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Straffer Zeitplan: Schon im Jahr 2031 soll der Standort gefunden sein.

© Julian Stratenschulte/dpa

Atommull: Zweifel an Zeitplan für Endlagersuche wachsen

Noch immer kommen 54 Prozent des Bundesgebiets für die Endlagersuche in Betracht. Doch es bestehen Zweifel am Zeitplan – und der tangiert die Zwischenlagerung.

Wie viel Sprengkraft die Atommüll-Endlagersuche birgt, zeigt sich auch dann, wenn Transparenz ihr eigentlich die Wucht nehmen soll. Sie zeigt sich in der Kommunikation von Behörden und Bundesunternehmen und selbst in Fachgesprächen. So etwa im Umweltausschuss des Bundestags, wo die Materie zuletzt behandelt wurde. Mehrfach stellten Abgeordnete dort Mitte Mai Fragen zum Zeitplan der Suche. Das eingrenzende Verfahren brauche Zeit, betonte Steffen Kanitz, Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). „Wie viel Zeit, kann ich dann abschätzen, wenn wir die ersten dieser Sicherheitsuntersuchungen gemacht haben.“

Wenig später meldete der NDR, die Endlagersuche dauere wohl länger als geplant. Das Verfahren ist komplex und selbst sein Zeitplan kann für Verwirrung sorgen. Die BGE betonte gegenüber Tagesspiegel Background, dass sich die Aussagen lediglich auf den nächsten Teilschritt bezögen.

Seit 2017 läuft die neue Suche nach einem Endlager für die hochradioaktiven Abfälle aus deutschen Kernkraftwerken. Der Zeitplan ist straff, schon im Jahr 2031 soll der Standort gefunden sein. Die BGE, betraut mit der Suche, hatte im September 2020 ihren ersten Zwischenbericht vorgelegt. 54 Prozent des Bundesgebiets kommen weiter als Endlagerregion in Betracht. Nun geht es an die engere Eingrenzung der Gebiete. Dafür werden derzeit Methoden entwickelt, vor kurzem wurden sie erstmals öffentlich zur Diskussion gestellt.

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In vier Prüfschritten sollen die Regionen eingegrenzt und schließlich Erkundungsprogramme erarbeitet werden, bevor einige wenige Regionen obertägig erkundet werden. Doch der nächste Bericht, der die möglichen Gebiete nennt, wird wohl noch mehrere Jahre in der Zukunft liegen. Die noch infrage kommenden Regionen sind groß, die Arbeit ist aufwendig – Sicherheitsuntersuchungen, Mindestanforderungen, geowissenschaftliche Abwägungskriterien. „Diese Arbeiten werden mehrere Jahre dauern“, sagte BGE-Geschäftsführer Kanitz am Samstag im Anschluss an das Forum Endlagersuche gegenüber Tagesspiegel Background. Das Forum, eine öffentliche Konferenz, soll künftig ein bis zwei Mal im Jahr die BGE bei ihrer Arbeit beraten.

Bundesamt fordert von BGE konkreten Zeitplan

Dass so der Zeitplan der Endlagersuche eingehalten wird, steht für einige Akteure längst infrage. „Der bisherige Zeitbedarf für die ersten Arbeiten der BGE führt nicht nur bei den bisher in der Diskussion stehenden Regionen zur Frage, wie das Unternehmen in der vom Gesetz vorgesehenen Zeit von verbleibenden neun Jahren (also bis 2031) die Standortentscheidung erreichen will“, sagte Christoph Hamann, Pressesprecher des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) am Donnerstag der „Badischen Zeitung“. 

Wolfram König, Präsident des Base, hatte bereits zuvor im Umweltausschuss betont, den Zeitplan halten zu wollen. „Wir haben das Jahr 2022. Wir haben eine Erwartungshaltung gesetzt, das bis 2031 abzuschließen“, sagte König. Die Aufsicht habe immer wieder darauf hinzuweisen.

