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Migranten stehen Schlange, um eine Fähre von der Insel Lesbos zum griechischen Festland zu besteigen.

© dpa

Aufnahme von Flüchtlingen in Krisensituationen: Osteuropäer pochen auf Freiwilligkeit

Osteuropäische EU-Staaten tun sich weiterhin schwer mit einer verpflichtenden Übernahme von Flüchtlingen. Das zeigt die Videokonferenz der EU-Innenminister.

Unter dem Vorsitz von Innenminister Horst Seehofer (CSU) fand am Donnerstag der erste Härtetest für die Reform des EU-Asylrechts statt, die nun nach Jahren des Streits zwischen den europäischen Mitgliedstaaten endlich gelingen soll. Zumindest hat sich Seehofer dies vorgenommen. Im Dezember, also zum Ende des deutschen EU-Vorsitzes, wünsche er sich eine „politische Einigung“ über die Reform, sagte Seehofer beim virtuellen Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen.  

Schon seit Jahren gelingt es den EU-Staaten nicht, das bestehende europäische Asylsystem zu erneuern. Die so genannte Dublin-Regelung sieht vor, dass Staaten wie Italien und Griechenland als Ankunftsländer für die Asylverfahren von Flüchtlingen zuständig sind. Obwohl die Mittelmeeranrainer eine fairere Lastenteilung verlangen, brachten es die EU-Länder nach der Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 nicht fertig, zu einer Verteilung von Schutzbedürftigen zu kommen.  

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Nun hat die EU-Kommission Ende September mit einem Migrationspakt einen neuen Anlauf unternommen. An der Dublin-Regelung soll sich zwar im Grundsatz nichts ändern. Dafür rückt aber dem Vorschlag zufolge die Abschiebung nicht schutzbedürftiger Migranten in den Vordergrund. Dabei sollen sich Staaten wie Ungarn und Polen im Rahmen von „Rückführungs-Patenschaften“ beteiligen, wenn sie schon keine Flüchtlinge aufnehmen wollen.  

EU-Diplomaten: Keine Anzeichen für eine schnelle Einigung

Allerdings ist nicht sicher, dass eine grundsätzliche Einigung auf den Vorschlag der Kommission in den kommenden zwei Monaten so zügig gelingt, wie Seehofer sich das vorstellt. „Der erste Anschein ist, dass es nicht sehr schnell zu einer Einigung kommt“, hieß es am Donnerstag aus EU-Diplomatenkreisen. Zwar war der Ton diesmal freundlicher als bei so manchem Ministertreffen in der Vergangenheit, als es auch schon einmal zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen dem luxemburgischen Integrationsminister Jean Asselborn und dem damaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini kam. Dennoch wurde auch am Donnerstag deutlich, dass sich etliche osteuropäische Staaten mit der verpflichtenden Übernahme von Flüchtlingen weiterhin schwertun - darunter die Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei sowie Bulgarien, Rumänien und Estland.

Der Vorschlag der Kommission sieht nämlich vor, dass beispielsweise ein Mitgliedstaat wie Ungarn bei einer „Rückführungs-Patenschaft“ acht Monate Zeit hat, im Namen eines anderen Landes wie Griechenland einen nicht schutzbedürftigen Migranten abzuschieben. Wenn die Abschiebe-Prozedur länger dauert, muss in dem Beispiel-Fall Ungarn den Migranten von Griechenland übernehmen.  

Ungarn soll sich an Abschiebungen beteiligen

Zudem ist im Vorstoß der Kommission vorgesehen, dass die übrigen Mitgliedstaaten Ankunftsländer wie Malta oder Italien im Fall eines rapiden Anstiegs der Flüchtlingszahlen durch die Aufnahme von Schutzbedürftigen entlasten können. Laut dem Plan der Brüsseler Behörde ist es möglich, dass EU-Länder ihre Solidarität sowohl im Rahmen der „Rückführungs-Patenschaften“ als auch bei einer Umverteilung von Flüchtlingen an den Tag legen.  

Eigentlich hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen das Migrationspaket vor gut zwei Wochen vorgelegt, um die alten Grabenkämpfe in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik zu beenden. Doch die Diskussion der EU-Innenminister vom Donnerstag zeigte, wie schwer einigen Ländern ein Neustart in der Debatte fällt.

So erinnerten etliche Ressortchefs aus Osteuropa, unterstützt vom österreichischen Innenminister Karl Nehammer, an den Beschluss eines EU-Gipfels vom Juni 2018. Dort ist festgehalten, dass Maßnahmen zur Umsiedlung und Neuansiedlung von Flüchtlingen nur „auf freiwilliger Basis“ möglich seien. 

Dagegen sagte Luxemburgs Integrations- und Außenminister Asselborn dem Tagesspiegel: „In Krisensituationen muss es eine Verpflichtung für alle Staaten geben, wenn es um eine Verteilung von Flüchtlingen aus den Ankunftsstaaten geht."

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