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Die Zukunft von Bundesinnenminister Horst Seehofer ist unklar.

© dpa

Asylstreit: Wo liegen die Streitpunkte in Seehofers „Masterplan“?

In seinem 63-Punkte-Plan zur Migration plant Horst Seehofer eine deutlich härteren Umgang mit Asylbewerbern. Die SPD sieht vieles davon nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt.

Wochenlang musste über ihn diskutiert werden, ohne ihn zu kennen: der „Masterplan Migration“ von Bundesinnenminister Horst Seehofer. Am Sonntag bekam schließlich der CSU-Vorstand das 63-Punkte-Papier zu sehen, der Plan sickerte zu verschiedenen Medien durch - mittlerweile kursiert er auch bei Twitter. Der strittige Punkt, an dem sich der Unionsstreit entzündete, steht unter „27. Binnengrenzkontrollen“: „Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind“. Bis auf die Grenzkontrollen ist das Papier, das eine deutlich härtere Gangart gegenüber Asylbewerbern vorsieht, aber Konsens in der Union. Kanzlerin Angela Merkel sagte bereits, sie stimme mit 62,5 der 63 enthaltenen Punkte überein.

Verwirrung um zwei Versionen

Vor der Analyse der Inhalte lohnt sich aber der Blick auf das Titelblatt: Dort steht „Horst Seehofer, Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union“. Seehofer hat das Papier also nicht in seiner Funktion als Bundesinnenminister vorgelegt, dabei ist der „Masterplan“ im Bundesinnenministerium (BMI) erarbeitet worden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber kritisierte das. „Ministerien sind steuerfinanzierte Einheiten der Regierung und sollen Regierungsarbeiten erledigen – keine Arbeit für politische Parteien“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich halte das für einen problematischen Vorgang und ich gehe davon aus, dass der Bundestagspräsident das prüfen wird.“ Das Bundesinnenministerium teilte zwischenzeitlich mit: Die Fassung, die derzeit kursiere, sei nicht die Fassung, des Bundesinnenministeriums. Dann hieß es, die von Seehofer vorgelegte Fassung sei eine Vorabfassung, die vor der Veröffentlichung durch das BMI gegebenenfalls noch leicht verändert werden könnte. Im BMI herrscht offenbar ebenfalls leichte Verwirrung über Seehofers Vorgehen.

Was aber steht nun aber in dem von Seehofer am Sonntag vorgelegten „Masterplan Migration“? Viele der Punkte sind Gegenstand dessen, was Angela Merkel beim EU-Gipfel mit den anderen EU-Staaten vereinbart hat. So schreibt der Minister von „Sicheren Orten“ unter anderem in Nordafrika - dorthin könnten im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge zurückgebracht werden. Das Papier sieht einen Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex zu einer „Europäischen Grenzschutzpolizei“ vor.

Beteiligung Schutzsuchender an Gerichtskosten?

Mehrere Punkte, die in der SPD auf Widerstand stoßen dürften und bereits von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisiert wurden, finden sich unter der Überschrift „Asyl- und Ausländerrechtliche Verfahren“. Sie beinhalten eine Verschärfung der bisherigen Rechtslage. Bereits jetzt sieht das Asylgesetz vor, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Verfahren beschleunigen kann, wenn der Asylbewerber bei seiner Identität getäuscht oder seine Passdokumente absichtlich vernichtet hat. Künftig sollen beschleunigte Verfahren bei allen Asylbewerbern gelten können, die keine Identitätsdokumente vorlegen. Das waren 2017 Schätzungen zufolge etwa 50 Prozent aller Betroffenen. Der „Masterplan“ sieht in solchen Fällen eingeschränkte Rechte des Schutzsuchenden vor - zum Beispiel verkürzte Fristen für den Widerspruch gegen den Asylbescheid. Zudem solle geprüft werden, ob sich Schutzsuchende an den Gerichtskosten beteiligen müssen, wenn sie Widerspruch gegen ihren Bescheid einlegen. Darüber hinaus will Seehofer „staatliche Erlaubnisse und Leistungen“ an das Vorliegen von gültigen Reisdokumenten koppeln. Damit werde die Verantwortung zur „zumutbaren Beschaffung von gültigen Reisedokumenten“ an die Betroffenen übertragen, heißt es im Plan.

