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Was nun? Frankreichs Präsident Macron, Großbritanniens Premierministerin May und Kanzlerin Merkel wollen den Atomdeal bewahren. Nur ist nicht klar, wie.

© Francois Lenoir/Reuters

Atomabkommen mit dem Iran: Was Europa nach Amerikas Ausstieg tun muss

Trump kündigt den Atomdeal mit dem Iran auf - und die Europäer haben keine Strategie, wie sie damit umgehen. Dabei kann Europa einiges tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

In der idealsten aller Welten wäre es so: Der amerikanische Präsident kündigte ein wirklich wichtiges Abkommen zu nuklearen Waffen, und sogleich bemühten sich die Europäer darum, das Abkommen in Verhandlungen um die Punkte zu erweitern, die zur Kündigung der USA mit beigetragen haben. Die Strategie „Bad Cop, Good Cop“ erreichte am Ende, dass die Amerikaner wieder dabei wären – bei einem verbesserten Vertrag.

Aber so ist es nicht. Donald Trump hat das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt, doch die Europäer lassen kein Konzept erkennen, wie die von ihnen befürchteten Auswirkungen auf den gesamten Nahen Osten vermieden werden sollen. Von wegen Strategie.

Dabei musste EU-Europa damit rechnen, dass Trump Ernst macht und ihn weder Umarmungen mit Emmanuel Macron noch ein Gespräch mit Angela Merkel davon abhalten, eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen einzuhalten: den „schlechtesten Deal aller Zeiten“, das Iran-Abkommen, einseitig aufzugeben.

Neue Verhandlungen mit dem Iran sind nicht ausgeschlossen

Und jetzt? Jetzt muss, wohlgemerkt muss, Europa sich als Einheit beweisen, die sich auf sicherheitspolitischem Glacis zu bewegen weiß. Bisher sieht es nicht danach aus, eher nach lähmendem Entsetzen: Wie konnte Trump nur? Dabei gibt es Chancen für einen JAP, einen Joint Action Plan. Immerhin hat der US-Präsident weitere, neue Verhandlungen mit dem Mullah-Regime nicht ausgeschlossen, sondern als eine Möglichkeit selbst angesprochen.

Die Schwachstellen der Vereinbarung

Also sind nicht alle Möglichkeiten für eine Einigung perdu. Zumal die Europäer bei realistischer Betrachtungsweise zugeben müssen, dass der Deal wirklich nicht perfekt ist. Das hat Frankreichs Staatspräsident Macron bereits selbst öffentlich gesagt. Drei Punkte sind Schwachstellen, plus ein übergeordneter, der lautet, dass der Iran der weltweit größte Unterstützer des Terrors ist und dafür jetzt über Milliarden Dollar verfügt.

Die anderen Punkte: Das Abkommen beinhaltet keine Kontrolle iranischer Militärstandorte – obwohl es sich um von Militärs einzusetzende Waffen handelt. Außerdem hat der Iran sein Nuklearprogramm nicht endgültig gestoppt, sondern nur eingefroren – und kann damit diese Waffen bei Gelegenheit weiterentwickeln. Nebenbei verfolgt das Regime unverändert ein ballistisches Raketenprogramm, baut Zentrifugen und erwirbt moderne Technologie.

Israel und Saudi-Arabien fühlen sich herausgefordert

Ein rascher strategischer Anlauf Europas ist nötig, weil der (schiitische) Iran unterdessen seinen Einfluss in der Region ausweitet. Syrien, Irak, Jemen – das Regime will den Iran als regionale Supermacht etablieren. Was wiederum das reiche (sunnitische) Saudi-Arabien herausfordert und zugleich dazu führt, dass jetzt das Königshaus in Riad mit der israelischen Regierung zusammenarbeitet. Das war Jahrzehnte unvorstellbar.

Allerdings vermindern sich die Spannungen in Nahost so nicht. Schaffen der Iran und Europa kein neues Vertrauen, erscheint eine kriegerische Auseinandersetzung nahezu unausweichlich. Riad und Jerusalem werden nicht dulden, dass Teheran Atomwaffen auch nur in entfernter Zukunft anstreben könnte.

Ein Gipfel Europas mit dem Iran, Russland und China – die beide mit dem Iran je eigene Interessen verbinden – wäre da dringend geboten. Die USA würden sich am Ende auch nicht verweigern. Ein guter Deal ist doch für alle besser. Auch für die, die vor allem ans Geschäftemachen denken.

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