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Mit fast 20 Raketen oder Drohnen wurde zwei zentrale saudische Ölanlagen angegriffen.

© AFP/Planet Labs

Angriffe auf die saudische Ölindustrie: „Wir haben es mit einer Attacke der Iraner zu tun“

Wie groß ist die Kriegsgefahr? Nahostexperte Guido Steinberg über Teherans Provokationen, Trumps Zögern und das Dilemma der saudischen Herrscher.

Herr Steinberg, zwei zentrale Ölanlagen in Saudi-Arabien werden massiv angegriffen, was einer Attacke auf die globale Ölindustrie gleichkommt. Wie weit ist der Nahe Osten von einem Krieg entfernt?
Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht unvermeidbar – vor allem, weil sich die Trump-Administration sehr zögerlich zeigt. In ersten Stellungnahmen hat der US-Präsident seine Bereitschaft zu einem Militärschlag zwar betont. Aber dann hat er klargemacht, dass er das eigentlich gar nicht will. Das passt zu seiner Vorgehensweise gegenüber Nordkorea: Trump tritt verbal sehr martialisch auf, schreckt aber letztendlich davor zurück, seine Soldaten in den Kampf zu schicken. Hätte es unter einem anderen amerikanischen Präsidenten einen derartigen Angriff gegeben, wäre ein Militärschlag gegen den Urheber des Anschlags wohl fast unvermeidbar gewesen.

Wer könnte hinter den Luftschlag gegen die saudischen Ölanlagen stecken?
Die Situation ist etwas unübersichtlich. Ich sehe drei Möglichkeiten. Erstens: Es waren die Iraner, die von ihrem Territorium aus die Geschosse abgefeuert haben. Zweitens kommen vom Iran kontrollierte Milizen im Irak infrage. Drittens könnten die aufständischen Huthi-Milizen im Jemen dahinter stecken. Letztere Variante halte ich für die wahrscheinlichste. Aber egal, welche Möglichkeit zutrifft: Immer sind die Iraner verantwortlich. Denn die Waffen kamen in jedem Fall von ihren Revolutionsgarden.

Also haben Trump und die saudische Führung recht, wenn sie Teheran beschuldigen?
Wir haben es auf jeden Fall mit einer Attacke der Iraner zu tun – entweder direkt oder, das ist sehr viel wahrscheinlicher, indirekt über jemenitische oder irakische Gruppen, die von Teheran kontrolliert beziehungsweise unterstützt werden.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist auf Donald Trumps Hilfe angewiesen.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist auf Donald Trumps Hilfe angewiesen.

© Mandel Ngan/AFP

Was bedeuten die Angriffe für Saudi-Arabien und den Kronprinzen Mohammed bin Salman?
Die Saudis müssen reagieren. Das war ja nicht nur ein Anschlag auf die Ölversorgung der Welt, sondern auch einer auf das ökonomische Herz der Golfmonarchie. Wenn das Königreich jetzt nicht reagiert, dann müssen die dortigen Machthaber mit weiteren iranischen Angriffen rechnen.

Welche Möglichkeiten hat der saudische Thronfolger?
Genau das ist das Problem für Riad: Die Saudis sind eigenständig nicht in der Lage, effektiv zu handeln. Ihre Luftwaffe, der einzige relevante Teil der Streitkräfte, ist vor allem im Jemenkrieg gebunden. Deshalb benötigt das Königshaus die Hilfe der Amerikaner. Nicht zuletzt, damit die USA das Land schützen, wenn es vom Iran angegriffen wird. Immerhin kann sich Kronprinz bin Salman der Gunst Trumps sicher sein.

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei (l.) und Präsident Hassan Ruhani setzen auf asymmetrische Kriegsführung.
Irans Revolutionsführer Ali Chamenei (l.) und Präsident Hassan Ruhani setzen auf asymmetrische Kriegsführung.

© AFP

Können sich die Mullahs in Teheran als vorläufige Sieger im Schlagabtausch mit Amerika fühlen?
Nein. Aus den Attacken und Provokationen spricht eher Verzweiflung. Die Führung Irans will unbedingt zeigen, dass sie auf den maximalen Druck der USA reagieren kann. Aus meiner Sicht ist das jedoch der falsche Weg.

Inwiefern?
Die Iraner provozieren einen militärischen Schlagabtausch, bei dem sie mit Sicherheit den Kürzeren ziehen.

Aber die Iraner könnten mit den Mitteln der asymmetrischen Kriegsführung den Amerikaner einigen Schaden zufügen, zum Beispiel durch die Sperrung der Straße von Hormus, oder?
Die Islamische Republik bereitet sich in der Tat seit Jahrzehnten auf einen solchen Konflikt vor. Sie ist in der Lage, die Öltransporte zu stören und damit den Preis für den Rohstoff in die Höhe zu treiben. Aber es gehört eben auch zur Wahrheit: Die iranische Marine kann den Seeweg nicht wirklich auf Dauer blockieren. Allenfalls klappt das für kurze Zeit. Dann würden die Amerikaner eingreifen – und innerhalb von Stunden wären große Teile der iranischen Marine zerstört.

Guido Steinberg ist Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Islamwissenschaftler und Terrorismusexperte schreibt an gerade ein Buch zum „Kalten Krieg“ zwischen Iran und Saudi-Arabien.
Guido Steinberg ist Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Islamwissenschaftler und Terrorismusexperte schreibt an gerade ein Buch zum „Kalten Krieg“ zwischen Iran und Saudi-Arabien.

© Karlheinz Schindler/dpa

Wer hat derzeit überhaupt im Iran das Sagen: die Hardliner oder die als moderater geltenden Kräfte um Präsident Hassan Ruhani?
Wir sollten da keine scharfe Trennlinie ziehen. Die ganze iranische Strategie ist wohlüberlegt und dürfte im Nationalen Sicherheitsrat abgestimmt und von Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei genehmigt sein. Ruhani dürfte an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen sein. Aber klar ist: Die Hardliner bestimmen derzeit die Tagespolitik.

Spricht das eher für eine Eskalation der Lage?
Ja. Aus meiner Sicht müssen die Amerikaner gemeinsam mit den regionalen Verbündeten und europäischen Partnern auf einen derart folgenreichen Angriff reagieren. Und das heißt mit Waffengewalt. Doch Trump will das offenkundig nicht. Der US-Präsident träumt weiter von einem großen Deal mit dem Regime in Teheran. Deshalb kann es sein, dass eine militärische Reaktion ausbleibt.

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