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Landkarte des Krieges: Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin (rechts) zeigt seinem deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel eine Karte der Ostukraine.

© Inga Kjer/dpa

Außenminister Gabriel in der Ukraine: "Für uns ist dieser Konflikt nicht vergessen"

Der geschäftsführende Außenminister fordert eine rasche Entscheidung über eine UN-Friedenstruppe für die Ukraine. Einen Vorschlag aus Moskau nennt er „nicht ausreichend“.

Die Reise in die Ukraine sollte ein Zeichen der Solidarität sein. Der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte vor seinem Abflug, er wolle den Menschen in der Ukraine zeigen: „Wir lassen euch nicht im Stich. Für uns ist dieser Konflikt weder eingefroren noch vergessen, sondern hochaktuell und brandgefährlich.“ Zum ersten Mal wollte Gabriel auch in die umkämpfte Ostukraine reisen, an die sogenannte Kontaktlinie, die ukrainische Truppen von den Separatisten und den Kämpfern aus Russland trennt. Gabriels ukrainischer Amtskollege Pawlo Klimkin hatte ihn zu diesem Besuch eingeladen. Doch die Reise endete am Donnerstag anders als geplant bereits in Dnipro: Wegen Nebels konnten die Minister nicht mit dem Hubschrauber nach Mariupol weiterfliegen.

Im Frühling jährt sich der Beginn des Krieges in der Ostukraine zum vierten Mal. Mehr als 10 000 Menschen wurden in diesem Konflikt getötet, nach UN-Angaben benötigen 3,4 Millionen Ukrainer humanitäre Hilfe. Von Frieden kann bis heute keine Rede sein. Kurz vor Weihnachten wurde erneut eine Waffenruhe ausgehandelt. Doch wieder wird sie nicht eingehalten, Tag für Tag registrieren die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Donbass Kampfhandlungen. An guten Tagen verzeichnen sie lediglich weniger Explosionen und Feuergefechte. Auch der Abzug schwerer Waffen aus einer Pufferzone auf beiden Seiten der Kontaktlinie, der ebenfalls 2014 und 2015 in den Minsker Abkommen vereinbart worden war, ist bis heute nicht vollzogen.

Deutschland hatte von Anfang an gemeinsam mit Frankreich eine Vermittlerrolle übernommen und die Minsker Vereinbarungen mit ausgehandelt. Kurz vor Weihnachten weckte ein größerer Gefangenenaustausch zwischen ukrainischen Regierungstruppen und ihren von Russland unterstützten Gegnern die Hoffnung darauf, dass endlich Bewegung in den Friedensprozess kommt. Denn der Austausch von Kriegsgefangenen war ebenfalls in den Minsker Abkommen beschlossen worden. Allerdings ist auch dieser Punkt nicht vollständig umgesetzt, denn noch sind nicht alle Gefangenen frei.

Russland zog Offiziere aus Kontrollzentrum ab

Als Rückschritt wird zudem gewertet, dass Russland seine Offiziere im Dezember aus einem gemeinsamen Kontroll- und Koordinationszentrum in der Ukraine abzog. Das Zentrum diente den OSZE-Beobachtern als wichtige Anlaufstelle. Die russische Führung gibt bis heute nicht zu, dass sie den Krieg in der Ostukraine mit Kämpfern und Waffen befeuert.

Gabriel sprach sich in Kiew dafür aus, rasch über eine UN-Friedensmission für die Ostukraine zu entscheiden. Einen entsprechenden Vorschlag hatte der russische Präsident Wladimir Putin im vergangenen Jahr gemacht. Allerdings forderte Russland zunächst, den Einsatz einer solchen UN-Blauhelmtruppe auf die Kontaktlinie und ihre unmittelbare Umgebung zu beschränken. Gabriel erteilte dieser Forderung in Kiew eine deutliche Absage: „Das würde dazu führen, dass die heutige Kontaktlinie eine De-Facto-Grenze wäre“, sagte er. „Eine bewaffnete und robuste UN-Friedensmission, die diesen Waffenstillstand in der gesamten Fläche der Ostukraine sichern kann, wäre eine vernünftige Lösung.“ Eine solche Mission, die vor allem auch die Grenze zu Russland wirksam kontrollierten könnte, fordert die Ukraine bereits seit Jahren. Die bestehende Mission der OSZE ist unbewaffnet und hat lediglich die Aufgabe, die Einhaltung der Minsker Abkommen zu überwachen.

Verärgerung über Gabriels Vorschlag zu Sanktionen

Noch im September hatte Gabriel mit Äußerungen zu den gegen Russland verhängten Sanktionen Verärgerung in Kiew ausgelöst. Der Außenminister sprach sich dafür aus, die Strafmaßnahmen schon vor der vollständigen Umsetzung der Minsker Abkommen aufzuheben: „Es macht keinen Sinn zu warten“, sagte er damals. Wenn ein Waffenstillstand durchgesetzt und die schweren Waffen abgezogen seien, könnten als „Belohnung“ dafür die Sanktionen aufgehoben werden. Ukrainische Politiker warfen Gabriel daraufhin eine zu große Nähe zum Kreml vor. Dass er in Kiew nun Moskaus Vorschläge zu einer UN-Friedenstruppe als „ganz sicher nicht ausreichend“ bezeichnete, wird bei seinen ukrainischen Gastgebern sehr genau registriert worden sein.

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