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Tarek Khello arbeitet als freier Journalist in Leipzig.

© Mike Wolff

Attackiert, aber nicht entmutigt: Warum ein syrischer Journalist in Sachsen bleibt

Tarek Khello floh 2013 nach Deutschland. Seitdem wurde er zwei Mal angegriffen und noch häufiger diskriminiert. Trotzdem lebt er sehr gerne in Sachsen.

Tarek Khello kann sich noch genau an den Tag erinnern, an dem fremde Männer ihn mehrere hundert Meter durch eine Erfurter Plattenbausiedlung jagten. Der syrische Journalist war gerade zu Dreharbeiten unterwegs, als die Männer ihn zunächst beleidigten und dann mit einem Schlagstock angriffen.

Es war für ihn das schockierendste Erlebnis, seit er Ende 2013 aus dem Krieg in Syrien floh und nach Leipzig kam. Trotzdem arbeitet der 34-jährige weiter als Journalist in Ostdeutschland und berichtet über Flüchtlinge und Rechtsextremismus. Seine Drehtermine bereitet er jetzt noch gründlicher vor. „In manchen Städten in Sachsen muss ich sehr vorsichtig sein“, erzählt Khello. Er überlege genau, wo er noch hinfahren könne.

Rückblick: An jenem Tag im Januar 2017 ist Khello mit drei Journalistenkollegen für einen Fernsehdreh in Erfurt unterwegs. Sie filmen Flüchtlingskinder, die von fremdenfeindlichen Angriffen erzählen. Plötzlich werden sie von einer Gruppe fremder Männer angepöbelt, drangsaliert, verfolgt.

Das Drehteam und die Kinder reagieren nicht auf die Sprüche, gehen aber zügig weiter. Die Männer beginnen zu rennen, die Kinder fliehen. Das Filmteam kann nicht fliehen, sie haben schweres Equipment dabei. Darauf haben es die Männer abgesehen.

Sie wollen dem Kameramann die Kamera aus der Hand reißen. Der versucht sie zu beschwichtigen, sagt, sie seien auf dem Material gar nicht zu sehen. Doch dann eskaliert die Situation. Einer der Männer will mit einer Bierflasche Khellos Kollegin auf den Kopf schlagen.

Die Angreifer gehen auf den syrischen Flüchtling los

Er hält nur davon ab, weil ein anderer Tarek Khello entdeckt hat und laut „Scheiß-Ausländer“ ruft. Die Angreifer gehen nun auf ihn, den syrischen Flüchtling, los. Khello rennt davon, seine Kollegin schreiend hinterher. Die Kameramänner rufen die Polizei. Nachdem einigen hundert Metern kann Khello sich in einen Supermarkt retten. Die Polizei ist schnell vor Ort, Khello soll die Täter beschreiben. Er muss bloß auf sie zeigen, sie stehen noch in der Nähe des Supermarktes. Die Polizei nimmt Personalien auf, die Täter werden verurteilt.

"Schlimmer als in Syrien kann es nicht werden."

Ein furchtbares Erlebnis, und trotzdem sagt Khello: „Ich habe keine Angst vor diesen Menschen. Die können mich nicht entmutigen. Schlimmer als in Syrien kann es hier nicht werden.“ Khello studierte in Damaskus Journalismus und arbeitete bis 2013 als Journalist in Aleppo. Weil er immer wieder das Assad-Regime kritisierte, wurde er mehrmals verhaftet.

Als Milizen seine Heimatstadt angriffen und Demonstranten und kritische Journalisten ermordeten, auch seine Kollegen, floh er. Mit Hilfe des Flüchtlingshilfswerks UNHCR kam er nach Deutschland, zunächst in ein Flüchtlingsheim in Leipzig. Er lernte Deutsch, zog in eine eigene Wohnung, hat schon länger einen Aufenthaltsstatus und zahlt Steuern.

Diskriminierung gibt es häufiger

Angegriffen wurde Khello bisher zwei Mal, Diskriminierung erlebt er häufiger. Zum Beispiel, als er für einen Freund bei einem Immobilienmakler dolmetschte und dieser ihm nicht die Hand geben wollte, weil sich darüber so viele Bakterien verbreiten würden.

In Anbetracht dessen, was ihm in Aleppo passiert ist, findet er die Situation in Sachsen gar nicht schlimm: „Ich war im Krieg in der Hölle und auf einmal bin ich in Leipzig. Das ist mein Schicksal.“ Auch wenn andere Städte wie Berlin oder Hamburg toleranter gegenüber Flüchtlingen seien, sei er in Leipzig sehr glücklich. „Ich gehöre hier dazu und werde Leipzig nie verlassen.“ Die Diskriminierung sei in Leipzig auch nicht so schlimm wie in anderen ostdeutschen Städten. Er würde darüber nur noch lachen.

75 Prozent haben nicht die AfD gewählt

Doch was ist, wenn bei der Landtagswahl am Sonntag die AfD stärkste Kraft in Sachsen wird? Khello kann sich vorstellen, dass die CDU, trotz der Versprechen von Michael Kretschmer, mit der AfD koalieren wird. Aber er bleibt trotz allem optimistisch: „Ich schaue auf diejenigen, die die AfD nicht gewählt haben. Und ich finde wir müssen den Leuten Respekt zollen, die sich hier in ganz Sachsen gegen die AfD engagieren und sich dafür auch in Gefahr begeben, um Ausländer zu schützen.“

Die meisten dieser Aktivisten seien jung, unter 35, und viele würden in Kleinstädten wohnen, in denen jeder sofort erkannt wird, weil jeder jeden kennt. Sie würden sich deshalb angreifbar machen und sich trotzdem für die Ausländer einsetzen. „Ich mag dieses Bundesland. 75 Prozent der Menschen hier haben nicht die AfD gewählt und es gibt nur wenige, die wirklich Ausländer hassen.“

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