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Sigmar Gabriel (links) im Februar 2017 bei seinem damaligen US-Kollegen Rex Tillerson in Washington.

© dpa/Alex Brandon

Angebot für Chefposten der Atlantik-Brücke: Gabriel soll die deutsch-amerikanische Freundschaft retten

Als Außenminister hatte sich Sigmar Gabriel um eine Entspannung mit Russland bemüht. Nun soll ausgerechnet er das Verhältnis zu den USA pflegen.

Von Hans Monath

Der Kapitalmarkt-Kritiker Sigmar Gabriel als Nachfolger des Kapitalmarkt-Vertreters Friedrich Merz? Was vielen Beobachtern des politischen Betriebs bislang als ein absurdes Szenario erschienen war, könnte an der Spitze der Atlantik-Brücke bald Wirklichkeit werden. Der Vorstand des Netzwerks für enge deutsch-amerikanische Beziehungen hat den früheren SPD-Chef und Außenminister als Nachfolger seines Vorsitzenden Friedrich Merz vorgeschlagen. Merz ist nach seiner Niederlage im Kampf um den CDU-Chefposten wieder als Aufsichtsrat der deutschen Tochter der US-amerikanischen Fondsgesellschaft Blackrock tätig. Aus Kreisen der Atlantik-Brücke wurde nun ein Bericht des "Handelsblattes" bestätigt, wonach das Votum für Gabriel einstimmig ausfiel. Ende Juni sollen die rund 500 Mitglieder des Transatlantik- Vereins darüber entscheiden.

Die Empfehlung kommt überraschend, da Gabriel als Außenminister vor allem durch Initiativen für ein besseres Verhältnis zu Russland für Kontroversen gesorgt hatte – und nicht etwa durch Bemühungen um ein enges Verhältnis zu den USA. Entgegen der Linie der Bundesregierung empfahl er die Aufhebung von Sanktionen gegen Moskau nicht erst bei vollständiger Erfüllung des Minsk-Abkommens, sondern schon bei geringeren Gegenleistungen Russlands im Ukraine-Konflikt.

Die CDU verdächtigte ihn der Komplizenschaft mit Präsident Wladimir Putin, nachdem er diesen mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder im Sommer 2017 zum Abendessen in St. Petersburg getroffen hatte. Im Wahlkampf 2017 verurteilte Gabriel das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Rüstungsausgaben als Diktat des ungeliebten US-Präsidenten Donald Trump, obwohl auch dessen Vorgänger Barack Obama es vertreten und der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) es mitbeschlossen hatte.

Gabriel hat noch nicht entschieden

In der Sitzung des Vorstands der Atlantik-Brücke kamen die Vorbehalte nach Informationen des Tagesspiegels zur Sprache. Der scheidende Vorsitzende Merz habe aber schon länger für einen Nachfolger geworben, der nicht der Union angehöre, hieß es. Zudem habe die CDU nur EU-Kommissar Günther Oettinger ins Gespräch gebracht, der aber nicht über ausgewiesene USA-Erfahrung verfüge und in Brüssel voraussichtlich noch länger gebunden bleiben werde.

Für Gabriel sprach auch, dass er Mitglied des Vereins ist und mit diesem etliche Veranstaltungen bestritten hatte. Zudem wurde das Argument ins Feld geführt, es verbreitere den Einfluss der Atlantik-Brücke, wenn sie von einem Politiker geführt werde, der, anders als bisher, nicht der CDU angehöre. Merz hatte länger als zehn Jahre als Vorsitzender amtiert.

Der Ex-Minister bestätigte das Angebot, hat sich aber noch nicht entschieden: "Ich fühle mich durch die Anfrage sehr geehrt, bitte aber um Verständnis dafür, dass es darüber erst einmal Gespräche geben wird", sagte er. Am Ende entscheide ohnehin die Mitgliederversammlung der Atlantikbrücke. Gabriel ist als Autor der Holtzbrinck-Verlagsgruppe tätig, zu der auch der Tagesspiegel gehört.

Auch das Verhältnis der SPD zu ihrem Ex-Chef könnte die Wahl Gabriels verändern. Eine Rückkehr in eine Führungsposition der Partei wäre dann wohl ausgeschlossen. Auch bei einem Verzicht auf den transatlantischen Chefposten habe Gabriel allenfalls dann eine Comeback-Chance, wenn die mit dem neuen Sozialstaats-Konzept eingeleitete Erholung der Umfragewerte umschlage und sich Untergangsstimmung in der Partei breit mache, hieß es in der SPD.

Als Nachfolger für die Merz-Stellvertreter Edelgard Bulmahn und Burkhard Schwenker schlägt der Vorstand den CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und den Ökonomen Michael Hüther, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft, vor.

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