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Ein Zeichen setzen. Im Nahen Osten und Nordafrika (wie hier im Sudan) kommt es immer wieder zu Protesten gegen die Machthaber.

© Ashraf Shazly/AFP

Arabische Welt: Warum der Nahe Osten doch nicht untergeht

Im Nahen Osten wird alles immer schlimmer, heißt es immer wieder. Doch Daniel Gerlach hält nichts von Untergangsszenarien. Er setzt auf die Zivilgesellschaft.

Pulverfass, Flächenbrand, Krisenherd. Oder: Extremisten, Despoten, Fanatiker. Es sind nicht gerade schmeichelhafte Worte, die gemeinhin genutzt werden, um den Nahen Osten zu beschreiben. Sie alle sagen mehr oder weniger das Gleiche aus: Diese Region mit ihren zerstörerischen Konflikten – Syrien, Jemen, Irak! – ist dem Untergang geweiht.

Nur einmal in der jüngeren Vergangenheit war kurzzeitig von Revolution, Aufbruch und Freiheit die Rede. Doch die Hoffnungen, die mit dem Arabischen Frühling einhergingen, scheinen sich nicht erfüllt zu haben. Der damalige Optimismus ist vielmehr düsterer Resignation gewichen.
Aber täuscht dieser Eindruck womöglich? Ist es doch besser um den Nahen Osten bestellt, als uns die Standardnachrichten suggerieren? Daniel Gerlach gehört zu jenen, die diese Fragen mit einem klaren Ja beantworten würden. „Der Arabische Frühling ist nicht gescheitert. Und er ist vor allem nicht am Ende“, schreibt der Orientalist und Chefredakteur des Magazins „Zenith“.

Der Arabische Frühling? Eine epochale Entwicklung

Er nennt die Geschehnisse vielmehr eine „epochale Entwicklung“, die nicht rückgängig gemacht werden könne. Denn sie habe gezeigt, dass kein Autokrat, kein Diktator mehr sicher sein kann zu herrschen, „bis er an Altersschwäche stirbt“.

Gerlachs Einschätzung hat Gewicht. Er bereist den Nahen Osten regelmäßig, kennt sich also aus in der Region.

Jetzt hat der Journalist seine lesenswerten Reportagen mit viel Hintergrundwissen angereichert und in einem im besten Sinne aufklärerischen Buch zusammengefasst. Da geht es um türkisches Machtstreben, die Dauerfehde zwischen Sunniten und Schiiten oder arabischen Nationalismus.

Doch vor allem stellt Gerlach Menschen vor, die etwas bewegen wollen. Ihm ist wichtig zu zeigen, dass es trotz aller Widrigkeiten eine Zivilgesellschaft gibt, die sich für ein gedeihliches Miteinander einsetzt. Etwa im geschundenen Syrien. Dort haben Clanchefs, Stammesführer, Militärs und Intellektuelle – zunächst im Verborgenen – einen „Rat der syrische Charta“ gegründet.

Syriens Ritter der Tafelrunde

Gerlach sieht in ihnen eine Tafelrunde, die sich edlen Rittern gleich für einen Gesellschaftsvertrag engagiert. Mit anderen Worten: Sie wollen ihr Land nicht den Barbaren überlassen - egal, auf welcher Seite sie stehen. Und sie lehnen die Kategorisierung in Sieger und Besiegte ab. Denn, so formuliert es Gerlach aus Sicht der Unterzeichner der Charta: Keine Seite, keine Volksgruppe und keine Gemeinschaft könne von sich behaupten, dass sie gänzlich unschuldig an der Misere sei.

Kann das funktionieren? Ist es möglich, Syrien friedlicher zu machen? Dass nicht Rache und Misstrauen herrschen, sondern Toleranz und Humanität? Gerlach würde antworten: Einen Versuch ist es wert.

Daniel Gerlach: Der Nahe Osten geht nicht unter. Die arabische Welt vor ihrer historischen Chance. Edition Körber, 307 Seiten.

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