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Nach dem Angriff auf den Straßburger Weihnachtsmarkt fahndet die Polizei weiter nach dem Täter.

© -/aptn/AP/dpa

Update

Attacke in Frankreich: Mutmaßlicher Täter von Straßburg weiter auf der Flucht

Bei einem Angriff auf den Weihnachtsmarkt sterben drei Menschen. Der Täter ist flüchtig. Bis 2017 saß er in Deutschland in Haft. Der Nachrichtenüberblick.

Der mutmaßliche Täter von Straßburg hat bei seiner Tat laut Angaben von Zeugen "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen. Das teilte der zuständige Staatsanwalt Rémi Heitz bei einer Pressekonferenz in Straßburg mit. Wegen dieser Zeugenaussage sowie dem Zielort und der Vorgehensweise habe die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen.

Außerdem präzisierte Heitz Angaben zu den Opfern. So seien bei dem Anschlag zwei Menschen ums Leben gekommen. Eine weitere Person sei hirntot. Zwölf Menschen wurden verletzt, sechs von ihnen sehr schwer.

Nach der Attacke auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt suchen die Behörden fieberhaft nach dem flüchtigen Täter. An der Fahndung sind 350 Sicherheitskräfte beteiligt, wie Innenminister Christophe Castaner in der Nacht auf Mittwoch in Straßburg sagte. Der mutmaßliche Täter, ein 29-jähriger Franzose, war am Mittwochmorgen noch auf der Flucht. Das teilte der Bürgermeister der elsässischen Metropole, Roland Ries, mit.

Eines der Opfer ist thailändischer Tourist

Eines der beiden Opfer ist ein Tourist aus Thailand. Das Außenministerium in Bangkok bestätigte am Mittwoch, dass es sich bei einem der Opfer um einen 45 Jahre alten Mann handelt, der zusammen mit seiner Frau zu einem Urlaub in Frankreich war. Das Paar war erst wenige Stunden zuvor eingetroffen. Die Frau blieb dem Ministerium zufolge unverletzt. Nach Medienberichten starb der Thailänder durch einen Schuss in den Kopf. Unter den Toten und Verletzten seien "nach jetziger Kenntnis keine Deutschen", teilte das Krisenreaktionszentrum der Bundesregierung am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst Twitter mit.

Der Verdächtige hatte nach Angaben der Präfektur gegen 20 Uhr nahe dem Weihnachtsmarkt der Elsass-Metropole das Feuer eröffnet. Castaner beschrieb den genauen Tatort nicht näher und sagte lediglich, der Täter habe an drei verschiedenen Orten in der Stadt „Terror“ verbreitet. Zwischen 20 und 21 Uhr habe er sich zweimal einen Schusswechsel mit Sicherheitskräften im Patrouilleneinsatz geliefert. Die Nachrichtenagentur AFP meldete unter Berufung auf die Polizei, der Mann sei vor seiner Flucht von Soldaten verletzt worden. Laut dem Sender France Info entkam er mit einem Taxi, das er gestohlen hatte.

Tatverdächtiger war bereits mehrfach wegen Einbruchs verurteilt

Der aus Straßburg stammende Mann sei in der Vergangenheit sowohl in Frankreich als auch in Deutschland verurteilt worden, sagte Innenminister Castaner. Seine Strafen habe er abgesessen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist der mutmaßliche Angreifer ein französischer Staatsbürger mit nordafrikanischen Wurzeln.

Der 29-Jährige hat nach Kenntnis der deutschen Justiz bereits etliche Jahre im Gefängnis verbracht - in allen Fällen ging es um Einbrüche. So verurteilte das Amtsgericht Singen den Mann Mitte 2016 zu zwei Jahren und drei Monaten Haft, weil er in eine Zahnarztpraxis in Mainz und eine Apotheke in Engen im Süden Baden-Württembergs eingebrochen war. Nach dem Verbüßen der Strafe in Deutschland wurde er im Jahr 2017 nach Frankreich abgeschoben, wie die dpa am Mittwoch weiter erfuhr.

Wie aus dem entsprechenden Urteil, das der dpa vorliegt, außerdem hervorgeht, wurde er unter anderem schon 2008 in Frankreich und 2013 in der Schweiz jeweils wegen mehrerer Einbrüche zu Gefängnisstrafen verurteilt und habe insgesamt vier Jahre in Haft verbracht. Alle Taten hat er zugegeben.

