zum Hauptinhalt
Könnte auch in Bayern sein... Gelbe X-Buchstaben aus Holz als Protest gegen Atommüll-Endlager in Niedersachsen.

© Julian Stratenschulte/dpa

Atommüll: Bayern blockiert Endlagersuche

CSU und Freier Wähler schließen ein Atommüll-Endlager im Freistaat aus. Auch andere Bundesländer mauern.

Kaum neu gestartet, wird die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll schon torpediert. Bayern verweigert sich präventiv, andere Bundesländer und private Firmen mauern bei der Herausgabe notwendiger Daten.

Unter der Kapitelüberschrift „Für eine gesunde Umwelt“ heißt es im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern: „Wir denken beim Schutz unserer Heimat über Generationen hinaus. Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.“

Wer oder was den beiden Parteien, die den Freistaat in den kommenden fünf Jahren regieren wollen, zu dieser Überzeugung verholfen hat, wird nicht ausgeführt. Wie denn auch: Die eigentliche Suche – also die Erkundung möglicherweise geeigneter Standorte – hat schließlich noch gar nicht begonnen.

Vor der geplanten Verabschiedung des Standortauswahl-Gesetzes hatten Bayern und Sachsen Anträge eingereicht. Bayern kritisierte die Gleichbehandlung von kristallinem Gestein (Granit), das in diesen beiden Ländern vorkommt, mit Ton und Salzstöcken. Diese drei Formationen kommen als mögliche Wirtsgesteine für ein unterirdisches Endlager infrage, das Gesetz schließt Granit ausdrücklich ein. Anders als Bayern forderte der Sächsische Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Thomas Schmidt, in einem Sondervotum als Mitglied der Endlagerkommission diese Gleichbehandlung von Kristallingestein bei der Endlagersuche, die Bayern ablehnt.

Nach weiteren Störmanövern in der vom Bundestag und Bundesrat eingesetzten Endlager-Kommission lenkte der Freistaat zunächst ein. In einer Stellungnahme des Landes zum Abschlussbericht der Kommission hieß es: „Damit hat sich auch Bayern zu einer unvoreingenommenen und transparenten Suche nach dem Prinzip der weißen Landkarte und auf der Basis wissenschaftsbasierter Kriterien bekannt.“

Kein anderes Bundesland produziert so viel Atomstrom

Wenn CSU und Freie Wähler Bayern nun doch von der Suche ausnehmen wollen, konterkarieren sie nicht nur den vorherigen Beschluss und die mühsam erreichte Einigung von Bund und Ländern. Vor dem Hintergrund, dass kein anderes Bundesland so viel Atomstrom – und damit auch Atommüll – produziert hat, mutet der Passus im Koalitionsvertrag auch anmaßend an.

Offenbar zieren sich aber auch weitere Länder. Nach Recherchen des Redaktionsnetzwerks Deutschland verweigert das rot-gelb-grün regierte Rheinland-Pfalz der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die korrekten geologischen Daten, die zur Standortauswahl benötigt werden. Die bundeseigene Gesellschaft hatte diese Daten im vergangenen Jahr bei den Bergbehörden der Länder abgefragt, um zunächst bestimmte Gebiete als Endlagerstandorte ausschließen zu können – etwa, wenn dort die Gefahr von Erdbeben besteht oder der Untergrund bereits durch frühere Bergbautätigkeiten und Bohrungen „verritzt“ ist.

Gorleben als warnendes Desaster

Hinzu kommt: Viele relevante Daten stammen von privaten Bergbauunternehmen. Die aber sperren sich häufig gegen die Weitergabe der Informationen an die Öffentlichkeit – und haben dabei das Recht auf ihrer Seite. Das Standortauswahlgesetz schreibt jedoch eine transparente Information der Bevölkerung vor. Ein Desaster wie in Gorleben, wo der Standort von oben durchgedrückt wurde und nicht zuletzt deshalb am Widerstand von Bürgern und Anti-Atomkraft-Bewegung scheiterte, soll unbedingt vermieden werden.

Abhilfe, da sind sich alle Akteure im Grundsatz einig, soll ein „Geologiedaten-Gesetz“ schaffen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dafür jetzt einen Referentenentwurf vorgelegt. Danach soll es der BGE überlassen bleiben, jeden Widerspruch im Einzelfall zu prüfen. Das aber kann die Gesellschaft gar nicht leisten: Eine solche Abwägungsregel sei bei der Vielzahl an Datensätzen nicht praktikabel, heißt es bei der BGE. Die Behörde verlangt, das Gesetz so zu ändern, dass die Daten rechtssicher veröffentlicht werden dürfen.

Das Ministerium hat inzwischen Klärungsbedarf eingeräumt. Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist frühestens Anfang des Jahres 2019 zu rechnen, die Auswertung der Daten wird sich also weiter hinziehen. Der ohnehin mehr als ehrgeizige Zeitplan, nach dem ein Standort bis 2031 benannt und das Endlager ab dem Jahr 2050 betriebsbereit sein soll, scheint damit schon jetzt Makulatur zu sein.

In einer früheren Fassung dieses Artikels hatten wir berichtet, neben Bayern auch Sachsen die Gleichbehandlung von Granitgestein mit Ton und Salzstöcken angelehnt habe. Sachsen hat diese jedoch nicht abgelehnt, sondern gefordert. Nach den zitierten Recherchen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland sollte außerdem Sachsen der BGE nicht die korrekten geologischen Daten zur Verfügung gestellt haben. Dazu teilte das sächsische Umweltministerium dem Tagesspiegel mit: "Das zuständige Landesamt für Umwelt Landwirtschaft und Geologie des Freistaates Sachsen hat alle bisherigen Datenabfragen, die die BGE nach § 12 Abs. 3 StandAG (Standortauswahlgesetz) an den Freistaat Sachsen zu den Ausschlusskriterien und Mindestanforderungen gerichtet hat,  mit Übergabe digitaler Daten umfänglich beantwortet und gewährt der BGE uneingeschränkten Zugang zu den geologischen Archiven mit analogen Daten. Von Seiten der BGE gibt es keine offenen Nachforderungen." Wir haben die entsprechenden Passagen im Text daher geändert.

Zur Startseite