zum Hauptinhalt
Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt.

© Jörg Carstensen/dpa

Asylpolitik: Ohne die Grünen geht es nicht

Nach dem Scheitern des Gesetzes über sichere Herkunftsländer im Bundesrat soll ein neuer Anlauf gestartet werden. Das Hauptziel: schnellere Asylverfahren.

Das Gesetz ist praktisch tot. Nach der Entscheidung des Bundesrats, die Einstufung der drei Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien sowie Georgiens als sichere Herkunftsländer von der Tagesordnung zu nehmen, ist vorerst nicht mehr damit zu rechnen, dass der Wunsch der großen Koalition im Bundestag noch Wirklichkeit wird.

Die Grünen haben in der Länderkammer durch ihre Regierungsbeteiligungen die Dinge quasi in der Hand – obwohl das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg hinter dem Gesetz steht, genügen die anderen acht Länder mit Grünen in den Kabinetten, um eine Mehrheit zu verhindern.

Gegen die Absetzung von der Tagesordnung, die keine Vertagung auf die nächste Sitzung ist, sondern eine Verschiebung ohne neuen Termin für eine Abstimmung, hat kein einziges Land Einwände erhoben. Theoretisch könnte es zu einer Wiedervorlage kommen, wenn nach der Wahl in Bremen eine große Koalition zustande käme, die sich dann hinter das Vorhaben stellen würde. Doch wie realistisch ist das?

Tatsächlich waren alle froh, dass der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) den Antrag auf Absetzung stellte und damit die seit 2017 währende Hängepartie praktisch beendet ist. Seine Begründung: Bei einem Scheitern hätte es zunächst keinen neuen Lösungsansatz gegeben. Und bei einem Erfolg hätten alle, die dann von Abschiebung bedroht wären, sofort ein Arbeitsverbot bekommen, wenn sie einen Job hätten. Nun will er dazu beitragen, wie eine neue Verhandlungslösung aussehen könnte.

Für Ramelow stehen im Herbst Landtagswahlen an. Mit dem Antrag auf Absetzung wird die Sache formal in der Schwebe gehalten, er muss sich also nicht dem Vorwurf aussetzen, bei einer Abstimmung die Einstufung der vier Länder als sicher verhindert zu haben.

Bislang wurden solche Länder als sichere Herkunftssaaten eingestuft, in denen nach Erkenntnissen deutscher Behörden keine eine politische Verfolgung stattfindet und es auch keine Praktiken unwürdiger oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung gibt.

"Als Symbol irreführend"

Ramelows Begründung, nun die Sache in Verhandlungen neu anzugehen, klang nicht viel anders als die des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU), der in Wiesbaden mit den Grünen regiert. Er hatte schon vor der Sitzung erklären lassen, dass der Begriff der sicheren Herkunftsstaaten "als Symbol irreführend ist". Vielmehr gehe es um beschleunigte Asylverfahren bei denen, die aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten kommen. Das ist bei den Maghreb-Staaten und Georgien eindeutig der Fall, allerdings sind die Grünen der Meinung, dass es genügend Indizien gebe, dass es insbesondere in Nordafrika, nicht zuletzt bei Homosexuellen, eine gruppenbezogene oder auch regionale Verfolgung gebe.

Bouffier zufolge ist das vorliegende Gesetz keine Basis mehr für eine "Weiterentwicklung" in der Frage, wie man mit Asylbewerbern aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote verfahren soll. So gesehen haben sich die Grünen durchgesetzt – und ohne sie wird es keine "Weiterentwicklung" geben. Wie die aus Sicht der Grünen aussehen soll, steht in einem Fünf-Punkte-Papier, das mehrere Parteispitzen, angeführt von Parteichefin Annalena Baerbock, unmittelbar nach dem vorläufigen Ende der Partie im Bundesrat, vorlegten.

Fünf Punkte der Grünen

Zumindest die Überschrift klingt wie Bouffiers Anliegen: "Für schnelle und faire Asylverfahren statt sichere Herkunftsstaaten". Erste Forderung: verbesserte Rückführungsabkommen. Dazu sollen Informationskampagnen in solchen Staaten kommen, die auf die geringen Aussichten auf Asyl und auf die Alternative des Arbeitsvisums aufmerksam machen sollen.

Drittens wollen die Grünen eine "Qualitätsoffensive" beim Bundesamt für Migration, dazu soll eine unabhängige Rechtsberatung für alle Asylbewerber kommen. Und schließlich sollen die Verfahren bei den Verwaltungsgerichten durch mehr Stellen und die Möglichkeit obergerichtlicher Leitentscheidungen beschleunigt werden. Letzteres – die Zulassung der Revision bei oberen Gerichten – ist allerdings am Freitag im Bundesrat gescheitert. Ein Antrag der Länder Hamburg, Berlin, Brandenburg und Bremen mit dem Ziel, gerade solche Revisionen zuzulassen, um damit Asylverfahren zu beschleunigen, fand keine Mehrheit.

Aus Sicht der Antragssteller könnten sich untere Gerichte und auch das Bundesamt für Migration an solchen Obergerichtsentscheidungen orientieren. Aber CDU und CSU sind dagegen. Das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz", das Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag vorgelegt hat, ist der nächste Test für die Kooperationsbereitschaft der Parteien.

Zur Startseite