und Kompromisse. Bei der UN-Sicherheitsratssitzung zu Venezuela am 26. Januar forderte er die anderen Mitglieder auf, sich auf die Seite der „Mächte der Freiheit“ zu schlagen und dem „Albtraum“ in dem Land ein Ende zu setzen. Venezuela drohte er harte Konsequenzen für den Fall an, dass amerikanische Diplomaten dort nicht mehr sicher seien: „Stellen Sie nicht die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten infrage, wenn es darum geht, unsere Leute zu beschützen!“ Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro nannte Pompeo sowie den Nationalen Sicherheitsberater John Bolton und Vizepräsident Mike Pence daraufhin „drei Kriegsfalken, die besessen von Venezuela sind“.

Er wollte viele offene Stellen nachbesetzen

Dass Pompeo so klar als Falke, als außenpolitischer Hardliner auftritt, war nicht immer so. Am Anfang waren die Erwartungen groß, dass er das unter Tillerson vernachlässigte Außenministerium wieder aufrichten werde. Bei seinem ersten Auftritt in Foggy Bottom am 1. Mai 2018 versprach er genau das: die US-Diplomatie wiederzubeleben und dem altehrwürdigen Haus seinen Stolz zurückzugeben. Auch wolle er sich gegen Budgetkürzungen wehren, die amerikanischen Werte stets verteidigen – und vor allem die vielen offenen Stellen schnell nachbesetzen.

Unter seinem Vorgänger Tillerson, einem politisch unerfahrenen Ex-Ölmanager, der immer wieder öffentlich mit Trump über Kreuz lag, hatten Hunderte Diplomaten und Beamte das Ministerium verlassen, selbst wichtige Botschafterposten waren lange vakant. Pompeo hat zwar viele Stellen besetzen können, aber immer wieder verlassen erfahrene Diplomaten das Haus, weil sie die US-Außenpolitik nicht mehr vertreten wollen. Zuletzt schied mit dem für Europa zuständigen Abteilungsleiter Wess Mitchell ein enger Vertrauter Pompeos aus. Der Abgang des international angesehenen Diplomaten wurde als großer Verlust für das Außenministerium gewertet.

Viele sind enttäuscht, dass Pompeo dem Präsidenten öffentlich nicht widerspricht. Als Folge der von ihm verantworteten Außenpolitik rebelliert inzwischen sogar der republikanisch dominierte Senat. So sprachen sich die Senatoren gerade gegen die Entscheidung Trumps aus, die Truppen aus Afghanistan und Syrien sofort abzuziehen. Das Argument: Der IS und Al Qaida seien noch längst nicht besiegt und stellten weiter eine ernsthafte Bedrohung für die USA dar. Ein überstürzter Abzug amerikanischer Truppen könnte es Terroristen erlauben, sich neu zu formieren, wichtige Regionen zu destabilisieren und ein Vakuum zu schaffen, das vom Iran oder von Russland gefüllt werden könnte. Auch bei Themen wie Russland, dem Jemen, der Nato oder Nordkorea wächst der Unmut über die oft spontane, in Teilen erratische US-Außenpolitik Trumps – die dessen Außenminister kritiklos vertritt.

Handschlag mit Kronprinz Mohammed bin Salman

Das Votum zu Syrien und Afghanistan war denn auch nicht das erste Mal, dass die konservativen Senatoren sich gegen ihren eigenen Präsidenten stellten. Schon im Fall des ermordeten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi widersprachen sie Trump, als sie Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman vorwarfen, an der Tötung direkt beteiligt gewesen zu sein. Trump und auch Pompeo hatten zuvor mehrfach betont, von der Schuld bin Salmans nicht überzeugt zu sein. Die Bilder, wie ein US-Außenminister vor laufender Kamera dem saudischen Kronprinzen gut gelaunt die Hand schüttelt und sich mit ihm angeregt unterhält, zu einem Zeitpunkt, als die US-Dienste dessen Schuld bereits als erwiesen ansahen, haben Pompeos Ansehen wohl dauerhaft geschadet.

Was ihm einerseits nutzt – Trump duldet nur Leute in seinem engeren Umfeld, die ihn bedingungslos unterstützen –, kann ihn gleichzeitig dauerhaft belasten. Es darf bezweifelt werden, dass der ehrgeizige Pompeo, der einst als Jahrgangsbester die Militärakademie West Point abschloss, danach fünf Jahre in der Armee diente und später an der Eliteuniversität Harvard Jura studierte, als kritikloser Trump-Jünger in die Geschichte eingehen will.

Es gibt Anzeichen, dass er bald genug davon haben könnte, für diesen Präsidenten immer wieder seinen Ruf aufs Spiel zu setzen. Der Abgang von Wess Mitchell ist so ein Anzeichen. Und seit ein paar Tagen wird der Plan kolportiert, dass Pompeo 2020 für den frei werdenden Senatssitz in Kansas kandidieren könnte. Den Bundesstaat hat er bereits von 2011 bis 2017 im Repräsentantenhaus vertreten, bevor er zur CIA wechselte. „Offensichtlich interessiert sich Pompeo für die Idee, in Kansas Senator zu werden“, sagt Außenpolitikexperte Sestanovich. Entscheide er sich dafür, werde seine Zeit als Außenminister zu einer kurzen Fußnote, vergleichbar mit der von Rex Tillerson. Und dennoch: „Den Job jetzt aufzugeben, könnte eine gute Idee sein – so könnte er dem Trümmerhaufen der Trump-Regierung entkommen und sich selbst eine neue Aufgabe sichern, eine mit Zukunftsperspektive.“

Ist Pompeo ein Minister vor dem Absprung? Der Präsident bestreitet das offensiv, zu gut klappt die Zusammenarbeit aus seiner Sicht. Und Pompeo selbst? Der hält sich wieder einmal bedeckt.

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