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Banner von Türkeis Präsident Erdogan und Aserbaidschans Präsident Alijew in der Türkei - im Vordergrund eine Statue von Staatsgründer Kemal Ataturk.

© imago images/ZUMA Wire

Auf Konfrontation mit Russland: Erdogans hochriskante Allianz mit Aserbaidschan

Der türkische Präsident gauckelt größere außenpolitische Stärke vor als vorhanden. Das ist gefährlich, denn er bleibt vom Kreml abhängig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Das neue Selbstverständnis der Türkei als Regionalmacht führt sie von der EU weg geradewegs in eine Konfrontation mit Russland. Der neue EU-Fortschrittsbericht wirft der Türkei vor, in der Außenpolitik immer weniger mit Europa gemein zu haben.

Im Konflikt in Berg-Karabach engagiert sich die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan in einem Gebiet, das Russland zum eigenen Machtbereich zählt. Das Verhältnis zu den USA ist ebenfalls schwierig. Bisher tut Ankara diese Probleme als Reaktion von Rivalen auf die angebliche neue Stärke der Türkei ab. Doch die Regierung überschätzt sich.

Die Türkei sei von Feinden umzingelt, sagte Erdogan erst vor wenigen Tagen. Seine Regierung wittert überall Gegner, die seinem Land den Aufstieg zu neuer Größe nicht gönnen wollen. Internationale Allianzen spielen in dieser neuen türkischen Außenpolitik deshalb keine große Rolle. Je nach Bedarf kann die Türkei nach Meinung der Regierung mal mit dem Westen, mal mit Russland oder mit China zusammenarbeiten – und zwar auf Augenhöhe.

Doch der Türkei fehlt die politische, militärische und wirtschaftliche Kraft für eine unabhängige und dauerhafte Großmachtrolle zwischen den globalen Blöcken USA, Russland, China und EU. Die aggressive Regierungsrhetorik gaukelt mehr außenpolitische Stärke vor, als tatsächlich vorhanden ist.

Ankara ignoriert alle Aufrufe zur Zurückhaltung

Im neuen Konflikt um Berg-Karabach sieht die Türkei eine Chance, der Vormachtstellung Russlands in der Region, aber auch dem Einfluss der USA und Frankreich als Mitglieder der Minsk-Gruppe etwas entgegenzusetzen. Ankara zählt darauf, dass der Partner Aserbaidschan in den Gefechten mit Unterstützung türkischer Drohnen große Gebietsgewinne erzielen kann – deshalb lehnt die Türkei derzeit einen Waffenstillstand ab.

Erdogans Ziel ist es, Russland dazu zu bringen, sich mit der Türkei auf einen Deal zu einigen. Das würde die türkische Position im Kaukasus erheblich stärken.

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Nach wie vor bleibt aber Russland der entscheidende Akteur. Erdogan kann es sich nicht leisten, den Kreml ernsthaft zu verärgern, denn die Türkei hängt in Syrien vom Wohlwollen Russlands ab. Auch wird Ankara trotz der kürzlichen Erdgasfunde im Schwarzen Meer bis auf Weiteres auf Energieimporte aus Russland angewiesen bleiben.

Erdogans Außenpolitik ist also hochriskant. Wer sich mit allen anlegt, wird irgendwann einmal alle gegen sich aufgebracht haben. Derzeit ignoriert die Regierung in Ankara internationale Aufrufe zur Zurückhaltung.

Doch mit jedem neuen Abenteuer im Kaukasus, im Mittelmeer oder im Nahen Osten wächst die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns. Dann wird die Türkei wieder Freunde brauchen – aber vielleicht keine mehr finden.

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