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Der türkische Präsident Erdogan hat ein Problem: Er will, dass die syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Deshalb muss er mit Assad sprechen.

© via REUTERS

Auf Putins Drängen hin: Erdogan will mit Assad verhandeln

Der türkische Präsident Erdogan drohte mit einem Militäreinsatz in Syrien. Doch jetzt will er plötzlich mit Machthaber Assad reden.

„Mörder Assad“ und „Dieb Erdogan“: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der syrische Staatschef Baschar al Assad haben sich in den vergangenen Jahren nur beschimpft. Doch nun bereitet die türkische Regierung neue Kontakte mit der syrischen Führung vor. Druck der türkischen Wähler, die auf die Heimkehr der 3,7 Millionen syrischen Flüchtlinge dringen, und Forderungen von Kremlchef Wladimir Putin treiben Präsident Erdogan zum Kurswechsel.

Erdogan deutete nach seinem jüngsten Treffen mit Putin am 5. August ein Umdenken an. Der russische Präsident, der wichtigste Partner von Assad, hatte bei dem Gespräch die Bitte Erdogans abgewiesen, die türkische Armee zur Bekämpfung der kurdischen Miliz YPG nach Nord-Syrien schicken zu dürfen. Die Türkei betrachtet die YPG als Terrorgruppe. Putin habe angeregt, die Regierungen von Türkei und Syrien sollten in Norden- Syrien gemeinsam eine Lösung finden, sagte Erdogan nach dem Treffen. Gespräche zwischen den Geheimdiensten beider Länder gibt es schon länger, doch politische Kontakte lehnte Erdogan bisher ab.

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Dabei war Erdogan einst mit Assad befreundet und verbrachte sogar seine Ferien mit ihm. Doch als Assad 2011 auf Demonstranten schießen ließ, sagte sich Erdogan von ihm los – in der Hoffnung, ein Türkei-treues Regime in Damaskus installieren zu können. Die Türkei unterstützt bis heute Rebellengruppen, die Assad stürzen wollen. Gleichzeitig kooperiert Erdogan aber mit Putin, der militärisch in Syrien das Sagen hat. Damit will er sich die Möglichkeit offenhalten, gegen die YPG vorzugehen.

Assads Sturz müsse das gemeinsame Ziel bleiben, so die Opposition

Kurz nach Erdogans Treffen mit Putin berichtete die regierungstreue türkische Zeitung „Türkiye“, ein Golf-Staat und eine islamische Regierung in Afrika wollten ein Gespräch zwischen Erdogan und Assad vermitteln. Ankara halte die Zeit dafür zwar noch nicht für reif, doch in Zukunft sei ein Telefonat der beiden Präsidenten möglich. Erdogans Regierung ließ durchblicken, dass es mehr Kontakte zwischen Ankara und Damaskus gibt, als bisher bekannt war. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, er habe im vergangenen Jahr bei einer Konferenz in Belgrad kurz mit seinem syrischen Kollegen Faisal Mekdad gesprochen.

Erdogans Regierung wolle die Öffentlichkeit auf den Kurswechsel vorbereiten, meint der Journalist und Außenpolitik-Experte Fehim Tastekin. Erdogan verlange Gegenleistungen für einen Handschlag mit Assad, schrieb Tastekin in einer Analyse für das Nachrichten-Portal Duvar. Die syrische Regierung solle die kurdische Selbstverwaltung unter der YPG zerschlagen, mit gemäßigten Oppositionsgruppen zusammenarbeiten, syrische Flüchtlinge aus der Türkei heimkehren lassen und türkische Baufirmen am Wiederaufbau Syriens beteiligen. Assad will erst mit Erdogans Regierung reden, wenn die Türkei ihre Truppen aus Nord-Syrien abzieht.

Erdogan (links) war einst mit Assad befreundet und verbrachte seine Ferien mit ihm.
Erdogan (links) war einst mit Assad befreundet und verbrachte seine Ferien mit ihm.

© imago stock&people

Die von Ankara unterstützte Opposition in Syrien ist entsetzt. Assads Sturz müsse das gemeinsame Ziel bleiben, erklärte der Dachverband SNC. Nach Cavusoglus Appell für eine Einigung von Assad-Gegnern und Regierung brachen in türkisch besetzten Teilen von Nord-Syrien anti- türkische Proteste aus.

Für Erdogan sind die eigenen Wahlchancen wichtiger als die Einwände der syrischen Opposition. Vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr ist die Flüchtlingsfrage für die Wähler neben der Wirtschaftskrise das wichtigste Problem. Bei beiden Themen steht der türkische Präsident schlecht da. Nach Daten des Umfrage-Instituts MetroPoll fordern 82 Prozent der Türken die Rückkehr der 3,7 Millionen Syrer in ihr Heimatland.

Wenn die Türkei die Rückkehr der Flüchtlinge wolle, komme sie um Gespräche mit Assads Regierung nicht herum, sagte Ömer Önhon, der letzte türkische Botschafter in Damaskus, dem Sender Halk-TV. Die linksnationale CHP als größte Oppositionspartei verspricht, das Flüchtlingsproblem zu lösen, indem sie mit Assad redet.

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