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Meist nicht in Würfelform, sondern gut versteckt: Viele Fertigprodukte aus dem Supermarkt sind zu süß.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Auch SPD-Experte Lauterbach will Abgaben auf Süßes: Kinderärzte drängen auf Zuckersteuer

Verbraucherministerin Julia Klöckner wehrt sich. Doch Mediziner und Experten pochen auf eine Zuckersteuer. Und verweisen auf Erfolge anderer Länder.

In Großbritannien und anderen Ländern ist sie ein Riesenerfolg, doch Verbraucherministerin Julia Klöckner beharrt auf ihrem Nein: Eine Zuckersteuer kommt der CDU-Politikerin nicht in die Tüte. Nun haben Mediziner und SPD die Forderung nach solchen Abgaben für Süßes erneuert. Zur Vorbeugung von Übergewicht und Fettleibigkeit bei Heranwachsenden verlangte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte am Mittwoch zum wiederholten Mal eine Zuckersteuer. Der Blick ins Ausland zeige, dass dies ein wirksames Vorgehen sei, sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach der Deutschen Presse-Agentur.

Steuereinnahmen für besseres Schulessen

Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der Sozialdemokraten, schloss sich dieser Forderung an. Immer mehr Kinder hierzulande seien übergewichtig, sagte er dem Tagesspiegel. Neben dem überfälligen Tabakwerbeverbot sei eine Zuckersteuer das zweite große Präventionsprojekt, das dringend angegangen werden müsse. Dabei plädierte Lauterbach für eine schrittweise Einführung. Anfangen könne man mit einer Abgabe auf Süßigkeiten und andere zuckerhaltige Waren, mit denen die Hersteller auf Kinder zielten, schlug er vor. Die Einnahmen aus der Steuer sollten dann in einen Fonds zur Finanzierung von gesundem Schulessen fließen.

Auch die Verbraucherschutzminister der Länder sympathisieren mit einer solchen Abgabe. Man sei „der Auffassung, dass steuerliche Anreize zur Reduzierung von Zucker in gesüßten Getränken ernsthaft erwogen werden sollen“, hieß es in einem gemeinsamen Beschluss der Ministerkonferenz Mitte dieses Jahres. Und die Gesundheitsminister drängeln ebenfalls. „Wir in der Gesundheitspolitik haben gesehen, wie der Konsum sich bei Tabak und Alkopops verändert, wenn eine Steuer eingeführt wird“, argumentierte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) im Juni. „Im Endeffekt müssen wir zu einer gesunden Mehrwertsteuer kommen, also weniger Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel und höhere Steuern auf ungesunde.“

Beeindruckende Zahlen aus Großbritannien

Widerspruch bei der Gesundheitsministerkonferenz kam von den Unionsteilnehmern. NRW-Minister Karl-Josef Laumann (CDU) stellte klar, dass er von einer Zuckersteuer nichts hält. Die anderen CDU-geführten Ministerien wollten ebenfalls „keine Bevormundung“. Wobei auch Laumann es als wichtig bezeichnete, den Zuckergehalt von Fertignahrungsmitteln transparenter zu machen.

Den Medizinern und auch Krankenkassen wie der AOK reicht das nicht. Sie verweisen auf Länder, die mit einer Zuckersteuer beste Erfahrungen gemacht haben. „Durch die Einführung von Zuckerabgaben und damit höheren Preisen ist den Verbrauchern dort die Lust auf Süßes weitgehend vergangen“, sagt Fischbach.

Tatsächlich sind die Zahlen aus Großbritannien beeindruckend. Im April 2018 wurde dort eine sogenannte Softdrink-Steuer eingeführt. Auf Getränke mit mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter mussten die Hersteller 18 Pence pro Liter zahlen, bei mehr als acht Gramm Zucker 24 Pence. Schon ein halbes Jahr später hatte die Hälfte der Hersteller den Zuckergehalt ihrer Getränke unter die Fünf-Gramm-Grenze gesenkt.

Die meisten unterschätzen den Zuckergehalt von Lebensmitteln

Auch Mexiko und Chile, wo es ebenfalls solche Steuern gibt, melden Erfolge. Nach einer Besteuerung sank der Softdrink-Konsum dort spürbar. Im Gegenzug stieg der Verbrauch von Trinkwasser spürbar. Nur in Deutschland, das beim Zuckerkonsum über Softdrinks europaweit auf Platz drei liegt, tut sich nichts.

Dabei wäre das nötig. Hochgerechnet konsumieren die Deutschen pro Tag 90 Gramm Zucker – fast doppelt so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation als Maximum empfiehlt. Mehr als 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen haben Übergewicht, ein Drittel davon Adipositas. Und der Hauptverursacher dieser Misere ist nach Lauterbachs Angaben versteckter Zucker.

Laut AOK enthalten rund 80 Prozent der Fertigprodukte in deutschen Supermärkten zugesetzten Zucker. Für die Verbraucher ist das oft nur schwer zu erkennen. Einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Universität Mannheim zufolge unterschätzen 74 Prozent der Eltern Zuckergehalt von Lebensmitteln und Getränken teilweise ganz erheblich.

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