Er sei zusammen mit sechs Geschwistern im Elternhaus in Straßburg aufgewachsen, habe einen dem Hauptschulabschluss vergleichbaren Abschluss, aber keine Ausbildung gemacht. Nach der Schule habe er bei der Gemeinde gearbeitet, seit 2011 sei er arbeitslos gewesen und nach eigener Aussage viel gereist, heißt es im Urteil.

Der mutmaßliche Täter hätte am Dienstag festgenommen werden sollen. Staatssekretär Nuñez sagte, die Polizei habe ihn am Dienstagmorgen festnehmen wollen, aber nicht in seiner Wohnung angetroffen. Der Einsatz habe im Zusammenhang mit "einer versuchten Tötung" gestanden, wegen der es auch fünf weitere Festnahmen gegeben habe. Diese Vorwürfe hätten aber nichts mit der Straßburger Tat zu tun. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung Stunden vor den Schüssen sollen Granaten gefunden worden sein, wie France Info und die Zeitung „Le Parisien“ berichteten.

Die Sicherheitsbehörden hatten den Angreifer zudem als Gefährder eingestuft. Er sei auf der Sicherheitsakte „Fiche S“ geführt worden - einer Liste von Personen, die verdächtigt werden, radikalisiert zu sein. Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft leitete am Dienstagabend Ermittlungen wegen des Verdachts auf "Mord und Mordversuch im Zusammenhang mit einer terroristischen Unternehmung" und wegen "Bildung einer kriminellen terroristischen Vereinigung" ein.

Innenministerium: Terroristisches Motiv "noch nicht sicher"

Obwohl Anti-Terror-Spezialisten die Ermittlungen im Fall des Anschlags in Straßburg übernommen haben, will sich das französische Innenministerium nicht auf ein terroristisches Motiv des Täters festlegen. Eine terroristischer Hintergrund sei im Moment noch nicht sicher, sagte der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nuñez, am Mittwochmorgen dem Sender RTL. Der mutmaßliche Täter sei zwar polizeibekannt gewesen, allerdings bisher nicht im Zusammenhang mit Terrorismus. Er sei mehrfach im Gefängnis gewesen und dort sei auch eine Radikalisierung festgestellt worden.

Die französische Regierung rief die höchste Terrorwarnstufe "urgence attentat" (etwa: "Notfall Anschlag") aus, wie Innenminister Castaner sagte. Das bedeutet etwa verstärkte Kontrollen an den Grenzen des Landes. Bislang galt in Frankreich die zweithöchste Stufe "Verstärkte Sicherheit - Anschlagsrisiko". Auf allen französischen Weihnachtsmärkten würden die Sicherheitskontrollen verschärft, um Nachahmungstaten zu verhindern, sagte Castaner.

Straßburgs Bürgermeister Roland Ries bestätigte am Morgen im Radiosender Europe 1, dass der mutmaßliche Täter immer noch gesucht werde. Er sagte, für die Stadt beginne ein Tag der Trauer. Der Weihnachtsmarkt werde geschlossen bleiben. Auf die Frage, ob der Mann ins benachbarte Deutschland geflüchtet sein könnte, antwortetet Ries: „Die Grenze ist im Prinzip geschlossen.“ Es sei aber alles möglich, falls der Tatverdächtige ein Auto habe.

Frankreichs Innenstaatsekretär Laurent Nuñez sagte dagegen, es könne "nicht ausgeschlossen" werden, dass der Täter nach Deutschland geflohen sei. Nach der Tat seien aber die Grenzen und die Stadt Straßburg abgeriegelt worden. Auch die Bundespolizei in Baden-Württemberg kontrollierte den Grenzverkehr und riet wegen der laufenden Fahndung nach dem Täter von einem Grenzübertritt ab.

Bundespolizei kontrolliert an vier Grenzübergängen

Die Bundespolizei erklärte, es gebe Kontrollen an vier Grenzübergängen nach Frankreich. Wie ein Sprecher am Mittwochmorgen sagte, ist die Polizei in Kehl, Iffezheim, Breisach und Rheinau im Einsatz. Pendler von Deutschland nach Frankreich müssten sich auf Wartezeiten bis zu 90 Minuten einstellen, hieß es weiter. Wie lange die Kontrollen noch andauern, sei unklar. „Wir sind auf die Kollegen in Frankreich angewiesen. Solange die Lage nicht bereinigt ist, werden wir weiter kontrollieren“, sagte der Polizeisprecher.

Nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch der öffentliche Nahverkehr werde überprüft. Dazu zählt auch die grenzüberschreitende Tram D. Diese war in der Nacht bereits komplett gesperrt worden, inzwischen fährt sie aber wieder. Laut Polizei wird auch die Fußgänger- und Radfahrerbrücke Passerelle des Deux Rives zwischen Kehl und Straßburg kontrolliert.

