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Peter Altmaier und die V-Kurve.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Altmaier mit optimistischer Prognose: Wirtschaft erholt sich schneller als gedacht

Ein Wirtschaftseinbruch von nur 5,8 Prozent statt 6,3 - in diesen Zeiten eine frohe Botschaft. Für 2021 hofft der Minister auf ein Wachstum von 4,4 Prozent.

Peter Altmaier weiß, was die Aufgabe eines Bundeswirtschaftsministers ist: Er darf die Stimmung nicht herunterreden. Psychologie ist Teil des Wirtschaftsgeschehens, gute Nachrichten sind potenziell konjunkturbelebend.

Und so begann der CDU-Politiker seine Pressekonferenz zur neuen Jahresprognose am Dienstag mit dem Hinweis, er habe gute Nachtrichten zu verkünden. In der Tat geht die Bundesregierung nun von einem Einbruch der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr von 5,8 Prozent aus. Die letzte Prognose von Ende April war schlechter: Damals verkündete Altmaier, man rechne mit einem Minus von 6,3 Prozent.

Was auf den ersten Blick wie ein eher kleiner Hüpfer von einem halben Prozentpunkt ausschaut, ist tatsächlich schon eine deutliche Besserung gegenüber den bisherigen Annahmen. Es bedeutet, dass die Wirtschaftsentwicklung das berühmte „V“ abbildet – also sich gemäß dem besseren Szenario in einer tiefen Rezession verhält: Dem tiefen Einbruch – im zweiten Quartal betrug das Minus beim Bruttoinlandsprodukt nach den aktuellsten Zahlen 9,7 Prozent – folgt eine relativ geschwinde Rückkehr zu Wachstum.

Demnach wird das zweite Halbjahr besser verlaufen als bisher angenommen. Indikatoren wie der Ifo-Index der Stimmung in der Wirtschaft deuten darauf bereits hin.

Aus diesem Grund macht Altmaier auch noch mehr in Optimismus: Er nimmt jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass es nicht zu einem zweiten Shutdown kommen wird im Winter und begründet das mit dem bisherigen Verlauf der Infektionszahlen. Auch der ist also wohl besser als von der Regierung bisher eingeschätzt. Das öffentliche Leben in den kommenden Monaten könnte daher von weniger Einschränkungen begleitet sein als befürchtet.

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Eine Folge wird die neue Prognose jedoch sicher haben: Das Wachstum im kommenden Jahr wird dann geringer sein als in der bisherigen Projektion. Da rechnet Altmaier nun mit einem Plus von 4,4 Prozent – zuletzt waren es noch 5,2 Prozent. Die einfache Erklärung: Ein Teil des Aufschwungs, der für das kommende Jahr erwartet worden war, findet nun schon in diesem Herbst und Winterstatt.

Oder läuft schon seit Mai, denn seither geht es laut Bundeswirtschaftsministerium offenbar steiler nach oben, als noch im April zu erwarten gewesen war. Corona schlägt also wirtschaftlich nicht ganz so heftig zu wie befürchtet.

Zwischenbilanz des Rettungsschirms

Man konnte das auch schon an den Zwischenbilanzen zu den Hilfsprogrammen der Regierung erkennen. Der Rettungsschirm, der im März und in den folgenden Monaten gespannt wurde, muss bei Weitem nicht ausgenutzt werden. So wurden in dem Programm für Soforthilfen für Kleinunternehmen und Solo-Selbständige, das Ende Mai auslief, 1,9 Millionen Anträge bewilligt mit einem Volumen von 14,3 Milliarden Euro. Zur Verfügung standen 50 Milliarden Euro.

Dieser beträchtliche Ausgaberest wurde dann in das Nachfolgeprogramm gesteckt, das auch für größere mittelständische Betriebe offen ist – die Überbrückungshilfen. Sie galten zunächst für die Monate Juni, Juli und August und sind jetzt von der Koalition verlängert worden. Bis Ende August sind gut 40 Prozent des Antragsvolumens in Höhe von 759 Millionen Euro bewilligt worden – eine Summe, die sich auf etwa 43.000 Antragsteller verteilt.

Altmaier rechnet nun damit, dass hier noch das Drei- bis Vierfache zusätzlich fließen wird. Aber auch hier gilt: Die Nachfrage bleibt deutlich unter der Obergrenze. Ähnliches gilt bisher für die Kreditgarantien und Bürgschaften, die der Bund übernimmt. In den KfW-Programmen, darunter die Schnellkredite, sind bisher 45 Milliarden Euro abgeflossen – all das ist allerdings vollständig rückzahlbar.

Nicht ganz so viele neue Schulden

Das alles hat natürlich Auswirklungen auch auf den laufenden Haushalt und die Etatplanung der Bundesregierung. Denn das Altmaier seine Prognose jetzt abgab – zu einem sonst nicht üblichen Zeitpunkt im Spätsommer – hat genau damit zu tun: Die Regierung braucht eine Wachstumserwartung, um auf deren Grundlage den nächsten Bundeshaushalt aufstellen zu können.

Diese beiden Zahlen – minus 5,8 Prozent für dieses Jahr und plus 4,4 Prozent für 2021 – haben letztlich zwei Folgen. 2020 kommen etwas mehr Steuern herein und werden etwas weniger Schulden gemacht werden müssen, als noch vor wenigen Wochen angenommen. Und die Planung für das kommende Jahr muss dem nun angepasst werden.

Will heißen: Die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegten Nachtragshaushalte mit einer Rekordneuverschuldung von 218 Milliarden Euro sind – keine schlechte Nachricht – größer proportioniert worden als es nun nötig sein wird. Die Kreditermächtigungen müssen wohl nicht ganz ausgeschöpft werden. Die Gesamtverschuldung bleibt wohl geringer als angenommen.

Nochmals Aussetzen der Schuldenbremse?

Ob nun tatsächlich im kommenden Jahr die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nochmals angewendet werden muss, wird sich zeigen. Scholz plant wohl mit neuen Schulden in Höhe von 80 Milliarden Euro. Die Schuldenbremse würde wegen des Einbruchs in diesem Jahr regulär ungefähr 20 Milliarden Euro neue Kredite ermöglichen. Und es gibt noch eine Rücklage von 48 Milliarden Euro.

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Scholz lässt in den nächsten Tagen nun eine neue Steuerschätzung erstellen, die Altmaiers Prognose als Grundlage nimmt. Dann weiß man noch genauer, wie glimpflich Deutschland tatsächlich durch die Krise gekommen ist. Ende September wird dann das Kabinett den Etatentwurf für 2021 absegnen.

In den Ministerien scheint man schon ein Weilchen von besseren Daten auszugehen. Jedenfalls sah sich der für die Etatplanung zuständige Finanzstaatssekretär Werner Gatzer unlängst veranlasst, in einem Brief an seine Kollegen deutlich zu machen, dass die von den Ressorts verlangten Mehrausgaben in Höhe von fast 100 Milliarden Euro gegenüber der bisherigen Planung ab 2021 sowie das Verlangen nach 19.000 neuen Stellen wohl kaum "mit einer der Situation gerecht werdenden Finanzpolitik“ in Einklang zu bringen seien. Wil heißen: Da haben einige in der Regierung in Erwartung besserer Zahlen schon mal ordentlich hingelangt.

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