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Drückt sich die Deutschland bei Auslandseinsätzen wie hier in Mali vor gefährlichen Aufgaben?

© Maurizio Gambarini/dpa

Außen- und Sicherheitspolitik: Trotz aller Krisen noch nicht aufgewacht

Sind die Deutschen bereit zu mehr internationalem Engagement? Außenminister Heiko Maas beklagt in einem neuen Buch ein "diskursives Wachkoma".

Von Hans Monath

Außenminister Heiko Maas (SPD) will in der Bevölkerung mehr Verständnis für ein stärkeres außen- und sicherheitspolitisches Engagement Deutschlands in der Welt wecken und dabei unpopuläre Themen ansprechen. "Ich gehe der Debatte um höhere Verteidigungsausgaben nicht aus dem Weg", sagte Maas in einem neu erscheinenden Buch von Tagesspiegel-Autor Christoph von Marschall zur Außen- und Sicherheitspolitik. Die Frage ist Maas zufolge, "wie man die Mehrheit der Deutschen dafür gewinnt". Im Bundestagswahlkampf hatte die SPD das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Rüstungsausgaben als gefährlich bezeichnet und kategorisch abgelehnt.

Der Außenminister kritisierte in diesem Zusammenhang, Deutschland habe in der Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) außen- und sicherheitspolitische Probleme nicht offen diskutiert. Die Gesellschaft sei auf diesem Politikfeld „in einem diskursiven Wachkoma“ gefangen gewesen, sagte er. Angesichts neuer Herausforderungen müsse die Bundesregierung nun aber „den Menschen verdeutlichen, dass wir für unsere Interessen eintreten müssen“. Deutschland müsse „rasch zu Ergebnissen kommen, und darauf sind wir nicht vorbereitet“, klagte der SPD-Politiker.

Maas bekräftigte seinen Kurs, zur russischen Politik von Präsident Wladimir Putin eine deutlichere Distanz zu wahren und stärker auf die Interessen der Nachbarn im Raum zwischen Berlin und Moskau einzugehen. Natürlich seien Balten, Polen, Slowaken, Tschechen und Ungarn Deutschland näher als Russland. Sie seien EU-Mitglieder, die politischen und wirtschaftlichen Bindungen seien enger. Putin trifft am Samstag auf Schloss Meseberg mit Merkel zusammen.

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Marschall hatte für sein Buch „Wir verstehen die Welt nicht mehr. Deutschlands Entfremdung von seinen Freunden“ (hier bestellbar) in Gesprächen mit Politikern und Experten in den USA und in wichtigen EU-Staaten recherchiert, wie gut die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik in Zeiten von Donald Trump, Brexit und vielfältigen Krisen Europas auf neue Herausforderungen vorbereitet ist.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stellt dem Buch zufolge einen zentralen Teil des Koalitionsvertrags infrage – die Verknüpfung der Etats für die Bundeswehr und für Entwicklungszusammenarbeit. Das sei eine abenteuerliche Konstruktion, sagte sie demnach.

Notwendig sei eine kontinuierliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben, um die europäischen Beschaffungsprogramme zu finanzieren, zum Beispiel den deutsch-französischen Kampfpanzer. Die Koalitionsverhandlungen im Frühjahr hätten die Ministerpräsidenten mit ihren Landesinteressen dominiert.

Außen- und Verteidigungspolitik seien gleichsam in einem Tunnelblick zunächst ausgespart worden. Von der Leyen führte dies auch auf die Lage der SPD zurück, die einen Wahlkampf gegen das Zwei-Prozent-Ziel geführt hatte. Die Ministerin sprach sich gegen eine Sonderrolle Deutschlands bei europäischen Militäreinsätzen aus.

Die Bundeswehr müsse zu denselben Bedingungen teilnehmen wie die Armeen anderer EU-Partner. So beklagt etwa Frankreich, dass sich die Bundeswehr in Mali vor gefährlichen Aufgaben drücke.

Der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) macht Merkel und Leyen für eine mangelnde Bündnisfähigkeit Deutschlands verantwortlich. Er hatte 2015 auf Bitten der Koalition eine Reform vorgeschlagen, damit die deutschen Vorgaben für den Einsatz der Bundeswehr einer gemeinsamen europäischen Verteidigung und der Aufstellung integrierter Verbände nicht im Weg stehen. Die Deutschen müssten lernen, dass gemeinsame Einheiten wie die Awacs-Luftaufklärung „nicht uns allein gehören“ und der Bundestag ihren Einsatz nicht durch seine Beschlüsse infrage stellen dürfe, verlangte er.

Doch die Vorschläge der Rühe-Kommission wurden nicht umgesetzt. „Das lag an der Regierung, nicht am Parlament“, erklärte Rühe nun. Die SPD-Fraktion sei damals bereit gewesen, sie umzusetzen. „Das Kanzleramt und das Verteidigungsministerium haben Nein gesagt.“ Beide hätten „sich selbst die Hände binden“ wollen. Rühe warf Merkel in diesem Zusammenhang „mangelnde Führung“ vor. „Die Regierung versteckt sich hinter dem Parlamentsvorbehalt, um nicht Militäreinsätze befürworten zu müssen, die vielleicht unpopulär sind.“

Christoph von Marschall: Wir verstehen die Welt nicht mehr – Deutschlands Entfremdung von seinen Freunden. Herder Verlag, 256 Seiten, 22 Euro.

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