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Wie geht es weiter in Schweden? Die Frage stellte die Presse am Montag.

© Jonathan Nackstrand/AFP

Auslandsstimmen können entscheiden: Wahlkrimi in Schweden noch bis mindestens Mittwoch

Das Wahlergebnis in Schweden könnte sich noch verändern. Die Lage ist komplex; wie eine neue Regierung entstehen kann, ist derzeit nicht absehbar.

Noch immer müssen die Schweden auf das endgültige Ergebnis der Parlamentswahlen vom Sonntag warten. Die Auszählung war und ist ein Thriller, denn diesmal gilt wirklich: Jede Stimme zählt. Dem vorläufigem Ergebnis zufolge hat der regierende linke Block aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei genau ein Mandat mehr als die oppositionelle „Allianz“, ein Bündnis aus vier liberal-konservativen Parteien.

Doch gerade einmal 20.000 Stimmen trennen die beiden Blöcke – bei knapp 7,3 Millionen Wahlberechtigten. „Am Mittwoch können wir ein anderes Ergebnis haben“, warnt denn auch der Politologieprofessor Mikael Gilljam im Schwedischen Radio. Erst dann nämlich sind auch die Stimmen der im Ausland lebenden Schweden gezählt.

Fest steht hingegen jetzt schon: Die nationalistischen Schwedendemokraten erzielten mit 17,6 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis ihrer kurzen Geschichte. Bei der Wahlparty im Stockholmer Nachtklub „Kristall“ trat ihr 39-jähriger Vorsitzender Jimmie Åkesson aufgekratzt vor die Kameras: „Ich weiß, wer gewonnen hat – wir.“

Stimmung bei rechten Schwedendemokraten gedämpfter

Am Tag danach war die Stimmung etwas gedämpfter. Ihr großes Ziel, hinter den Sozialdemokraten zweitgrößte Partei im Lande zu werden, verfehlten die Schwedendemokraten nämlich. Dieser Prestigegewinn hätte ihnen in den nun anstehenden Verhandlungen mehr Gewicht gegeben. „Das Wahlresultat löst eigentlich nichts für die Schwedendemokraten“, sagte der innenpolitische Kommentator des Schwedischen Fernsehens Mats Knutson. „ Das hier ist kein politisches Erdbeben und Jimmie Åkesson ist kein Superstar.“

Dennoch hat Åkesson die Rolle seiner Partei als möglicher Königsmacher gestärkt. Denn auch wenn im Laufe der Woche alle Stimmen gezählt sind und das exakte Ergebnis feststeht, wird Schweden noch keine neue Regierung haben. Die Situation ist komplex, um es vorsichtig auszudrücken. Mit jeweils gut 40 Prozent der Stimmen hat keiner der beiden Blöcke eine eigene Mehrheit. Doch keiner will nachgeben. Wie zwei verbockte Schuljungen bestehen die beiden Hauptpersonen, Ministerpräsident Stefan Löfven von den Sozialdemokraten und Ulf Kristersson von den konservativen Moderaterna, auf ihrem Führungsanspruch.

Schlechtestes Ergebnis der Sozialdemokraten seit 1919

Stefan Löfven fuhr für seine Sozialdemokraten das schlechteste Ergebnis ein, seit das allgemeine Wahlrechts 1919 eingeführt und 1921 zum ersten Mal angewandt wurde. Auch sein Bündnispartner die Grünen mussten herbe Stimmenverluste hinnehmen und kamen nur knapp über die Vier-Prozent-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament.

„Natürlich hätte ich gerne ein besseres Ergebnis, das ist klar“, sagte der Ministerpräsident in der Wahlnacht. „ Aber die Wähler haben die Sozialdemokraten zur größten Partei gemacht.“ Deshalb, und weil Rot-Rot-Grün größer sei als die Bürgerlichen, trete er erst einmal nicht zurück. Löfven hofft auf eine Zusammenarbeit über Blockgrenzen hinweg – unter seiner Führung.

Genau das aber lehnt die Allianz ab, die mit dem großen Ziel eines Regierungswechsels in den Wahlkampf gegangen war. Unisono forderten die Vorsitzenden der vier bürgerlichen Parteien einen Rücktritt Löfvens. „Die Regierung muss abtreten“, erklärte der Chef der größten Oppositionspartei Moderaterna, Ulf Kristersson. Seine eigene Partei erlitt zwar Stimmenverluste von über drei Prozent, dank Erfolgen der Christdemokraten und des Zentrums konnte das bürgerliche Bündnis insgesamt jedoch leicht zulegen.

Beide Blöcke bestehen hartnäckig auf ihren Kandidaten

Wie soll es nun weitergehen? Minderheitsregierungen sind in Schweden gang und gäbe. Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinaus ist durchaus üblich. Doch diesmal bestehen beide Seiten hartnäckig auf ihrem eigenen Kandidaten als Ministerpräsident.

Bleibt Åkesson als möglicher Königsmacher. Er hat dem Chef der Konservativen Ulf Kristersson bereits ein Gesprächsangebot unterbreitet. Als die schwedische Tageszeitung „Dagens Nyheter“ Åkesson kürzlich fragte, welchen Satz der Kulturgeschichte er am liebsten zitiere, antwortete er mit der berühmten Replik aus dem Mafia-Film „Der Pate“: „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“

Noch lehnen aber alle Parteien die Avancen der Nationalisten ab. Wollen sie allerdings ohne ihn regieren, dann muss sich jemand bewegen. Welche Partei das sein wird, das ist die Hauptfrage im aktuellen Schwedenkrimi.

Karin Bock-Häggmark

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