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Auch die "Verunglimpfung" von Israels Flagge wäre ein möglicher Straftatbestand.

© Virginia Mayo/AP/dpa

Antisemitische Übergriffe: Brandschutz für Israels Flaggen ist möglich - aber nicht gewollt

Mit "allen Mitteln des Rechtsstaats" will die Kanzlerin gegen Flaggen-Verbrennungen vorgehen. Aber sie tut es nicht. Obwohl sie könnte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Ob Medien dazu beigetragen haben, die AfD groß zu machen? Natürlich haben sie. Sie haben auch dazu beigetragen, Trump, Apple und Vegan-Diäten groß zu machen. Sie machen groß, was aufregend oder streitbar ist. In der vergangenen Woche trugen sie dazu bei, das vereinzelte Verbrennen israelischer Flaggen groß zu machen. Wichtig war das nicht. Aber groß. Kanzlerin Merkel ließ ausrichten, man schäme sich. „Der Staat muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates dagegen einschreiten.“ Der Bundespräsident rügte die Fackelei als undeutsch. Justizminister Maas sagte auch etwas, kündigte jedoch erstaunlicherweise kein neues Strafgesetz an.

Warum nicht? Es wäre das Mittel des Rechtsstaats, von dem Merkel sprechen ließ. Wer die deutsche Flagge „verunglimpft“ – also auch verbrennt –, kann mit Haft bis zu drei Jahren bestraft werden, Paragraf 90a Strafgesetzbuch. Wer ausländische Flaggen zerstört mit zwei Jahren, Paragraf 104. Diese Vorschrift schützt aber nur Flaggen, die andere zeigen, egal ob im eigenen Vorgarten oder am Konsulat. Eine zur Demo mitbringen und anzünden ist straflos – das nennt man hier Freiheit.

Grundrechte sind Abwehrrechte gegen Nazis

Die könnte man einschränken. Israel ist bekanntlich für Deutschland kein Staat wie jeder andere. Seine Hoheitssymbole könnten geschützt werden wie die der Deutschen. Schon das „Verunglimpfen“ wäre dann strafbar. Das Bundesverfassungsgericht würde mitmachen. Es hat oft betont, dass die Grundrechte aktive Abwehrrechte gegen Nazi-Denke und Judenhass sind.

Die Freiheitsbeschränkung wäre gering. Israelkritik ist auch ohne Feuerzeug denkbar. Und sogar dem schlimmsten Antisemiten kann zugemutet werden, Flaggen mit Davidstern zu Hause im Keller oder eben gar nicht mehr in Brand zu setzen. Es gibt anderes, dass man verfeuern kann. Es ist daher so, das Angela Merkel ihren Sprecher hohle Worte sagen ließ. Sie bemüht rhetorisch „alle Mittel“, um diese tatsächlich nicht einsetzen zu müssen. Merkel-Kritiker aus der AfD-Zone würden sogar sagen: Sie lügt mal wieder.

Verschärfen, was gestrichen gehört?

Eine Notlüge. Denn rechtspolitisch tut sich ein Dilemma auf. In ein paar Tagen tritt Paragraf 103 außer Kraft, die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter. Man war sich als Lehre aus dem Erdogan-Böhmermann-Konflikt einig geworden, dass ein solches Ehrschutzdelikt vormodern ist. Wenn das so ist, müsste aber auch der Flaggen-Paragraf 104 gestrichen werden, denn im Kern dient er dem Ehrschutz von Staaten. Das hat man gelassen, weil Böhmermann mit Erdogan, aber nicht mit der türkischen Flagge Unfug trieb. Ein Flaggen-Paragraf für Israel würde damit ein Delikt verschärfen, das im Prinzip gestrichen gehört. Merkel wird das klar sein. Aber sie muss reagieren. Also sagt sie etwas, was groß klingt, aber nicht groß gemeint ist.

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