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Luisa Neubauer ist zum - vom rechten Rand angefeindeten - Gesicht der deutschen Klimaschutzbewegung geworden.

© dpa

„Ausdrücke wie 'Öko-Diktatur' sicher nicht hilfreich“: FDP-Politiker fordert verbale „Abrüstung“ gegen Fridays for Future

Die Klimaschützerin Luisa Neubauer beklagt zunehmende Aggression - der FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler betont, es sei absurd, wenn sie Personenschutz brauche.

Der FDP-Klimaschutzexperte Lukas Köhler hat seine Partei dazu aufgerufen, beim Umgang mit der Fridays-for-Future-Bewegung verbal abzurüsten. „Ausdrücke wie „Öko-Diktatur“ sind sicher nicht hilfreich, wenn es um Sachfragen und Details geht“, sagte Köhler  in einem Interview mit dem Tagesspiegel mit Blick auf Vorwürfe aus seiner Partei, die jungen Leute wollten eine „Öko-Diktatur“ errichten.

Eines der Gesichter von Fridays for Future in Deutschland, Luisa Neubauer (24) sagte in dem Doppelinterview mit Köhler: „Ich war auch schon mit Personenschutz bei Veranstaltungen“.

Riuft auch seine Partei zur Mäßigung auf: Der FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler
Riuft auch seine Partei zur Mäßigung auf: Der FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler

© Foto: Sven Darmer

Personenschutz für Neubauer

Dafür sei nicht die FDP verantwortlich. „Aber interessant ist schon, was dieser aggressive Ton auslöst. Da kommen Sprüche von FDP und CSU, dann geht das über die AfD in die sozialen Netzwerke und dann kriege ich einen Telefonanruf, in dem es heißt: Heute ist eine Demo der Coronaleugner bei dir in der Stadt, verlasse besser nicht das Haus.“ Neubauer führt den Hass und die Aggression gegen ihre Person auch auf die zunehmenden Zukunftsängste zurück. „Die Umweltzerstörung hat so eine Wucht und ein Ausmaß erreicht, dass das alles natürlich beängstigend sein kann. Wenn man dann als junge Frau darauf aufmerksam macht, dann macht das viele Leute wütend.“

Es heiße dann: Wir haben eurer Generation die Welt zu Füßen gelegt, ihr redet alles schlecht, stellt unser Lebenswerk in Frage. „Viele glauben, wir wollen ihnen was wegnehmen. Es ist in meinen Augen eine Mischung aus einer harten Realität, Ängsten vor Abstieg und Kontrollverlust, die Menschen so aggressiv macht.“ Köhler betonte: „Es ist absurd, dass ein Mensch, der sich fürs Klima einsetzt, Personenschützer braucht.“

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Aus Sicht von Fridays for Future gibt es auch bei der Bundesregierung zu viele Lippenbekenntnisse
Aus Sicht von Fridays for Future gibt es auch bei der Bundesregierung zu viele Lippenbekenntnisse

© imago images/Christian Mang

400 Milliarden Euro für "völlig unökologische Agrarpolitik"?

Neubauer fordert von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den anderen Staats- und Regierungschefs einen Stopp der Pläne für die künftige EU-Agrarpolitik, da damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens in weite Ferne rücken würden. „Auf EU-Ebene soll für die nächsten sieben Jahre eine völlig unökologische Landwirtschaftspolitik festgeschrieben wird – mit 400 Milliarden Euro“, sagte Neubauer. „Da wird das veraltete System der Agrarsubventionen zementiert, die Bauern kaum Anreiz gibt, umweltfreundlich zu wirtschaften, sondern so viel Fläche wie möglich zu bestellen.“

Mit dem Pariser Klimaabkommen sei das nicht vereinbar. Bauern würden die Folgen der Klimakrise auch in Europa als erste spüren. „Wir haben dieses Jahr den dritten Dürresommer in Folge erlebt.“ Allerdings hat das Europaparlament die Pläne schon gebilligt, Neubauer und Greta Thunberg sprachen deshalb vor wenigen Tagen direkt mit EU-Klimakommissar Frans Timmermans.

Rock n' roll mit Joe Biden?

Neubauer betonte, die weltweite Bewegung setze große Hoffnung in den künftigen US-Präsidenten Joe Biden, die EU-Staaten müssten gerade jetzt ein Vorbild für mehr Klimaschutz abgeben, nicht nur rhetorisch. „Das ist vielleicht eine Art Geschenk des Jahres 2020“, sagte Neubauer zu Bidens Sieg über Donald Trump. Es entspanne im besten Falle die politische Situation, aber leider nicht die physikalische.

„Ein bisschen gibt es aber die Gefahr, dass die EU dann wieder zurückschrauben könnte, was international Leadership betrifft. Da wäre jetzt die Aufgabe zu sagen: Geil, Rock N‘ Roll, wir haben schon richtig vorgelegt: Welcome back. Um dann zusammen richtig was zu bewegen.“

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Berichtet von zunehmender Aggression: Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer
Berichtet von zunehmender Aggression: Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer

© Sven Darmer

Tempolimit und fertig - "Das reicht nicht"

Neubauer widersprach dem Eindruck, man setze vor allem auf mehr Verbote, um Klimaziele zu erreichen. „Es geht uns doch nicht darum, dass man jetzt sofort etwas abschafft, zum Beispiel bei den SUV. Sondern wir wollen Grenzwerte und Regularien, die langfristig dazu führen, dass sich ökologisch oder sozial unbezahlbare Dinge nicht mehr lohnen, produziert zu werden. Man müsse intelligenter und tiefer über Mobilität nachdenken.

„Da reicht’s nicht zu sagen: Tempolimit und fertig. Auch wenn das klickt. Wie organisieren wir uns mit der Feststellung: Wir können nicht immer mehr Autos auf die Straße stellen. Brauchen wir Inlandsflüge? Wenn wir die Bahn ausbauen, würde das automatisch weniger. Und wenn der Flugverkehr zudem tatsächlich Teil des Emissionshandels würde, würde er in Europa zurückgehen, gerade bei innerdeutschen Flügen. Auch ohne Verbote.“

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Luisa Neubauer, Fridays for Future, und FDP-Klimaexperte Lukas Koehler im Streitgespräch.
Luisa Neubauer, Fridays for Future, und FDP-Klimaexperte Lukas Koehler im Streitgespräch.

© Sven Darmer

FDP kritisiert Klimapolitik Merkel

Köhler warf der Bundesregierung vor, in der Corona-Krise den Klimaschutz zu vernachlässigen. „Die Konjunkturhilfen müssten viel mehr auf die Umstellung des Wirtschaftssystems ausgerichtet sein“, sagte Köhler in einem Interview mit dem Tagesspiegel (Sonntag). „Wir sehen, dass ein massiver Umbau der Wirtschaft nötig ist. In allen Bereichen müssen wir weg von der fossilen Energie. Da legt die Bundesregierung zu wenig Augenmerk darauf, sondern kümmert sich zu sehr darum, das bisherige System zu stabilisieren.

„Er betonte, auch dank der Fridays for Future-Bewegung habe das Thema Klimaschutz bei der FDP heute einen sehr hohen Stellenwert – die Partei will feste CO2-Obergrenzen über eine Ausweitung des Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten auf alle Bereiche. „Ein Weiter so geht nicht. Wir können das erste Mal in der Geschichte der Menschheit bewusst designen, wie wir die Welt von morgen aufgebaut haben wollen. Ein Mix aus neuen Technologien, aber auch harten politischen Rahmen“, betonte Köhler.

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