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Boris Palmer hat die Unterstützung der Grünen-Parteispitze verloren.

© dpa

Angedrohtes Ausschlussverfahren: OB Palmer dreht den Spieß um

Seit einem halben Jahr wartet der Provokateur im Tübinger Rathaus auf den Ausschlussantrag der Grünen in Baden-Württemberg. Nun verlangt er, seine Unschuld festzustellen.

Von Hans Monath

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer geht im Streit um seinen Ausschluss aus den Reihen der Grünen nun zum Gegenangriff auf die Führung des Landesverbandes Baden-Württemberg seiner Partei über. Palmers Anwalt Rezzo Schlauch verlangt von der Landesschiedskommission, förmlich festzustellen, dass die Partei gegen den für provokative Äußerungen bekannten Politiker „keinen Rechtsanspruch auf Ausschluss aus der Partei hat“.

Er habe dem Gremium einen so genannten Negativen Feststellungsantrag zugeschickt, erklärte der frühere Fraktionschef der Grünen im Bundestag am Dienstag in einer Pressemitteilung.

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Der Landesverband Baden-Württemberg hatte Anfang Mai auf einem digitalen Parteitag ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel des Parteiausschlusses gegen Palmer eingeleitet. Anlass war ein Facebook-Beitrag Palmers über den früheren deutschen Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, in dem er das so genannte N-Wort benutzt hatte.

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Mitten im Bundestagswahlkampf bezeichnete die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock  die Äußerung als „rassistisch und abstoßend“. Der OB habe die Unterstützung der Partei verloren, meinte sie - und drohte mit dem Parteiausschluss.

Chef der Südwest-Grünen meinte: Das Maß ist voll

Palmer beteuerte, seine Äußerung sei ironisch gemeint gewesen. Er habe mit diesem Stilmittel klarmachen wollen, wie absurd er „konstruierte Rassismusvorwürfe“ finde. Später räumte er aber ein, er habe einen Fehler gemacht. Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand machte damals deutlich, dass es um mehr als nur diesen Beitrag gehe. Palmer sorge mit „inszenierten Tabubrüchen“ für eine Polarisierung der öffentlichen Debatte. Das Maß sei voll.

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Schlauch wies nun darauf hin, dass der Landesverband entgegen dem in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Eindruck auch sechs Monate nach dem Beschluss des Landesparteitags bis heute kein Parteiausschlussverfahren vor der zuständigen Schiedskommission anhängig gemacht habe.

„Diese Verfahrenstaktik fügt meinem Mandanten einen fortdauernden Schaden seines öffentlichen Ansehens zu und verwehrt ihm die Chance auf Verteidigung, weil gar kein konkreter Vorwurf vorgetragen wird“, monierte er.

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Der Anwalt äußerte den Verdacht, der Landesverband der Grünen habe „durch diese offensichtlich gewollte Verzögerung“ das Thema aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten wollen. Nun sollten „wohl auch die laufenden Koalitionsverhandlungen möglichst nicht damit gestört werden und das Verfahren zeitlich möglichst weit in die OB-Kandidaten-Nominierungsphase der Grünen in Tübingen hineingezogen“ werden.

Der Ortsverband Tübingen der Grünen hatte vor rund drei Wochen eine Urwahl zur Nominierung des Grünen-Kandidaten für die OB-Wahl im nächsten Jahr beschlossen. Die langjährige grüne Kreisrätin Ulrike Baumgärtner hat angekündigt, dass sie dann kandidieren will.

Wiedergewählt wurde Palmer mit fast 62 Prozent der Stimmen

Dabei gilt Palmer als erfolgreicher grüner Amtsinhaber, der Klimaschutz und Verkehrswendeprojekte auf kommunaler Ebene praktiziert, ohne Bürgerinnen und Bürger zu verschrecken – im Gegenteil. Palmer war 2006 im ersten Wahlgang mit einem Stimmenanteil von 50,4 % gewählt worden. Acht Jahre später honorierten die Wählerinnen und Wähler in Tübingen seine Arbeit als OB und wählten ihn 2014 mit 61,7 % der Stimmen erneut.

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Allerdings hat sich der gefragte Talkshow-Gast  mit oft zugespitzten und provokativen Äußerungen zu Fehlentwicklungen in der Integrationspolitik, zu einer in seinen Augen übertriebenen Identitätspolitik oder mit Zweifeln, ob die Corona-Politik mit den Alten nicht die falschen rette, nun offenbar eine Mehrheit in der eigenen Partei zum Feind gemacht.

Palmer selbst hat sich zuletzt nicht zu dem Streit um seinen Facebook-Post geäußert. Sein Anwalt Schlauch hatte ihm im Mai die Zusage abgerungen, dass der OB „außerhalb des Verfahrens und während der Verfahrensdauer keinerlei Äußerungen, Stellungnahmen zu dem streitbefangenen Sachverhalt“ tätigen werde.

Der von Palmers Facebook-Eintrag vermeintlich geschmähte Ex-Fußballer Dennis Aogo sieht die Sache übrigens deutlich lockerer als die Grünen. Er habe die Ironie in Palmers Äußerungen erkannt, meinte er im Mai und fügte hinzu: „Für mich ist das Thema damit durch.“

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