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2019 zogen dreimal so viele Rechtsextremisten wie im Vorjahr durch Dresden. Diesmal könnte die Zahl von zuletzt 1500 weiter steigen.

© Monika Skolim/dpa

Aufmarsch in Dresden: Neonazis wollen Jahrestag der Bombardierung kapern

Die rechte Szene mobilisiert rund um den 75. Gedenktag der Bombardierung von Dresden. Sorgen bereitet die erwartete Teilnahme von Neoonazis aus dem Ausland.

Von Frank Jansen

Der 13. Februar und das folgende Wochenende sind in Dresden schon lange anstrengende Tage, im Jahr 2020 offenbar erst recht. Es steht der 75. Jahrestag der Bombardierung der Stadt 1945 bevor, Neonazis wollen den traurigen Termin für ihre Propaganda nutzen. Sicherheitskreise befürchten, dass zum angekündigten Aufmarsch am 15. Februar, einem Sonnabend, noch mehr Rechtsextremisten aus dem In- und Ausland erscheinen als 2019.

Nazigegner kündigen, wie immer, Blockaden an. Ein linkes „Aktionsbündnis“ ruft dazu auf, sich „mit Mitteln des zivilen Ungehorsams“ den Rechtsextremen entgegenzustellen. Und beim Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 13. Februar in Dresden – er hält im Kulturpalast die Gedenkrede zur Zerstörung der Stadt im Krieg – sind auf der Straße rechte Pöbeleien zu erwarten. Pegida-Fans grölen bei solchen Anlässen „Volksverräter“.

Sicherheitsexperten vermuten, am 15. Februar kämen mehr als die 1500 Rechtsextremisten, die im vergangenen Jahr am Sonnabend nach dem 13. Februar durch die Innenstadt gezogen waren. Die Teilnehmerzahl des Aufmarschs hatte sich gegenüber 2018 verdreifacht. Den Neonazis schlossen sich offenbar Bürger an, die sich sonst am rituellen Auflauf von Pegida beteiligen. Das könnte auch jetzt passieren.

Mobilisierung seit November

Die rechte Szene mobilisiert schon seit November bundesweit. Sorgen bereitet den Behörden auch die zu erwartende Teilnahme von Rechtsextremen aus anderen Staaten. Ukrainische Nazis beispielsweise nutzen solche Gelegenheiten, um „Kameraden“ für den Kampf rechtsextremer Paramilitärs gegen die prorussischen Separatisten im Donbass zu werben.

Bei früheren Aufmärschen zum Jahrestag der Bombardierung hatten noch weit mehr Rechtsextremisten als 2019 Dresden heimgesucht. 2005 kamen 5000 und 2010 sogar 6400 Neonazis. 2010 gelangten sie allerdings nicht über den Vorplatz des Bahnhofs in der Dresdener Neustadt hinaus. Nazigegner blockierten die Straßen, die Polizei kesselte die Rechten stundenlang ein und ließ aus Sorge vor Massenschlägereien keinen Aufzug durch die Stadt zu. Nach der Niederlage fand die Szene den jährlichen „Trauermarsch“ in Dresden weniger attraktiv, die Teilnehmerzahlen sanken. Bis sich im vergangenen Jahr der Trend drehte.

Menschenkette zum Gedenken

Die rechte Szene wende sich wieder stärker ihrer geschichtsrevisionistischen Agitation zu, sagen Sicherheitskreise. Dazu gehöre, die Zahl der Opfer des alliierten Luftangriffs auf Dresden deutlich zu übertreiben. Historiker sprechen von maximal 25000 Toten, Neonazis von mehr als zehnmal soviel.

Für den Jahrestag selbst ist jetzt in Dresden, wie schon länger Tradition, eine große Menschenkette angemeldet. Erwartet werden 11000 Menschen, die in der Innenstadt mit Kerzen in der Hand der Bombenopfer gedenken. Da wird es vermutlich keine Störungen geben. Konfliktträchtig ist hingegen die erneute Gedenkveranstaltung der AfD auf dem Altmarkt. Im vergangenen Jahr musste die Polizei die Rechtspopulisten und linke Nazigegner auseinanderhalten. Das dürfte sich dieses Jahr wiederholen. Die Gruppierung „Hope – fight racism“ ruft zu einer Kundgebung am Altmarkt auf, an der sich das linke „Aktionsbündnis 13. Februar 2020“ beteiligen will.

Die AfD Dresden provoziert unterdessen bei Facebook mit einem Beitrag, der rechtsextremem Geschichtsrevisionismus nahekommt. „Ein ehrliches Gedenken deutscher Opfer weicht offenbar dem schambehafteten Blick auf jene 12 Jahre deutscher Geschichte unter der Regierung der NSDAP – einer Periode der deutschen Geschichte, in der es manchem im Nachhinein leicht zu fallen scheint, Täterschaft bewusst undifferenziert und kollektiv zu betrachten“, heißt es in einem Beitrag vom Donnerstag. Aus der Geschichte lernen heiße nicht, „Teile davon als Bürde bis in die heutige Zeit tragen zu müssen“.

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