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Vor dem Vorfall: Nicolas Maduro hält eine Rede bei einer Militärparade in Caracas.

© imago/Agencia EFE

Update

Angebliches Attentat auf Präsident Maduro: Der laute Knall von Caracas

In Venezuela soll es ein Attentat gegen Präsident Maduro gegeben haben. Der kündigt nun eine harte Gangart gegen die Opposition an.

Genau in jenem Moment in dem Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas Maduro über die Wiederherstellung der Wirtschaftskraft spricht, gibt es einen lauten Knall. Ehefrau Cilia Flores blickt erschrocken gen Himmel, Soldaten fliehen auf der Avenida Bolivar wie auf Kommando in alle Himmelsrichtungen davon und das Staatsfernsehen unterbricht die Übertragung. „Heute hat man versucht mich zu ermorden“, ließ Maduro anschließend in einer Erklärung wissen.

Für Venezuelas Elite ist sofort klar: Es handelt sich um einen feigen terroristischen Anschlag. Vertreter von Parlament, Justiz und Regierung legen sich mit verbaler Unterstützung aus dem verbündeten Ausland so schnell fest, dass eine andere Interpretation gar nicht mehr möglich ist. Obwohl sowohl in den Medien als auch von Augenzeugen vor Ort, andere Versionen verbreitet werden. Es ist von einer explodierten Gasflasche die Rede, andere reden von einer inszenierten Explosion, die ein Attentat vortäuschen soll.

Maduro kündigt in einer ersten Reaktion umfassende Ermittlungen und Konsequenzen an: „Egal wer fällt“. Damit hat der nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vor ein paar Monaten wiedergewählte Präsident alle Karten in der Hand, um die ohnehin schon durch Inhaftierung, Hausarrest, Berufsverbot oder Exil de facto in ihre Einzelbestandteile aufgelöste Opposition endgültig zu zerlegen.

Nach Behördenangaben sind sechs Menschen festgenommen worden. Dabei seien auch mehrere Fahrzeuge beschlagnahmt worden, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur AVN Innenminister Néstor Reverol am Sonntag in Caracas. Bei dem Einsatz seien auch Beweise sichergestellt worden.

Maduro macht ausländische Mächte für die Krise verantwortlich

Erst vor wenigen Tagen hatte Maduro beim Parteitag der sozialistischen PUSV seine Machtbasis gefestigt und sogar erstmals öffentlich eine Verantwortung für die katastrophale wirtschaftliche Situation des ölreichsten Landes der Welt übernommen. Bis dato hatte er stets einen Wirtschaftskrieg des Imperialismus für den Niedergang Venezuelas verantwortlich gemacht.

Doch nach dem lauten Knall von Caracas verfiel Maduro wieder in den alten Modus, dunklen ausländischen Mächten die Schuld für innenpolitische Entwicklungen zu geben. Die Verantwortung für das Attentat von Caracas trägt nach Lesart der Venezolaner ausgerechnet ein Friedensnobelpreisträger: Juan Manuel Santos, seit den erfolgreich abgeschlossenen Friedensverhandlungen mit der linksgerichteten und venezuelafreundlichen Guerilla-Organisation Farc ein international anerkannter und geschätzter Pragmatiker, soll noch mal eben ein Attentat ferngesteuert haben – 48 Stunden bevor er in den politischen Ruhestand geht und sein Amt an den rechtskonservativen Nachfolger Ivan Duque übergibt. Auch Donald Trump und die USA sollen die Strippen gezogen haben, berichtet Maduro über die erstaunlich schnellen Ermittlungsergebnisse des venezolanischen Inlandsgeheimdienstes.

Für die venezolanische Opposition und die venezolanischen Nachbarn bedeutet all das nichts Gutes: Kolumbien, Brasilien, Ecuador und Peru haben in den vergangenen zwei Jahren bereits weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit und ignoriert von den meisten Nichtregierungsorganisationen, die ihren internationalen Fokus lieber auf Flüchtlinge im Mittelmeer legen, mehr als eine Millionen Geflüchtete aufgenommen. Sie versuchen – auf sich allein gestellt – diese Menschen so gut es eben geht zu integrieren und zu versorgen.

Außerdem kündigt Maduro eine Säuberungsaktion an, die auch als Aufruf zur Lynchjustiz zu verstehen ist: Er könne den Frieden nur denjenigen garantieren, die im Land leben wollten. Derlei Ankündigungen dürften neben der Hyperinflation und der zusammengebrochenen Produktion noch mehr Venezolaner dazu veranlassen, ihre Heimat zu verlassen, so lange das noch geht.

Angebliche Feinde geraten schnell ins Visier des Geheimdienstes

In den Reihen der Militärs, in denen es bereits in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Säuberungsaktionen gab, beginnt nun das große Aufräumen. Maduro folgte damit einer Linie, die seit Beginn der venezolanischen Revolution vom damaligen Machthaber Hugo Chavez vorgegeben wird: Loyalität zum Sozialismus geht vor Kompetenz.

Wer als möglicher Feind der venezolanischen Revolution verdächtigt wird, gerät schnell ins Visier des gefürchteten Inlandsgeheimdienstes Sebin. Der verfolgt bereits jetzt Oppositionspolitiker auf Schritt und Tritt und ließ bisher schon rund 300 politische Gefangene in den überfüllten Haftanstalten des Landes wegsperren. Nach dieser Methode der Verfolgung wurde auch der staatliche Erdölkonzern PDVSA zugrunde gerichtet. Nun droht diese negative Auslese auch den letzten noch verbliebenen Institutionen Venezuelas, die sich trotz des martialischen Präsidenten einen Hauch von Unabhängigkeit bewahren konnten.

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