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Der frühere Wiener Vize-Bürgermeister Johann Gudenus (links) und der langjährige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

© Herbert Neubauer/APA/dpa

Update

Auch nach der Nacht auf Ibiza: FPÖ hielt offenbar länger Kontakt zu angeblicher Oligarchin

Ein Kauf der „Kronen-Zeitung“, ein Zuschieben von Staatsaufträgen? Zwischen der FPÖ und vermeintlichen Investoren gab es wohl mehrere brisante Gespräche.

Eine "b'soffene G'schicht'" soll es lediglich gewesen sein, ein "rein privates Treffen", mit dem "typisch alkoholbedingtes Machogehabe" einherging, um der Gastgeberin zu imponieren. In seiner Rücktrittserklärung als österreichischer Vizekanzler hat Heinz-Christian Strache am Samstag versucht, sein Treffen mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin auf Ibiza kleinzureden. Ein netter Abend, eine lockere Zunge, "katastrophal" im Ergebnis, aber kann schon mal passieren. Auch seine deutschen Freunde stellten die Äußerungen des bisherigen FPÖ-Chefs als Ausrutscher dar: AfD-Chef Jörg Meuthen sprach von einer "singulären Angelegenheit".

Neue Enthüllungen legen jedoch nahe: Der Kontakt zwischen der FPÖ und den beiden bislang unbekannten Lockvögeln hielt offenbar auch nach der heimlich mitgefilmten Nacht in der Finca im Juli 2017 an. Das berichteten "Spiegel Online" und "Süddeutsche Zeitung" am Sonntagabend. Demnach traf sich der Strache-Vertraute und damalige Wiener Vize-Bürgermeister Johann Gudenus noch mehrfach mit dem Bekannten der angeblichen Oligarchin, um mit ihr über eine Zusammenarbeit zu sprechen. Beide waren auch bei der mehrstündigen Zusammenkunft in der Finca dabei.

Überlegungen zu einem Kauf der österreichischen "Kronen-Zeitung" und dem Zuschieben von Staatsaufträgen seien auch keineswegs auf die Sofarunde beschränkt gewesen. Den Berichten zufolge soll Gudenus schon vorher monatelang mir der vermeintlichen Investorin und ihrem Umfeld Kontakt gehabt haben. In dieser Zeit seien auch entsprechende Ideen entwickelt worden. Strache selbst wusste offenbar vor dem Treffen in der Finca Bescheid davon. Als Indiz dafür nennen die beiden Medien, dass er auf den Filmaufnahmen zu Beginn die Frage stellte, was in dieser Angelegenheit "schon vorangeschritten" sei.

Den Berichten zufolge war die Begegnung in der Finca einer von mehreren Kontakten, die teils vorher, teils nachher stattfanden. "Spiegel Online" und "Süddeutsche Zeitung" schreiben, Strache und Gudenus hätten ihnen gegenüber erklärt, nach Ibiza hätten sie die Frau nicht wieder gesehen. Das mag stimmen – und blendet doch ihr Umfeld aus. Die beiden Medien verfügen nach eigenen Angaben über Audio-Mitschnitte weiterer Treffen von Gudenus und dem angeblichen Bekannten der Frau. Sogar Termine in London oder Moskau sollen im Gespräch gewesen sein.

Insbesondere schildern sie eine Unterredung Ende August 2017 in Wien, kurz vor der Nationalratswahl im Oktober. Dort habe der Unbekannte eine "Geste des guten Willens" von der FPÖ-Seite eingefordert, dass sie an einer Kooperation interessiert sei. Gudenus und Strache sollten der vorgeblichen Investorin "Zuversicht hinsichtlich der Strabag-Geschichte geben". Auf Ibiza hatte Strache der Frau Aufträge für den Autobahnbau in Aussicht gestellt, sollte sie seiner Partei im Wahlkampf helfen. In dem Gespräch in Wien soll es auch darum gegangen sein, dass das Treffen in der Finca nicht so gelaufen sei wie erhofft, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Was genau damit gemeint ist, ist unklar.

„Wenn sich Großindustrielle in die Parteipolitik einkaufen“

Aus dem Tonmitschnitt gehe hervor, dass die beiden Männer sich schließlich darauf geeinigt hätten, über ein öffentliches Signal an die Investorin zu senden, berichten die Medien weiter. Am 4. September 2017 sollte die FPÖ demnach eine Pressemitteilung verschicken, die den Strabag-Eigner Hans Peter Haselsteiner zum Thema hat. Strache hatte in der Finca darüber gesprochen, der Strabag zu Gunsten einer Firma der Frau Regierungsaufträge vorzuenthalten.

Tatsächlich verschickte die FPÖ Wien am gewünschten Datum eine Mitteilung, die den reichen Bauunternehmer angriff. Sie ist heute noch abrufbar und wurde seinerzeit nach Angaben von "Spiegel Online" und "Süddeutsche Zeitung" von Gudenus' offizieller Parteiadresse an den Kontaktmann weitergeleitet.

Der "politisch höchst aktive Milliardär Hans-Peter Haselsteiner soll seine offenbar scheckheftgepflegten Polit-Netzwerke offenlegen", hieß es in der Mitteilung. Zitiert wurde FPÖ-Landesparteisekretär Toni Mahdalik. Die Zeilen sind im Nachhinein nicht frei von Komik. Staatstragend heißt es: "Es ist eine alarmierende Entwicklung, wenn sich milliardenschwere Großindustrielle offenbar in die österreichische Parteipolitik einkaufen."

Auch in einer Demokratie kann es vorkommen, dass solche Leute in politische Ämter gelangen. Aber in einer Demokratie ist die Chance größer, dass Skandale öffentlich gemacht werden und solche Leute ihre politischen Ämter wieder verlieren, als in autoritären Systemen.

schreibt NutzerIn MarcusBrutus

Diesem Vorwurf sehen sich heute Strache und Gudenus ausgesetzt, seit "Spiegel Online" und "Süddeutsche Zeitung" am Freitag Auszüge der heimlich anfertigten Filmaufnahmen aus der Finca veröffentlicht hatten, deren Herkunft noch immer ungeklärt ist. Der damalige Oppositionschef Strache schien bereit, sein Land zu verscherbeln, um in Österreich an die Macht zu gelangen.

Johann Gudenus zieht einen Schlussstrich

Am Ende kam er auch ohne die Hilfe der mysteriösen Frau in die Regierung, weil der Konservative Sebastian Kurz eine Koalition mit den Rechtspopulisten einging. Am Samstag musste Strache jedoch zurücktreten. Stunden später zerbrach die Regierung von ÖVP und FPÖ. Die Österreicher sollen nun im September neu wählen.

Die FPÖ versucht sich derweil neu zu sortieren. Verkehrsminister Norbert Hofer, 2016 noch knapp bei der Wahl zum Staatsoberhaupt unterlegen, übernahm am Sonntag vorläufig den Parteivorsitz von Strache. Gudenus zog einen Schlussstrich unter seine FPÖ-Karriere: Der bisherige Fraktionschef gab am Abend seinen Austritt aus der Partei „mit sofortiger Wirkung“ bekannt. Auch sein Nationalratsmandat will er niederlegen. Den Skandal um die Treffen auf Ibiza und anderswo dürfte er hingegen nicht so schnell loswerden. (mit dpa)

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