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Ein Kampfflugzeug vom Typ F/A-18 Hornet startet vom Fleugzeugträger USS Ronald Reagan vor der Küste von Südkorea. Die Tornado-Flotte der Luftwaffe soll nach einem Vorschlag des Verteidigungsministeriums mit dem Eurofighter sowie F-18-Kampflugzeugen des US-Herstellers Boeing ersetzt werden.

© dpa

Amerikanische F-18 für die Bundeswehr: Muss Russland noch atomar abgeschreckt werden?

Deutschland will 30 Kampfflugzeuge kaufen. Deren Zweck ist es, amerikanische Atombomben an ihr Ziel zu bringen. Darüber muss diskutiert werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es klingt wie die Nachricht aus einer anderen Zeit. Deutschland will 30 F-18-Kampfflugzeuge („Super Hornet“) des amerikanischen Herstellers Boeing kaufen. Deren einziger Zweck ist es, im Falle eines Falles amerikanische Atombomben an ihr Ziel zu bringen. Außerdem sollen bis zu 90 Eurofighter sowie  15 weitere F-18-Kampfflugzeuge („Growler“) für die elektronische Kriegsführung beschafft werden. Begründet wird das mit Modernisierung, Abschreckung, Nato-Solidarität, „nuklearer Teilhabe“.

Die „nukleare Teilhabe“ ist ein Nato-Konzept, das nicht-atomare Mitgliedsstaaten, wie etwa Deutschland, dazu verpflichtet, sogenannte Trägersysteme samt Bedienmannschaften zu stellen, also Jagdbomber und Piloten, die im äußersten Fall taktische US-Atomwaffen einsetzen. Die Befehlsgewalt über einen solchen Einsatz liegt bei der US-Regierung, die Verbündeten erhalten ein unverbindliches Mitspracherecht.

Das Konzept stammt aus den fünfziger Jahren und richtete sich gegen den Warschauer Pakt. Das bisher in Deutschland dafür genutzte Flugzeug, eine Tornado-Variante, ist veraltet. Die F-18 ist allerdings ebenfalls nicht auf dem neuesten Stand der Technik.

Bedrohung durch Russland

Darf über diese rüstungspolitische Entscheidung diskutiert werden? Es darf nicht, es muss. Wir leben in Zeiten, in denen sich der Bundeshaushalt wegen der Corona-Pandemie-Bekämpfung dramatisch hoch verschuldet, die Mittel demnach knapp sind, und in denen gleichzeitig offenkundig wird, wie dringlich Investitionen ins Gesundheitssystem, den Internet-Ausbau, den Klimaschutz und die Infrastruktur sind.

Daher sollten Milliardensummen, die für Flugzeuge ausgegeben werden, deren einziger Zweck es ist, amerikanische Atombomben abzuwerfen, gut begründet sein. Das gilt auch dann, wenn sie ein Teil der Nato-Sicherheitsarchitektur und des Konzepts der Abschreckung sind.

Von den oft noch in der bipolaren Welt verhafteten Befürwortern der „nuklearen Teilhabe“ wird, wie seit Jahrzehnten, auf die Bedrohung durch Russland hingewiesen. Wladimir Putin wolle den Westen mit Nuklearwaffen erpressen, heißt es, daher bleibe die Abschreckung in Kombination mit amerikanischen Atomwaffen unerlässlich.

Europäisierung der Abschreckung

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass russische Panzer bis Flensburg und Konstanz rollen? Außerdem besteht die sogenannte „Käseglocke“, die Europa beschützen soll, auch aus US-Interkontinentalraketen, der US-Bomberflotte und der nuklear bestückten U-Bootflotte. Ist die Einbeziehung der in Europa gelagerten taktischen Atomwaffen angesichts der Bedrohungslage wirklich noch verhältnismäßig?

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vor einem Jahr die europäischen Partner zu einem „strategischen Dialog über die Rolle der atomaren Abschreckung für unsere gemeinsame Sicherheit“ gedrängt. Das wurde als Angebot auch an Deutschland verstanden, vom französischen atomaren Abschreckungspotenzial zu profitieren. Freilich würde auch Paris sein Entscheidungsmonopol in dieser Frage nicht aufgeben. Dennoch bietet sein Vorschlag womöglich Anknüpfungspunkte für einen strategischen Dialog über die Europäisierung der Abschreckung.

Die Nato müsse stark sein, um westliche Werte verteidigen zu können, lautet ein weiteres Argument. Aber wo und wann haben Militärinterventionen des Westens  zum Weltfrieden beigetragen? Die meisten endeten schmachvoll. Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak, Libyen: Zigtausende Tote, Billionen an Kosten.

Hacker, Laptops und Viren

Außerdem ist die Vorstellung, dass ein Pilot in Europa in ein Flugzeug steigt und dann seine Bomben abschmeißt, veraltet. Künstliche Intelligenz, bewaffnete Drohnen, Cyberwar: Das sind die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Nicht Soldaten, Panzer und Kampfjets entscheiden künftige Kriege, sondern Hacker, Laptops und Viren. Auch US-Geheimdienste sehen seit Jahren im Cyberwar eine größere Bedrohung für ihr Land als etwa im internationalen Terrorismus.

In der alten, bipolaren Welt, gekennzeichnet durch den Kalten Krieg, hatte die „nukleare Teilhabe“ ihre Berechtigung. Und es stimmt, dass von Russland weiterhin Gefahren ausgehen. Putin will den Westen destabilisieren. Aber aus Georgien, Ukraine und der Krim die Plausibilität von Szenarien abzuleiten, in denen F-18-Kampfjets von Deutschland aus US-Atomwaffen einsetzen müssen, ist zumindest eines – begründungspflichtig.

Die Debatte über die „nukleare Teilhabe“ muss geführt werden. Wenn nicht jetzt, wann dann?

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