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DDR-CDU-Chef Gerald Götting 1987 beim Parteitag in Dresden

© Imago

Update

Aufarbeitung der DDR-Geschichte: CDU will sich mit ihren Blockflöten befassen

Die CDU habe noch Aufklärungsbedarf, was ihre DDR-Geschichte betrifft, sagt deren thüringischer Vorsitzender Mike Mohring. Das kann als Spitze gegen Parteifreunde verstanden werden.

Von Matthias Meisner

Die CDU will ihre Vergangenheit als ostdeutsche Blockpartei wissenschaftlich untersuchen lassen. "Die CDU hat noch Aufarbeitungsbedarf, was die Beschäftigung mit ihrer DDR-Vergangenheit betrifft“, sagte der Thüringer CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring der "Thüringer Allgemeinen". Die Partei habe die eigene Rolle während der friedlichen Revolution im Jahr 1989 "deutlich überzeichnet". Im Gegensatz zu mancher offiziellen Darstellung sei die CDU damals "keine treibende Kraft" gewesen. Im Gegenteil: "Sie wurde getrieben."

Die Ansage Mohrings ist nicht ohne Pikanterie: Bis auf den aus Rheinland-Pfalz stammenden Bernhard Vogel waren alle thüringischen Ministerpräsidenten seit 1990 vor der Wende in der DDR-CDU aktiv - von Josef Duchac über Dieter Althaus bis zu Christine Lieberknecht, der im Dezember der Linken-Politiker Bodo Ramelow folgte. Schon 1991 schrieb der Historiker Christian von Ditfurth das Buch "Blockflöten - wie die CDU ihre realsozialistische Vergangenheit verdrängt".

In seiner Biografie über Christine Lieberknecht ("Von der Mitläuferin bis zur Ministerpräsidentin") griff der Erfurter Journalist Martin Debes im vergangenen Jahr ebenfalls dieses Kapitel der CDU-Geschichte mit besonderem Blick auf Thüringen auf. Demnach führte die spätere Pastorin Lieberknecht vor 1990 ein angepasstes Leben als FDJ-Sekretärin, war Blockparteimitglied und Westreisekader.

Auch andere CDU-Funktionäre in Ostdeutschland waren vor der Wende in der DDR-CDU aktiv - die thüringische Landtagsabgeordnete Marion Walsmann saß für die Partei in der DDR-Volkskammer. Der neue sächsische CDU-Fraktionschef Frank Kupfer erklärte dieser Tage der Chemnitzer "Freien Presse" auf die Frage, warum er 1982 in die DDR-CDU eingetreten sei: "Weil ich mit 20 Jahren so naiv war zu glauben, dass ich dieses System von innen heraus reformieren kann. Aber irgendwann habe ich mitbekommen, dass das nicht geht. Und kurz vor der Resignation kam dann die Friedliche Revolution, an der ich mich aktiv beteiligt habe."

Tauber: Es gibt unzählige wissenschaftliche Untersuchungen

Die Rolle der DDR-CDU war im vergangenen Herbst im Streit um die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung mit Ramelow an der Spitze wieder stärker in den Blick geraten. Vor allem die SPD konterte Angriffe wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Linkspartei mit diesem Argument. Im November sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber "Spiegel online": "Die SPD soll aufhören, falsch Zeugnis zu reden. Es gibt unzählige wissenschaftliche Untersuchungen zur Historie der CDU in der DDR." Vorwürfe an die Adresse der CDU nannte er damals ein "schlechtes Ablenkungsmanöver vom eigenen unverantwortlichen Kurs der SPD". Auf Twitter bestritt Tauber am Mittwoch, dass die CDU ihre DDR-Geschichte verdränge: "Das tut sie nicht", schrieb er. Es gebe umfangreiche wissenschaftliche Literatur und auch aktuell zwei Bücher. Tauber erklärte: "Jede Beschäftigung mit der eigenen Geschichte lohnt. Auch das haben wir den Linken voraus."

Mike Mohring, CDU-Chef in Thüringen
Mike Mohring, CDU-Chef in Thüringen

© Michael Reichel/dpa

Mohring erklärte jetzt, eine Kommission aus Wissenschaftlern und Zeitzeugen solle sich mit der gesamten DDR-CDU von 1945 bis 1990 beschäftigen. Das Gremium werde noch in diesem Jahr eingesetzt. Die Unabhängigkeit wolle man dadurch gewährleisten, dass man keine parteinahen Wissenschaftler benenne. "Außerdem werden wir uns zu keinem Zeitpunkt in die Arbeit der Kommission einmischen", versicherte er. Ob Mohring die Pläne mit der Bundes-CDU abgestimmt hat, blieb am Mittwoch zunächst unklar.                                                                                                                                                                                

Der Landesparteichef sagte, er selber besitze einen "kritischen Blick" auf die Geschichte seiner Partei in der DDR. Ihn persönlich habe "irritiert", dass die CDU während der Wende versuchte, die Montagsdemonstrationen für sich zu vereinnahmen. Der heute 43-jährige Politiker war 1989 Mitglied des Neuen Forums und trat erst später in die Union ein.

Mohring, der auch die Landtagsfraktion führt, plädierte für eine differenzierte Sichtweise der DDR-Zeit. So hätten die Führungsebenen in der Block-CDU nach der Gleichschaltung "eine systemtragende Funktion" besessen. Hingegen habe die Basis als Nische für Christen, Andersdenkende aber auch Opportunisten gedient. Klar sei zudem, dass die führende Rolle durch die SED ausgeübt worden sei.

Forderung nach Gedenktag für Opfer des SED-Regimes

Thüringens Landtagspräsident Christian Carius hatte am Dienstag einen bundesweiten "Gedenktag für die Opfer des SED-Regimes" vorgeschlagen, wie das "Neue Deutschland" berichtete. Es sei wichtig, "die Erinnerung an das Unrecht der SED-Diktatur dauerhaft im kollektiven Gedächtnis der Deutschen zu verankern", sagte Carius bei einer Diskussionsveranstaltung in Anwesenheit des neuen Regierungschefs Ramelow.

Der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, forderte die Linke auf, sich klar zu ihrer Verantwortung für das SED-Unrecht zu bekennen und dabei auch auf jene zuzugehen, denen Unrecht widerfahren sei. Ramelow sicherte zu, er werde sich wo immer möglich für eine umfassende Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit einsetzen. Den Vorstoß Carius' nannte er "eine berechtigte Überlegung".

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