Gegenüber Tagesspiegel Background betonte Hamann am Samstag, dass dem Bundesamt noch immer keine Zeitplanung von Seiten der BGE für die Eingrenzung vorliege. „Diese Eingrenzung auf wenige Regionen ist jedoch ein wichtiger Baustein zum Beispiel für neue umfassende Beteiligungsschritte und die Planung der Betriebszeit von Zwischenlagern“, so Hamann.

Öffentlicher Schriftverkehr zwischen Bundesamt und BGE weist schon länger auf die Unzufriedenheit der Atomaufsicht mit dem Bundesunternehmen in der Frage des Zeitplans hin. Im vergangenen Oktober richtete sie ein Schreiben an die BGE, in welchem es sie aufforderte, einen Zeitplan festzulegen.

Die Atomaufsicht schrieb: „Die bereits in dem ersten Schritt des Suchverfahrens benötigte Zeit von über drei Jahren für die Vorlage des Zwischenberichts Teilgebiete und die verbleibenden zehn Jahre für das Ihnen bekannte umfangreiche weitere Programm lassen erhebliche Zweifel an der Einhaltung der terminlichen Zielstellung des Standortauswahlgesetztes entstehen.“ Die BGE verwies im Dezember darauf, erst Methoden zur Eingrenzung entwickeln zu müssen.

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist eine Antwort auf die Frage nach dem Verbleib der nuklearen Abfälle dagegen weit in die Ferne gerückt. Der Verband kritisiert die BGE dafür, bislang keine Auskunft darüber gegeben zu haben, wann sie die Öffentlichkeit über weitere Eingrenzungen informieren wolle. „Die BGE muss jetzt ein Konzeptpapier vorlegen, in dem klare Haltepunkte definiert werden, an denen die Bevölkerung regelmäßig informiert wird und sich ein Bild machen kann“, sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt am Freitag.

Zwischenlagerung gerät in den Fokus

Was das Bundesamt ebenfalls bereits im Blick hat, ist die „Planung der Betriebszeit“ von Zwischenlagern. Selbst wenn der Standort für das Endlager gefunden und das Bergwerk gebaut ist, wird es Jahrzehnte dauern, bis Abfälle eingelagert sind.

Tatsächlich gerät die Zwischenlagerung zunehmend in den Fokus. Die früheren Betreiber der deutschen Kernkraftwerke, Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, hatten vor Jahren 24 Milliarden Euro in einen Staatsfonds überwiesen, aus denen die Endlagerung finanziert werden soll. Aus der Summe und den erwirtschafteten Gewinnen des Fonds muss allerdings auch die Zwischenlagerung finanziert werden – ein kostspieliges Unterfangen, das Jahrzehnte sicher weiter betrieben werden muss.

In den 2030er Jahren brauchen bereits die ersten Zwischenlager neue Genehmigungen, angefangen beim umstrittenen Standort Gorleben im Jahr 2034. Auch in den 2040er Jahren enden viele Genehmigungen. Atommüll in der Asse, Morsleben, der Bau von Schacht Konrad: Schon heute macht der Umgang mit den atomaren Altlasten rund die Hälfte des Etats des Bundesumweltministeriums aus.

Die BGE will nun in regelmäßigen Abständen Arbeitsstände veröffentlichen. „Das können beispielsweise Gebiete sein, die in die Kategorien D oder C eingeordnet werden, die nicht weiter bearbeitet werden“, sagt BGE-Geschäftsführer Kanitz. „Kategorie D bedeutet: ungeeignet für die Endlagerung, weil Ausschlusskriterien festgestellt wurden oder Mindestanforderungen nicht erfüllt werden.“ In Kategorie C werden dagegen Gebiete eingeordnet, in denen ein sicherer Einschluss nicht möglich ist. Endgültig ausscheiden werden diese Regionen damit allerdings nicht. Dies geschieht erst, wenn der Bund beschließt, welche Standortregionen übertägig erkundet werden.

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