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Analyse: Vom gerechten Kriege

Mit diesem Begriff ging es Denkern seit Augustinus im fünften Jahrhundert darum, den Krieg moralisch zu begrenzen: seine Anlässe, seine Mittel, seine Ausbreitung: Juliane Schäuble über Obamas "gerechten Krieg“.

Ein Kriegspräsident als Friedensnobelpreisträger. Die Entscheidung des Osloer Nobelpreiskomitees war für manche nur schwer nachzuvollziehen. Das wusste Barack Obama – und er hat am Donnerstag auf seine Art geantwortet, auf eine sehr amerikanische Art: mit dem Versuch der Rechtfertigung militärischer Maßnahmen, vor sich, vor seinem Land und vor der Weltöffentlichkeit. Dazu hat er die über Jahrhunderte entstandene Definition eines „gerechten Krieges“ verwendet, wie sie etwa der amerikanische Philosoph Michael Walzer in seinem Buch „Just and unjust wars“ aufgeschrieben hat: Damit ein Krieg als gerechtfertigt eingestuft werden kann, muss er das letzte Mittel sein oder der Selbstverteidigung dienen, seine Instrumente müssen verhältnismäßig sein und Zivilisten müssen geschont werden.

Zumindest missverständlich ist dabei der Name „gerechter Krieg“. Denn seinen Vordenkern seit Augustinus im fünften Jahrhundert ging es letztlich darum, Krieg moralisch zu begrenzen: seine Anlässe, seine Mittel, seine Ausbreitung. Dass die Theorie manchmal auch missbraucht wurde, macht sie nicht falsch. Ihr Vorteil ist, dass sie den unterschiedlichen Einsatz militärischer Maßnahmen bewertbar macht – und sei es im Nachhinein. Die Anhänger der Theorie glauben, dass auch im Krieg Regeln gelten.

Dem Versuch Georg W. Bushs, den Irakkrieg 2003 als gerecht einzustufen, haben Intellektuelle wie Walzer damals vehement widersprochen. Als vorbeugende militärische Maßnahme seien der Angriff und der Sturz eines Regimes nicht zu rechtfertigen. Ähnlich argumentierte Jimmy Carter, ein anderer amerikanischer Friedensnobelpreisträger: Ein im Wesentlichen unilateraler Angriff auf den Irak erfülle nicht die Kriterien eines gerechten Krieges. Und Thomas Friedman von der „New York Times“ sprach von einem gewollten Krieg.

Sechs Jahre später ist die Debatte in den USA wieder entbrannt, allerdings bezogen auf den anderen Krieg, den in Afghanistan. Seit Obama eine Truppenaufstockung angekündigt hat, lautet die Frage: Ist Afghanistan (noch) ein gerechter Krieg? Walzer schließt das in einem Beitrag für das Magazin „Dissent“ nicht aus, hat aber Zweifel. Nicht, weil die ursprüngliche Begründung der Selbstverteidigung falsch sei – der Sturz der Taliban war die direkte Antwort auf den 11. September, da diese den Attentätern in ihrem Land Zuflucht gewährt hatten. Sondern weil möglicherweise nach all den Fehlern der Regierung Bush für einen Sieg heute deutlich mehr Soldaten gebraucht würden, als die USA zu stellen bereit wären. Andererseits seien gerade die Fehler der Vergangenheit ein Grund, Obama zu unterstützen, wenn er diese nun korrigieren wolle: Nach acht Jahren Krieg schulde man den Afghanen, ihre neu erlangte Freiheit sicherzustellen. Die Verantwortung bleibe, ob man nun „gerecht“ handele oder nicht.

Das zeigt die Schwierigkeit, Theorie in der Praxis anzuwenden. Das weiß auch Obama. In seiner Osloer Rede hat er anerkannt, dass selbst ein als notwendig erachteter Krieg „unweigerlich zu menschlichen Tragödien führt“. Den Krieg in Afghanistan hat er nicht begonnen. Aber er muss ihn zu Ende führen. Und das möglichst „gerecht“.

Juliane Schäuble

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