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Ein Polizist bewacht den Tatort des jüngsten Terroranschlags in London, bei dem ein Lieferwagen in eine Gruppe von Muslimen raste.

© Hannah McKay/Reuters

Anschlag auf Muslime in London: Lehren aus London

Zumal in Weltmetropolen muss Politik die innere Balance der Gesellschaft gewährleisten. Das Versagen von Theresa May ist ein mahnendes Beispiel für jede andere Regierung in Europa. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

London – das ist nicht nur eine Stadt unter anderen, sondern eine Metropole at its best. Ist eine Vorstellung vom Zusammenleben der Zukunft, ist Habitat 2030. Was andere erst noch werden wollen – London ist es längst. Mindestens so multiethnisch wie New York City, so strahlend wie Paris, so glitzernd wie Schanghai, so kreativ wie Tel Aviv und doch immer noch oder gerade deswegen das Kronjuwel des britischen Commonwealth. Ein Ort, an dem jeder teilhaben kann, egal woher er kommt, egal woran er glaubt. Eine Stadt im Fluss, von der Tradition geleitet, bis in die Neuzeit hinein. Ist das so? Ist das noch so?

Terroranschläge, so wie der abscheuliche Angriff auf Gläubige nach dem Moscheebesuch, erschüttern diese Stadt und unser Bild von ihr. Alles das, was dort gerade geschieht, kann morgen überall passieren. Umso mehr gilt: Wer darüber nachdenkt, wie wir leben wollen, muss an London, an die Metropolregion, denken. Nicht wegen des Projekts von fünf Flughäfen, sondern wegen all der Probleme, die sich aus dieser Großkommune ergeben: eingeschränkte Mobilität, unbezahlbarer Wohnraum, und jetzt offensichtlich eine nicht mehr zu gewährleistende Sicherheit. Oder zumindest das Gefühl davon.

Coolness – und Härte, auch dafür steht London. Und deshalb ist es nur logisch, dass der muslimische Bürgermeister Sadiq Khan sich den Umgang der Israelis mit Terrorattacken und ihren Folgen zum Vorbild nimmt und von den Experten lernen will. Auf diese Weise wird aus tieftraurigem Anlass dann doch Positives; richtungsweisende Politik. Das bietet Trost, wenn auch nur einen vorübergehenden, kleinen.

Denn richtungsweisende Politik braucht es nicht nur in London, sondern weit darüber hinaus. Dringend, weil das Bild von einer mitfühlenden politischen Klasse in den vergangenen Wochen und Monaten beschädigt worden ist. Womit wir bei Theresa May wären. Die abgehoben wirkende Elite um sie herum, der Wirklichkeit abgewandt, bringt das Land und die Stadt aus der inneren Balance.

Von wegen Klasse: Wer sich für die weniger Privilegierten nicht interessiert, zementiert die Klassengesellschaft. Von wegen mitfühlender Konservativismus: Auch dafür ist Theresa May gewählt worden. Aber so wie sie handelt, wirkt es hartherzig. So war sie auch als Innenministerin. Da scherte sie sich eben wenig um Brandschutzvorschriften oder mehr Polizisten. Im Gegenteil.

Einen Staat auf dem Rückzug können sich aber nur die Reichen leisten. Das spüren die Menschen, die ohnehin kämpfen müssen, und wenden sich ab. Das ist nicht gut in diesen Zeiten, und es kann schlecht enden. Nur eben nicht allein für May.

Da ist das Beispiel der britischen Regierung eine Warnung auch für jede andere in Europa. Es müssen sich neben kühler Umsetzung von Programmen auch solche Themen – und Menschen – finden, die den Lebensalltag der Bevölkerung durch Regierungshandeln besser machen.

Vielleicht ist das die wichtigste Lehre von London, der Hauptstadt im Musterland der Demokratie: Das politische Establishment muss sich öffnen, sonst stellt es sich selbst infrage.

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