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Kontrolle ist besser: Experten der Internationalen Atomenergiebehörde inspizierten die Reaktoranlage Arak südlich von Teheran.

© AFP PHOTO/ HO/ATOMIC ENERGY ORGANIZATION OF IRAN

Atomstreit mit dem Iran: Die USA gehen im Alleingang gegen Teheran vor

Die USA erklären im Atomstreit die Iran-Sanktionen wieder für gültig. Paris, London und Berlin sehen dafür keine rechtliche Grundlage.

US-Präsident Donald Trump sucht kurz vor der Wahl im November eine neue Konfrontation mit dem Iran. Seine Regierung will die internationale Gemeinschaft dazu zwingen, das ausgesetzte UN-Waffenembargo gegen den Iran wieder in Kraft zu setzen. Washington erklärte in der Nacht zum Sonntag, das Embargo sei wieder gültig. Bei den Vereinten Nationen finden die USA zwar keine Unterstützung für ihre Position. Doch Amerika könnte ab sofort im Alleingang iranische Handelsschiffe stoppen oder gegen Wirtschaftspartner der Iraner vorgehen. Der Iran befürchtet deshalb eine neue Eskalation, der Kurs der Landeswährung Rial fiel auf einen neuen Tiefstand.

Das Embargo gegen den Iran soll gemäß des Atomvertrags aus dem Jahr 2015 am 18. Oktober auslaufen. Der Vertrag sieht vor, im Gegenzug für Einschränkungen im iranischen Atomprogramm internationale Sanktionen gegen Teheran abzubauen. Iranische Vertragsverletzungen können mit einer Rückkehr der Sanktionen bestraft werden, einem so genannten „Snapback“. Trotz einiger Verstöße der Iraner bei der Urananreicherung wollen die verbleibenden Partner des Atomabkommens das Waffenembargo wie geplant auslaufen lassen. Die Trump-Regierung dagegen will es weiter in Kraft halten und den Atomvertrag damit insgesamt zum Scheitern bringen. Deshalb aktivierte Washington nun den „Snapback“.

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Allerdings sind die USA seit 2018 nicht mehr Partner des Atomabkommens. Washington könne nicht den Vertrag verlassen, dann aber Regelungen des Vertrages für sich beanspruchen, kritisierten die europäischen Unterzeichner des Atomabkommens, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Der Schritt der US-Regierung habe deshalb „keine rechtliche Wirkung“. Auch Russland und China lehnten die amerikanische Haltung ab. Der iranische Außenamtssprecher Saeed Khatibzadeh kommentierte, der „Snapback“ existiere nur in der „Fantasiewelt“ der US-Regierung.

Washington stört sich nicht an der Kritik. Amerika erwarte von allen Mitgliedsländern der Vereinten Nationen, dass sie sich ab sofort an die Sanktionen hielten, erklärte Außenminister Michael Pompeo. Laut Medienberichten will die US-Regierung internationalen Waffenfirmen den Zugang zum amerikanischen Markt verwehren, wenn sie Geschäfte mit dem Iran machen. Außerdem könnte Trump die amerikanische Kriegsmarine anweisen, Schiffe in internationalen Gewässern zu stoppen, wenn der Verdacht auf Lieferungen von oder nach Iran besteht.

Teheran lehnt Verhandlungen mit der US-Regierung ab

Seit dem Ausstieg der USA aus dem Atomvertrag versucht die Trump-Regierung mit Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie, die Teheraner Regierung zu weiteren Zugeständnissen in der Atomfrage und beim militärischen Raketenprogramm des Landes zu zwingen. Teheran lehnt Verhandlungen mit der US-Regierung unter dem Druck der Sanktionen ab und hofft auf eine Niederlage Trumps bei der Präsidentschaftswahl am 3. November. Herausforderer Joe Biden will die USA wieder am Atomvertrag teilnehmen lassen, wenn der Iran mit den Vertragsverstößen aufhört.

In der eskalierenden Auseinandersetzung lässt Revolutionsführer Ali Khamenei laut der „New York Times“ derzeit lediglich Cyber-Angriffe auf amerikanische Ziele zu, weil er keinen US-Militärschlag gegen den Iran provozieren will. Wenn die USA nun aber iranische Handelsschiffe angreifen sollten, könnte Teheran die Zurückhaltung aufgeben. Die amerikanischen Sanktionen haben die Wirtschaftskrise im Iran verschlimmert; laut Medienberichten rechnen die Behörden mit neuen Protesten gegen die schlechten Lebensbedingungen. Die Landeswährung Rial ist so schwach wie nie zuvor. Zugleich kämpft das Land gegen den schwersten Ausbruch des Corona-Virus im ganzen Nahen Osten.

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Das Regime könnte sich versucht sehen, mit einer neuen Konfrontation gegen die USA von innenpolitischen Problemen abzulenken. Hardliner im Iran haben Rache für die Ermordung des hochrangigen Generals Qassem Soleimani durch die USA im Januar angekündigt. US-Geheimdienste sind laut Medienberichten überzeugt, dass der Iran einen Anschlag auf die Botschafterin in Südafrika, Lana Marks, plant. Marks ist mit Trump befreundet. Teheran weist den Vorwurf zurück.

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