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Zwei Kinder tragen ihre Masken im Garten.

© imago images/Cavan Images

Anordnung vom Gesundheitsamt: Kinder sollen bei Coronavirus-Verdacht von der Familie isoliert werden

Ein Brief des Kommunalverbands verängstigt Eltern in Hannover. Sie befürchten, dass der Nachwuchs aus der Familie gerissen wird. Die Behörde beschwichtigt.

Ein Kind, das die Nudeln zum Mittag alleine in seinem Zimmer isst, nur weil es in der Kita Kontakt zu einem infizierten Spielkameraden hatte: Was sich nach trauriger Corona-Dystopie anhört, wird mancherorts von den Gesundheitsämtern bereits angeordnet.

In einem Schreiben des Kommunalverbands Region Hannover heißt es: "Die häusliche Absonderung bedeutet, dass ihr Kind in der Wohnung bzw. dem Haushalt möglichst eine räumliche und zeitliche Trennung zu allen im Haushalt lebenden Personen, einhalten soll, indem Sie und Ihr Kind sich in unterschiedlichen Räumen aufhalten, keine gemeinsamen Tätigkeiten ausführen und insbesondere Ihre Mahlzeiten nacheinander oder räumlich getrennt voneinander einnehmen."

Der Präsident des Kinderschutzbunds, Heinz Hilger, zeigt sich über solche Maßnahmen zum Infektionsschutz alarmiert: "Die Situation der Quarantäne ist für Familien, insbesondere für Kinder, ohnehin sehr belastend. Kinder in dieser Phase von ihren Eltern und Geschwistern zu isolieren, ist eine Form psychischer Gewalt."

Die Region Hannover sieht die Maßnahmen hingegen durch das Infektionsschutzgesetz begründet. Sie würden sich zudem an den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts orientieren, sagte Sprecherin Tanja Schulz dem Tagesspiegel. "Eine häusliche Isolation von Kindern, die als direkter Kontakt von nachweislich mit Covid-19 infizierten Personen identifiziert wurden, ist aus Gründen des Infektionsschutzes sinnvoll und notwendig. Darüber hinaus stellt sie – in Alternative zu zum Beispiel einer Isolation im Krankenhaus – das mildeste Mittel dar", sagte Schulz weiter.

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Kinder können in geschlossene Einrichtungen "abgesondert" werden

Doch die Quarantäneanordnung der Region Hannover hält auch eine Drohung parat. Sollte den Anordnungen nicht nachgekommen werden, werde beim zuständigen Amtsgericht beantragt, "das Kind zwangsweise in einer geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abzusondern".

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Diane Siegloch hat zu Beginn der Pandemie, gemeinsam mit anderen Eltern, die Initiative "Familien in der Krise" gegründet. Sie hat von ähnlichen Schreiben der Gesundheitsämter in den Kreisen Offenbach in Hessen und Bruchsal in Baden-Württemberg gehört. Diese hätten sowohl Kita- als auch Grundschulkinder betroffen. Siegloch weiß von Familien, die, wenn sie doch mal gemeinsam mit dem Kind essen, die Vorhänge zuziehen. "Aus Angst, dass die Nachbarn die Familie an das zuständige Gesundheitsamt verraten."

Die derzeitigen Maßnahmen seien nicht mehr verhältnismäßig, sagte Siegloch dem Tagesspiegel. Die Bedürfnisse der Kinder und die Auswirkungen all dieser Maßnahmen auf Kinder und Familien würden in der Krise ohnehin zu wenig berücksichtigt. Sie verstehe, sagt Siegloch, dass es sich beim Schreiben der Gesundheitsämter um ein verklausuliertes Standardschreiben handeln würde. "Aber solche Sätze machen den Familien Angst. Man könnte wenigstens noch ein ,netteres' Anschreiben dazulegen, dass die Vorgaben ein bisschen ins Verhältnis rückt."

Die Kinder könnten seelisch vereinsamen

Pressesprecherin Schulz gibt zu: "Die in dem vorliegenden Bescheid angesprochenen Maßnahmen sind so formuliert, dass die angesprochene Umsetzung ,möglichst' erfolgt. Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sind diese Maßnahmen selbstverständlich wünschenswert, um auch dort ein Infektionsrisiko zu vermeiden. Es ist aber völlig klar, dass dies je nach der konkreten Lebens- und Wohnsituation im Einzelfall betrachtet werden muss."

Es sei jedoch vertretbar, während der Isolation auf gemeinsame Mahlzeiten mit der gesamten Familien verzichtet und vermehrt auf Hygiene geachtet werde.

Siegloch sieht darin die große Gefahr, dass die Kinder seelisch vereinsamen, wenn sie während der Quarantäne die ganze Zeit alleine bleiben müssten, ohne Familienanschluss.

Schulz beschwichtigt: "In Abhängigkeit von der Familienstruktur, der Wohnsituation, dem konkreten Alter und anderen Faktoren wird jedoch immer darauf geachtet, dass die Unterbrechung der Infektionskette mit möglichst geringen und verhältnismäßigen Mitteln erfolgt." Bislang sei der Gesundheitsbehörde der Region Hannover kein Fall bekannt, in dem die Unterbringung eines Kindes in Quarantäne außerhalb der eigenen Familie angeordnet wurde.

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