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Ort der Erinnerung: Die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.

© Reuters

Ausbau der Holocaust-Gedenkstätte: Deutsche Firmen geben Millionen für Yad Vashem

Das Gedenkzentrum Yad Vashem in Jerusalem wird erweitert. Unterstützung kommt dabei von fünf deutschen Unternehmen. Jedes gibt eine Million Euro.

Ein winziger Lederschuh, zwei kleine Kinderhandschuhe und eine Geburtsurkunde. Das ist alles, was von Hinda Cohen geblieben ist. Kein Foto, kein Bild. Am 27. März 1944 verschleppen deutsche Soldaten die Zweijährige aus einem litauischen Lager. Als Tzipporah und Dov Cohen in das Camp zurückkehren, ist ihre Tochter fort. In die Sohle ihres zurückgelassenen Schuhs ritzt Hindas Vater das Datum des Verbrechens, ein eingekratztes Zeugnis des Grauens des Holocausts.

Heute, 75 Jahre später, kämpft Haim Gärtner gegen den Zerfall dieser Zeugnisse – und reist dafür am Dienstag nach Berlin. Gärtner ist Archivdirektor des Holocaust-Gedenkzentrums Yad Vashem in Jerusalem. Er bewahrt die Beweise. Er bereitet sie auf, um die Geschichte hinter den Gegenständen zu erzählen. Im Commerzbank-Haus am Pariser Platz, im Schatten des Brandenburger Tors, stellt Gärtner nun gemeinsam mit Kai Diekmann, Vorsitzender des Deutschen Freundeskreises von Yad Vashem, sein Projekt vor: das Haus der Sammlungen.

Das Archiv braucht mehr Platz

Yad Vashem braucht mehr Platz. Das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte hat Millionen Beweise hinterlassen. Dokumente, Fotos und Gegenstände wie Hindas Schuh. „In den letzten Jahren ist das Archiv dramatisch gewachsen“, sagt Gärtner. 2011 startete das Gedenkzentrum die Kampagne „Die Scherben aufsammeln“. Das Ziel: Erinnerungsstücke aus Privatwohnungen retten, bevor sie verloren gehen. 250.000 Gegenstände sind seither hinzugekommen. Deswegen will er auf dem Yad-Vashem-Gelände das Haus der Sammlungen bauen, mit vier unterirdischen Ebenen und Raum für Restauration, Archiv und Erinnerung.

Fast 27 Millionen Euro soll das Projekt kosten – Gärtner hat gemeinsam mit Diekmann fünf Partner aus Deutschland gefunden. Borussia Dortmund, die Deutsche Bahn, die Deutsche Bank, Daimler und Volkswagen – fünf Unternehmen, die jeweils eine Million Euro bereitstellen. Das verkünden Gärtner und Diekmann nun in Berlin gemeinsam mit Vertretern der Unternehmen.

Verantwortung für die Vergangenheit

Auch die Geschäfte ihrer Konzerne im Dritten Reich seien für sie ein Grund, das Yad-Vashem-Projekt zu unterstützen. Das betonten sowohl Bahnvorstand Ronald Pofalla als auch sein Kollege Gunnar Kilian von VW, Thorsten Strauß von der Deutschen Bank und Daimler-Vertreter Eckart von Klaeden. Für BVB-Boss Hans-Joachim Watzke sind aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen ausschlaggebend für das Engagement des Dortmunder Fußballvereins: „In den letzten Jahren hat sich in der Gesellschaft etwas verändert“, sagt Watzke. Antisemitische Tendenzen hätten zugenommen. „Das akzeptieren wir nicht, das dulden wir nicht, und das ist uns beim BVB ein wichtiges Anliegen.“ Haim Gärtner erwartet, dass das Haus der Sammlungen „uns erlauben wird, all die Erinnerungen, Gegenstände und Beweise zu sammeln und sie mit zukünftigen Generationen zu teilen“.

Tzipporah und Dov Cohen überlebten den Holocaust und zogen nach Israel. In ihrem Testament legten sie fest, dass Hindas Handschuhe, ihre Geburtsurkunde und auch ihr Schuh in das Yad-Vashem-Archiv übergehen sollten, um die Erinnerung an ihre Tochter Hinda zu teilen. Mit dem geplanten Gebäude wird Platz geschaffen. Für die vielen Gegenstände, deren Geschichte noch erzählt werden muss.

Jonas Mielke

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