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AKK hat Merz den Platz gewiesen. Der löckt aber wider dem Stachel - und könnte am Ende Sieger sein.

© Jan Woitas/ZB/dpa

Annegret Kramp-Karrenbauer: AKK scheint Merkel in ihrer Sachlichkeit übertreffen zu wollen

Den kühlen Kopf wird die CDU-Chefin gebrauchen können: gegenüber Friedrich Merz – und dem Koalitionspartner SPD.

Von Robert Birnbaum

Annegret Kramp-Karrenbauer gehört sowieso nicht zu den chronisch Aufgeregten im politischen Betrieb. Aber so oft, wie für das anstehende Jahresauftakttreffen des CDU-Vorstands im Vorfeld jetzt schon die Formel „Arbeitsklausur“ gefallen ist, klingt die betont sachliche Attitüde regelrecht nach Programm.

Keine „Potsdamer Erklärung“, auch keine anderen großartigen Papiere soll die CDU-Spitze zwischen Sonntagabend und Montagmittag verabschieden, keine Demoskopen oder andere Experten sollen ihr die Welt erklären, die Kanzlerin ist einfach nur Gast, für den kein spezieller Redebeitrag reserviert ist – waren die Klausuren unter Angela Merkel unspektakulär, setzt die neue CDU-Chefin an geplanter Nüchternheit noch eins drauf.

Das ist im Angesicht der Lage vermutlich klug. Da wäre erstens die Lage der Koalition. Nach dem Radaujahr 2018 und den für alle erschreckenden Wahlergebnissen versuchen die drei Partner Ruhe ins erschütterte Bündnis zu bekommen. Das haben sie sich zuletzt beim Koalitionsgipfel vor einer Woche erneut gelobt. Ob es klappt? Die SPD wirkt nach der Serie ihrer Winterklausuren so fragil wie vorher.

Auch die Liste der Streitthemen bleibt lang, und ständig kommen neue hinzu, wie zuletzt der Vorstoß von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Grundsteuer.

Sein Kollege Heiko Maas klingt denn auch etwas bemüht tapfer, wenn er im neuen „Spiegel“ zum Schicksal des Regierungsbündnisses sagt: „Totgesagte leben länger.“ Dazu passend schätzt der Außenminister an der neuen CDU-Chefin vor allem, dass sie verlässlich sei. Maas muss das wissen. Er hat mit Kramp-Karrenbauer an der Saar schon einmal eine Koalition zusammengeschmiedet.

Dann wäre da die Lage der CDU. Das aufsehenerregende Rennen um den Parteivorsitz ist seit dem Parteitag entschieden, wirkt aber noch nach. Immerhin hat sich AKK pünktlich vor der Klausur mit dem unterlegenen Friedrich Merz auf dessen künftige Formen der Mitarbeit verständigt.

Sie laufen auf eine Halbdistanz hinaus: Merz wird Mitglied in einem Experten-Beraterkreis zur sozialen Marktwirtschaft, soll bei einem der Schwerpunktthemen des nächsten Jahres, der Zukunft der transatlantischen Beziehungen, seine Erfahrungen einbringen und am Grundsatzprogramm mitarbeiten. Wie genau, ist offen.

Die Jobs für Friedrich Merz bleiben weit hinter den Hoffnungen zurück

Vorerst will Kramp-Karrenbauer den Programmprozess, den sie als Generalsekretärin begonnen hat, als Chefin weiter in der Hand behalten. Auch die zweite Mitglieder-Tour durch die Länder will sie nicht einfach an den frischgebackenen General Paul Ziemiak delegieren.

Die Jobs für Merz bleiben weit hinter Hoffnungen seiner Fans zurück, die ihren Favoriten am liebsten im Kabinett gesehen hätten. Aber er hat schließlich selbst zugestimmt, und so murren nur die äußersten Hardliner von Wirtschaftsrat und „Werteunion“.

Dem Sauerländer bietet das Modell „außerhalb aller Gremien und Strukturen“, wie er es selbst beschreibt, Freiheiten, die er sich aus einem förmlichen Posten heraus nicht so leicht nehmen könnte. Eine erste Kostprobe lieferte er am Freitag bei einem Wirtschaftsforum am Tegernsee ab, dem er mal eben einen Sieben-Punkte-Plan für eine neue Wirtschaftspolitik vorstellte.

Die Punkte von Soli-Abschaffung bis Bürokratieabbau sind zwar so neu nicht. Aber oft macht ja der Ton die Musik: „Prioritäten neu setzen“, forderte Merz mit Blick auf die Digitalisierung und die Herausforderungen durch China und andere globale Wettbewerber. Dass er bei der Gelegenheit Merkels Flüchtlings- und Energiepolitik noch einmal geißelte – beides nicht europäisch abzustimmen, sei ein „schwerer Fehler“ gewesen –, ist zwar auch nicht neu, lässt aber erkennen, dass er seinen Ruf als Unruhegeist pflegen will.

Der Herbst wird heiß

Schließlich sind da die Wahlen. Bei der Europawahl liegen die Dinge noch relativ einfach. Der CSU-Mann Manfred Weber, der am Montag auch nach Potsdam kommt, will als gemeinsamer Spitzenkandidat der EU-Konservativen mit einem proeuropäischen Kurs nach der EU-Kommissionspräsidentschaft greifen. Das verträgt sich gut mit dem CDU-Mainstream und der Regierungspolitik der Kanzlerin.

Sehr viel schwieriger werden die drei Wahlen in den ostdeutschen Ländern im Herbst. Speziell in Sachsen ist die Sorge groß, dass die AfD der CDU den ersten Platz streitig macht oder zumindest so stark wird, dass sie in Dresden klassische Farben-Bündnisse blockiert. Wie dann Mehrheiten zustande kommen sollen, steht in den Sternen. Dass darüber in Potsdam offiziell diskutiert wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Schließlich hat der Bundesparteitag gerade erst feierlich Koalitionen mit der AfD wie mit der Linkspartei ausgeschlossen. Aber allen ist bewusst, dass dort sehr unangenehme Fragen lauern.

Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat das Thema ja obendrein schon als neue Sollbruchstelle für die Koalition ausgemacht: Sollte die CDU sich auf Zusammenarbeit mit der AfD einlassen, sei der Ausstieg der SPD aus der Koalition unvermeidlich, befand das Enfant terrible der Sozialdemokraten.

Das klingt schon wieder nach einem heißen Herbst. Zumal in dieser Zeit die Überprüfung des Koalitionsvertrags fällig wird, die die SPD sich ausbedungen hat.

Kramp-Karrenbauer hat dafür ihrerseits schon Nachbesserungsansprüche angemeldet: Nicht nur die SPD, auch die Union könne neue Wünsche anmelden. Die dürften, zumal wenn die Konjunktur sich eintrübt, eher in Merz’ Richtung gehen, und zwar ganz unabhängig von Punkteplänen.

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