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Am 18. Oktober startete ein israelisches Flugzeug mit Ziel Bahrain - auch das ein historischer Flug.

© Ronen Zvulun/AFP

Arabisch-muslimische Welt und Israel: Wenn alle vom neuen Nahen Osten profitieren

Arabisch-muslimische Länder wie der Sudan normalisieren ihr Verhältnis zu Israel. Für den Nahen Osten ist das eine Zeitenwende, die Hoffnung macht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Wer sich dieser Tage mit israelischen Diplomaten unterhält, der spürt schon nach kurzer Zeit: Bei ihnen herrscht Zuversicht und Genugtuung darüber, was sich gerade im Nahen Osten tut. Diese Zufriedenheit kommt nicht von ungefähr.

Denn in der Tat steht die notorische Krisen- und Konfliktregion offenkundig vor einem fundamentalen Umbruch.

Wenn die Zeichen nicht trügen, gehört der Antagonismus zwischen der arabisch-muslimischen Welt und dem jüdischen Staat womöglich schon bald der Vergangenheit an, weichen Feindbilder einem neuen Blick auf potenzielle Partner – vielleicht sogar Freunde.

Das alles passiert in einem atemberaubenden Tempo. Zuerst beendeten die Emirate ihre Rivalität mit Israel, dann der Bahrain und nun folgte auch noch der Sudan.

Kommt bald Saudi-Arabien hinzu?

Gerade haben die USA mit Donald Trumps ausdrücklichem Segen das afrikanische Land von ihrer Terrorliste gestrichen. Beobachter werten das als eine weitere wichtige Geste, um es den dortigen Herrscher zu erleichtern, sich nach Jahrzehnten der Konfrontation auf Israel zuzubewegen.

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Längst wird zudem gemunkelt, selbst die Saudis mit Thronfolger Mohammed bin Salman an der Spitze würden öffentlich eine Zeit der Normalität einläuten, sobald es ihnen als Hüter der zentralen islamischen Heiligtümer opportun erscheint.

US-Präsident Trump gehört zu den treibenden Kräften bei der Normalisierung der Beziehungen zwischen der arabischen Welt und Israel.
US-Präsident Trump gehört zu den treibenden Kräften bei der Normalisierung der Beziehungen zwischen der arabischen Welt und Israel.

© Kevin Lamarque/Reuters

So nimmt der neue Nahe Osten Schritt für Schritt Gestalt an. Und er könnte – bei allen Risiken, die ein derart fundamentalter Neuanfang immer in sich birgt – eine riesige Chance bedeuten, von der am Ende alle profitieren.

Für den jüdischen Staat liegen die Vorteile auf der Hand. Man befreit sich aus einer jahrzehntlangen Umklammerung seiner Feinde, indem man deren Phalanx aufweicht. Immer betrachtete sich Israel als eine recht komfortable Villa im Dickicht eines Dschungels.

Nun bekommt dieser Dschungel ein paar hoch willkommene Lichtlöcher, womit man sich nicht zuletzt wichtige Verbündete im - auch von den Golfmonarchien - als wirklich gefährlich erachteten Kampf gegen den Iran sichert.

Die Stimmung der arabischen "Straße" könnte umschlagen

Ganz abgesehen von den vielfältigen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die eine Kooperation mit der arabischen Welt mit sich bringt. Und die wird, gesegnet mit Rohstoffen, ebenfalls ihren Nutzen aus der Zusammenarbeit mit der Hightech-Nation Israel ziehen, wenn es Corona zulässt.

[Die Zahl der Corona-Infektionen in der Hauptstadt steigen rasant: Verfolgen Sie hier die Entwicklungen im Corona-Blog für Berlin.]

Das ist die eine Ebene der neuen Normalität. Hinzu kommt womöglich noch eine ganz andere Dynamik, die die Gesellschaften in den arabischen Staaten nachhaltig prägen könnte. Noch mag die viel beschworene Stimmung der „Straße“ gegenüber Israel ablehnend sein. Auf Dauer muss das aber nicht so bleiben.

Denn Handel bedeutet im besten Fall eben auch Wandel. Die Menschen in Abu Dhabi werden ebenso wie jene in Khartum rasch merken, dass sich die neue Normalität für sie im Alltag auszahlt.

Bereits jetzt stellen Hotels in den Emiraten auf koscheres Essen um, damit sich ihre jüdischen Gäste wohl fühlen. Der einstige Feind wird so zu einem willkommenen Kunden. Wer sagt da schon nein?

Koscheres Essen in Dubai: Arabische Hotels stellen sich auf die Wünsche jüdischer Gäste ein.
Koscheres Essen in Dubai: Arabische Hotels stellen sich auf die Wünsche jüdischer Gäste ein.

© Giuseppe Cacace/AFP

Hinzu kommt ein Weiteres. Der Kontakt mit einem Land wie Israel, für das Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Liberalität eine Selbstverständlichkeit ist, kann auch jenen ein Vorbild sein, die auf all das bis heute verzichten müssen.

Vor zehn Jahren begann der Arabische Frühling, der mit der Hoffnung auf mehr Freiheit einherging und viel zu oft in einen eiskalten Winter der Repression mündete.

Nun, mit Blick auf den neuen Nahen Osten, sollte niemand mehr kategorisch ausschließen, dass es zumindest ein zartes Frühlingserwachen gibt. Eines, von dem alle Menschen in der Region profitieren werden.

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