zum Hauptinhalt
Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato sind am Anti-IS-Einsatz beteiligt.

© Andrea Hohenforst/Nato/dpa

Update

Ankara informiert Nato über Syrien-Angriff: Anti-IS-Allianz liefert Türkei keine Aufklärungsdaten mehr

Die Türkei ist der Zugang zu Aufklärungsdaten der Allianz verwehrt. So soll verhindert werden, dass Ankara diese für Operationen gegen die Kurden nutzt.

Die USA haben das türkische Militär wegen der Invasion im Norden Syriens weitgehend aus der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischen Staat" (IS) ausgeschlossen. Die Türkei erhalte im Hauptquartier auf dem Luftwaffenstützpunkt im katarischen Al-Udeid keinerlei Aufklärungs- oder Operationsdaten der Allianz, berichtete "Spiegel Online" am Mittwoch. Das US-Verteidigungsministerium habe dies bereits am 9. Oktober angeordnet, als das türkische Militär auf Anweisung von Präsident Recep Tayyip Erdogan die ersten Luftangriffe im Norden Syriens flog und kurdische Stellungen mit Artillerie beschoss.

Täglich werden Daten durch Flugzeuge, Satelliten und Drohnen erstellt

Aus deutschen Militärkreisen wurde der Schritt am Mittwoch bestätigt. Die Türkei nehme auch nicht mehr an Besprechungen und Planungskonferenzen teil, wurde der Deutschen Presse-Agentur erklärt. Hintergrund der Maßnahme sind Befürchtungen des Pentagon, dass Ankara die Aufklärungsergebnisse der Koalition für die Planung der eigenen Operationen gegen die Kurden im Norden Syriens nutzt. Bei der Mission gegen den IS werden täglich Daten durch Flugzeuge, Satelliten und Drohnen erstellt und geteilt.

Die Bundeswehr hat für die Weitergabe von Informationen, die mit Tornado-Aufklärern im Luftraum über Syrien gewonnen werden, seit dem Beginn des Einsatzes strengere Regeln. So wacht ein Offizier ("Red-Card-Holder") darüber, dass Aufträge an die Luftwaffe und die Weitergabe von Informationen nicht gegen das deutsche Mandat verstoßen. So soll auch verhindert werden, dass sich die Türkei Informationen über kurdische Stellungen verschafft.

Die Türkei warb am Mittwoch bei den Nato-Partnern um Verständnis für die umstrittene Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien geworben. In einer Sitzung des Nordatlantikrates informierte das Land über das Vorgehen und die Ziele der Intervention, wie in Bündniskreisen bestätigt wurde. Teilnehmer waren unter anderem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Botschafter aus den anderen 28 Bündnisstaaten.

Zu Details der rund dreistündigen Sitzung gab es aus Vertraulichkeitsgründen keine offiziellen Angaben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur musste sich die Türkei im Anschluss an die Unterrichtung allerdings erneut Fragen und Kritik gefallen lassen. Vor allem Nato-Partner, die gleichzeitig Mitglied der EU sind, hätten sich auf Grundlage einer EU-Erklärung geäußert, in der die Militärintervention verurteilt wird, hieß es.

Es besteht die Sorge, dass weitere inhaftierte IS-Mitglieder freikommen

Zudem sei noch einmal die Sorge geäußert worden, dass durch das türkische Vorgehen in Nordsyrien dort inhaftierte IS-Mitglieder freikommen könnten. Auch habe es Forderungen nach einer Aufklärung von Vorwürfen zu möglichen Menschenrechtsverletzungen gegeben.

Die Türkei sicherte den Angaben zufolge zu, die Flucht von IS-Terroristen verhindern zu wollen. Diese würden festgenommen oder notfalls eliminiert. Grundsätzliche habe die Türkei argumentiert, dass ihre Militäroffensive von den Nato-Partnern zumindest toleriert werden müsse, wenn sie schon keine Unterstützung finde, hieß es. Das Land betrachte die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation.

Die Türkei ist Mitglied der Nato – das macht die Sache für die Allianz schwierig

Dass die Nato die türkische Offensive wie die EU verurteilt, ist trotz der Kritik vieler Alliierter ausgeschlossen. Dies liegt daran, dass Beschlüsse im Bündnis ausschließlich auf Grundlage des Konsensprinzips gefasst werden und die Türkei damit bei allen Entscheidungen ein Veto-Recht besitzt.

Hinzu kommt, dass in der Nato etliche Mitgliedstaaten Angst vor einer neuen großen Flüchtlingskrise haben. Konkret geht es dabei um die Sorge, dass die Regierung in Ankara Flüchtlinge aus Syrien unkontrolliert in Richtung Westeuropa ziehen lassen könnte. Unter anderem Griechenland, Ungarn und Deutschland sehen dies als Risiko.

Eine Fortsetzung der Diskussionen zur Lage in Nordsyrien soll es nach Angaben eines Nato-Sprechers Ende kommender Woche bei einem Treffen der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten geben. Im Anschluss könnte zudem ein von der EU gefordertes Sondertreffen der Anti-IS-Koalition organisiert werden. Dieser gehören unter anderem auch arabische und afrikanische Länder an. (dpa)

Zur Startseite