Nach dem Straßburger Terroranschlag werden die Sicherheitsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen nach einer erster Einschätzung des Innenministeriums zunächst nicht weiter erhöht. „Wir haben unsere Polizeibehörden schon vor Beginn der Weihnachtsmärkte angewiesen, deutlich mehr sichtbare Präsenz zu zeigen“, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Dies sei auch umgesetzt worden.

Es gebe keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne in NRW, gleichwohl eine abstrakt hohe Gefahr. „Wir werden das ganz genau beobachten, wie sich die Lage weiter entwickelt“, betonte der Sprecher des Innenministeriums. Wenn es erforderlich sein sollte, werde auf eine veränderte Sicherheitslage entsprechend reagiert.

Weite Teile der Straßburger Innenstadt wurden von Dienstagabend an über Stunden abgeriegelt. Menschen wurden dazu aufgerufen, die Innenstadt in Richtung Norden zu verlassen und nicht in Richtung des südöstlich gelegenen Stadtteils Neudorf zu gehen. Dort war nach dem flüchtigen Tatverdächtigen gefahndet worden. Die Polizei rief die Bürger dazu auf, Ruhe zu bewahren und den Anweisungen der Sicherheitskräfte zu folgen.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron berief in Paris eine Krisensitzung ein. Er beriet sich am frühen Mittwochmorgen unter anderen mit Premierminister Édouard Philippe und Verteidigungsministerin Florence Parly. „Solidarität der gesamten Nation für Straßburg, unsere Opfer und ihre Familien“, schrieb Macron auf Twitter.

Frankreich ist in den vergangenen Jahren immer wieder Ziel von islamistisch motivierten Terroranschlägen geworden, die fast 250 Menschen das Leben kosteten. Auch diesmal übernahmen wieder Anti-Terror-Spezialisten der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Die Untersuchung wurde unter anderem dem Inlandsgeheimdienst DGSI übergeben, wie Justizkreise der Deutschen Presse-Agentur in Paris bestätigten.

Der Weihnachtsmarkt in Straßburg bleibt am Mittwoch geschlossen. Auch die kulturellen Einrichtungen der Stadt öffnen nicht, wie es in einer Mitteilung der Stadt hieß. Der Unterricht sollte am Mittwoch an Grundschulen und Vorschulen ausgesetzt werden. Eltern wurde geraten, ihre Kinder zu Hause zu lassen, wie die Präfektur mitteilte. An weiterführenden Schulen und Hochschulen sollte der Unterricht stattfinden.

Auch Europaparlament zwischenzeitlich abgeriegelt

Auch das Europaparlament in Straßburg wurde zwischenzeitlich abgeriegelt. Über Stunden hinweg durfte niemand das Gebäude verlassen, Mitarbeiter wurden per Handy-Kurznachricht und Mail gewarnt. Erst am frühen Mittwochmorgen durften Abgeordnete und Mitarbeiter sich auf den Heimweg machen.

„Meine Gedanken sind bei den Opfern der Schießerei in Straßburg, die ich mit großer Entschiedenheit verurteile“, schrieb EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf Twitter. Straßburg sei eine symbolische Stadt für den Frieden und die europäische Demokratie. „Werte, die wir immer verteidigen werden.“ Die EU-Kommission stehe an der Seite Frankreichs.

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich auf Twitter „erschüttert über die schreckliche Nachricht“ aus Straßburg. „Welches Motiv auch immer hinter den Schüssen steckt: Wir trauern um die Getöteten und sind mit unseren Gedanken und Wünschen bei den Verletzten. Hoffentlich gerät niemand mehr in Gefahr.“

Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich „tief erschüttert“ über den Terroranschlag in Straßburg geäußert und die „feige Tat“ verurteilt. „Unsere Gedanken sind bei den Opfern, unser Mitgefühl gilt ihren Angehörigen“, schrieb der SPD-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter. Die Bundesregierung tue alles, um den französischen Freunden beizustehen, versicherte Maas.

Zusammen mit dem Weihnachtsmarkt in Dresden zählt der Straßburger Weihnachtsmarkt zu den ältesten Europas. Der „Christkindelsmärik“ wurde 1570 erstmals erwähnt. Er sollte schon einmal Ziel eines Attentats sein: Im Jahr 2000 wurde ein geplanter Sprengstoffanschlag einer algerischen Gruppe rechtzeitig verhindert. (dpa, AFP)

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