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Vor vier Tagen: Brandanschlag auf das Parteibüro der AfD im sächsischen Döbeln.

© Matthias Rietschel / Reuters

Angriffe auf AfD-Politiker: Gewalt ist keine Meinung

Wem hilft es, wenn AfD-Politiker als "Nazis" bezeichnet werden? Folgt daraus ein Widerstandsrecht? Der Weg vom Wort zur Tat ist verdammt kurz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Wenn Flüchtlingsheime brennen und Moscheen verwüstet werden, heißt es oft, solche Verbrechen seien das Ergebnis rassistischer Rhetorik – wer Hass sät, produziert Gewalt, Aktion folgt auf Agitation. Diesen Zusammenhang zu bestreiten, wäre naiv, wenn nicht gar gefährlich. Doch gerade weil es eine solche Kausalkette vom Wort zur Tat gibt, muss dieselbe klare Sprache der Verurteilung gesprochen werden, wenn der politische Gegner Opfer eines Verbrechens wird.

Der Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende der AfD Bremen, Frank Magnitz, wurde am Montag von Unbekannten attackiert und schwer verletzt. Die Polizei geht von einem politischen Motiv aus, eine Sonderkommission wurde gebildet, die vom Staatsschutz geleitet wird und sich eng mit dem Bundeskriminalamt austauscht. Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien verurteilten die brutale Tat klar, schnell und unmissverständlich. Das zeigt, dass die Reflexe stimmen. Sie unterscheiden sich wohltuend von jenen Rechtsaußen-Stimmen, die Anschläge auf Ausländer als das Resultat von Merkels Flüchtlingspolitik bagatellisieren.

Noch sind die Täter im Fall Magnitz nicht gefasst, ob politische Motive eine Rolle spielten, ist offen, Spekulationen verbieten sich also. Allerdings ist erwiesen, dass die AfD schon oft Ziel von Angriffen war. Drei Meldungen aus diesem noch sehr jungen Jahr: Vor dem AfD-Büro im sächsischen Döbeln kommt es zu einer Explosion, bei der offenbar starke Pyrotechnik eingesetzt worden war. In Niedersachsen wird das Einfamilienhaus eines emsländischen AfD-Kreistagsabgeordneten mit roter Farbe beschmiert, das Gebäude mit Bauschaum beschädigt, der Garten verwüstet. Im Berliner Stadtteil Lichterfelde wird ein Parteibüro der AfD mit Farbbeuteln beworfen.

Vandalismus und Gewaltanwendung sind Verbrechen. Punktum

Das sind Kurznachrichten, die Erinnerungen wecken – an die Pfeffersprayattacke auf den ehemaligen AfD-Chef Bernd Lucke im August 2013, an den Buttersäure-Anschlag auf eine Wahlveranstaltung mit der ehemaligen AfD-Chefin Frauke Petry 2016, an die Torte, die 2016 der damals stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch ins Gesicht geschmissen wurde, an den Vandalismus gegenüber rechten Verlagen auf der Buchmesse 2017.

Das Frechste und auch Törichste, was nach solchen Anschlägen zu deren Rechtfertigung gesagt wird, ist der Satz: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Nein, wer austeilt, muss im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung bekämpft werden. So – und nicht anders. In dem Moment, in dem aktivistische Gruppen ihre eigenen Maßstäbe im Umgang mit dem Gegner anlegen, öffnen sie die Tür für die willkürliche Macht der jeweils Stärkeren.

Vandalismus und Gewaltanwendung sind Verbrechen. Punktum. Außerdem sind solche Verbrechen dumm. Sie schweißen den Gegner zusammen, erlauben ihm, in die Märtyrerrolle zu schlüpfen, nähren dessen Vorwurf, die Linke sei intolerant. Von Donald Trump bis zur AfD gehört es zum Standardrepertoire von Rechtspopulisten, sich von starken Mächten verfolgt und diffamiert zu fühlen, von der „Lügenpresse“, den „Alt-Parteien“, den Vertretern einer „political correctness“, der „Elite“, dem „Establishment“.

Der Hass gehört allein den Hassenden

Rechte Rhetorik ist meist Verteidigungsrhetorik. Beschützt werden müssen die abendländischen Werte, die Einheimischen, das Volk, die einfachen Leute. Jeder Übergriff auf die AfD festigt dieses Weltbild, stützt die Propaganda. Manchmal erzeugen Attacken auch Mitleid mit den Opfern.

Im Englischen heißt das Phänomen „pity voting“: Eine Partei wird gewählt, weil ihre Repräsentanten unfair behandelt werden. Die Stimmabgabe als Akt ausgleichender Gerechtigkeit. Wem hilft es, wenn AfD-Politiker als „Nazis“ bezeichnet werden? Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte folgt aus dieser Terminologie ein Widerstandsrecht und die Legitimation zum Tyrannenmord. Aus Antifa wird dann blutiger Ernst, geadelt durch das Image unbeugsamer Demokraten, denen im Kampf gegen das Böse jedes Mittel buchstäblich Recht war. An diese Tradition anknüpfen zu wollen, ist anmaßend und zeugt von einer absurden Verkennung gegenwärtiger Gefahren.

Eine Radikalisierung der eigenen Sprache sollte sich niemand vom Gegner aufzwingen lassen. Der Hass gehört allein den Hassenden, die Hetze allein den Hetzern. Die Wahrnehmung einer Gesellschaft, die am Scheidepunkt steht, siegen muss oder untergeht, sollte anderen Kräften überlassen bleiben. Der Weg vom Wort zur Tat ist verdammt kurz.

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