Um zu verhindern, dass abgelehnte Asylbewerber untertauchen, sollen sämtliche Ressourcen bei der Abschiebehaft ausgenutzt werden. Dazu gehört, die Trennung von Abschiebungsgefangenen und anderen Häftlingen aufzuheben.

Ein Ausdruck des "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).
Ein Ausdruck des "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

© dpa/Stephan Jansen

Die SPD möchte derzeit auf einzelne Punkte in Seehofers Masterplan nicht eingehen. „Herr Seehofer hat die Republik wochenlang zum Narren gehalten mit seinem sogenannten Masterplan, den keiner kennen durfte“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner dem Tagesspiegel. Die Neigung der SPD, sich damit zu beschäftigen, sei relativ gering. Man werde nicht über das Stöckchen springen, das die CSU hinhält. „Wir haben einen Masterplan und das ist der Koalitionsvertrag. Darin kann man nachlesen, was zwischen CDU, SPD und auch der CSU vereinbart ist“, erklärte Stegner weiter. Die SPD sei zwar darüber hinaus zu pragmatischen Problemlösungen bereit. Aber nationale Alleingänge oder Schikanen gegen Flüchtlinge kämen nicht in Frage. „Vieles von dem, was Seehofer jetzt in seinem Masterplan vorschlägt, sind Dinge, mit denen die CSU in den Koalitionsverhandlungen nicht durchgekommen ist. Aber die SPD wird ganz sicher nicht nachverhandeln.“

Ankerzentren mit Aufenthaltspflicht

Vereinbart im Koalitionsvertrag sind die sogenannten „Ankerzentren“ (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren). Über diese wurde bereits ausgiebig diskutiert, obwohl sich Seehofer über die genaue Ausgestaltung ausgeschwiegen hatte. Auch der Plan bietet wenig neue Erkenntnisse. Das gesamte Asylverfahren, so heißt es, solle in den Zentren stattfinden, auch die Verwaltungsgerichte würden dort präsent sein. Der Vorteil dieser Zentren sei, dass die Verteilung der Asylantragsteller auf die Kommunen erst erfolge, wenn ihnen ein Schutzstatus zuerkannt wurde. Auch die Rückkehrberatung solle in den Ankerzentren stattfinden. Sachleistungen sollten dort konsequent Vorrang vor Geldleistungen haben, die Ausreisepflicht werde bei erfolglosen Verfahren unmittelbar durchgesetzt. Auch eine Aufenthaltspflicht im jeweiligen Bezirk sieht der Plan vor. In der Vergangenheit hatte es vor allem von den SPD-Innenministern aus den Ländern große Vorbehalte gegen solche Ankerzentren gegeben.

Weitere Punkte im Masterplan

* Bei Heimataufenthalten von Schutzsuchenden, die vorgegeben hatten in ihrem Heimatland bedroht zu sein, soll es Widerrufsverfahren geben. „Bei Heimataufenthalten während des laufenden Asylverfahrens gilt in diesen Fällen der Asylantrag als zurückgenommen“, heißt es im Plan.

* Die Qualität der Integrationskurse soll gesteigert werden und die Anwesenheitspflicht verschärft. Auch Sanktionen sind bei Verstößen gegen die Teilnahmepflicht vorgesehen.

* Seehofer will außerdem „auf die Einführung einer verbindlichen medizinischen Altersfeststellung bei Vorliegen von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Schutzsuchenden“ hinwirken.

Hier können Sie den Masterplan herunterladen.

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