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Sahra Wagenknecht ist seit 2015 Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag.

© Imago/Zuma Press

Ausgrenzung von Ausländern: Wagenknecht verteidigt Essener Tafel

Die Ausgrenzung von Ausländern bei der Essener Tafel spaltet die Linke. "Rassismus", schimpfen die einen. Sahra Wagenknecht aber nennt die Aufregung "über alle Maßen scheinheilig".

Von Matthias Meisner

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat die Essener Tafel gegen Kritik verteidigt und so erneut den Unmut von Parteifreunden auf sich gezogen. In einem Facebook-Posting äußerte Wagenknecht Verständnis dafür, dass die Essener Tafel derzeit nur noch Deutsche als Neukunden aufnimmt: "Was für eine scheinheilige Debatte über den Aufnahmestopp bei der Essener Tafel! Statt sich öffentlichkeitswirksam zu empören, sollten Kritiker wie die amtierende SPD-Sozialministerin Katarina Barley lieber mal über die eigene Mitverantwortung dafür nachdenken, dass im heutigen Deutschland derart viele Menschen auf die Hilfe von Tafeln angewiesen sind. Darunter viele Ältere, die in ihrem Leben hart gearbeitet haben, und viele alleinerziehende Mütter."

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Der Anteil nicht-deutscher Klienten war bei der Essener Tafel zwischenzeitlich auf drei Viertel angestiegen. Durch Flüchtlinge und Zuwanderer seien ältere Tafel-Nutzerinnen und Alleinerziehende einem Verdrängungsprozess zum Opfer gefallen, begründete die Einrichtung ihren umstrittenen und heiß diskutierten Aufnahmestopp für Ausländer.

Wagenknecht, die nicht zum ersten Mal mit Äußerungen zur Asylpolitik in den eigenen Reihen heftige Empörung ausgelöst hat, hält das Vorgehen der Essener Tafel für nachvollziehbar. Nicht die Essener Tafel würde das politische Klima vergiften, sondern eine fahrlässige und unverantwortliche Sozialpolitik. "Statt öffentlicher Erregung brauchen wir eine Mindestrente von 1050 Euro im Monat und eine Wiederherstellung der Arbeitslosenversicherung", verlangte die Linksfraktionschefin.

Ähnlich hatte sich Wagenknecht zuvor im Gespräch mit dem Deutschlandfunk geäußert. Dort nannte sie die Aufregung über das Vorgehen der Essener Tafel "über alle Maßen scheinheilig". Man wisse seit langem, dass es Probleme bei den Tafeln gebe, weil inzwischen viele Menschen auf Hilfe angewiesen seien. Sie finde es falsch, die Tafeln in dieser Weise zu überlasten. Wagenknecht betonte, die Bundesregierung habe entschieden, viele Flüchtlinge aufzunehmen. Sie habe sich aber nicht darum gekümmert, dass die Lasten dafür nicht auf Kosten der Ärmsten gingen.

"Rassismus in seiner offensten Form"

Linken-Fraktionsvize Caren Lay und auch andere Abgeordnete gingen auf Distanz zu Wagenknecht: Die Ausgrenzung von Migrantinnen und Migranten von der Essener Tafel sei inakzeptabel und rassistisch. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Ärmsten gegeneinander ausgespielt werden. Es ist genug Essen für alle da!" Das bekräftigte auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Möhring, die zugleich erklärte: "Tafeln haben schleichend den Sozialstaat ersetzt. Ihre Existenz sollte überflüssig werden."

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Der nordrhein-westfälische Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat schrieb auf Facebook, es sei ein "sozialpolitischer Offenbarungseid", dass in einem der reichsten Länder der Erde Tafeln überhaupt notwendig seien. "Leute aufgrund ihrer Herkunft auszuschließen, ist rassistisch." Insbesondere unterstelle der Essener Tafel-Chef Jörg Sartor bestimmten Ausländergruppen ein "Nehmer-Gen" - also eine genetische Veranlagung zu einem bestimmten Verhalten. "Das ist Rassismus in seiner offensten Form."

Essener Tafel-Chef erwägt Rücktritt

Wegen der massiven Kritik spielt der Essener Tafel-Chef Sartor mit dem Gedanken zurückzutreten. "Ich bin kurz davor hinzuschmeißen", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Jetzt haut ein Haufen von Politikern auf uns ein, ohne sich zu informieren." Sartor distanzierte sich auch vom Beifall von Rechtspopulisten: "Ich lasse mich vor keinen Karren spannen, weder von linken Politikern, noch von rechten." Bei der Maßnahme bleibe es, bis das Verhältnis zwischen deutschen und ausländischen Kunden wieder ausgeglichen sei.

Ich bin davon überzeugt, dass der Herr Sartor und seine Mitarbeiter die Maßnahme gar nicht für rassistisch halten, bzw. sie so meinen - das ändert aber nichts daran, dass sie es im Ergebnis ist.

schreibt NutzerIn Sharis

In der Nacht zu Sonntag wurden sechs von sieben Tafel-Wagen mit Parolen wie "Nazis" und "Fuck Nazis" besprüht. Der Staatsschutz ermittelt. Die Schriftzüge würden nicht entfernt, erklärte Sartor. "Die Lkw sollen durch die Stadt fahren, das sollen alle sehen." Zudem sagte er: "Es ist eine Schweinerei, unsere Freiwilligen so zu diffamieren."

Unter dem Motto "Lebensmittel retten. Menschen helfen" sammeln Tafel-Organisationen bundesweit Lebensmittel ein, die im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verwendet werden können, und verteilen sie an Bedürftige. Mit rund 60.000 Ehrenamtlichen, 934 Tafeln und etwa 2100 Ausgabestellen gelten die deutschen Tafeln als eine der größten sozialen Bewegungen der Zeit. Die erste Tafel wurde vor 25 Jahren in Berlin gegründet. (mit KNA)

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