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Ein Bild aus dem Jahr 2018: Gerhard Schröder umarmt Wladimir Putin.

© imago images/ITAR-TASS

Altkanzler bleibt Genosse: Warum die SPD Gerhard Schröder nicht rauswerfen kann

Der Beschluss im SPD-Verfahren gegen Schröder zeigt: So einfach ist das mit dem Rauswurf nicht. Was die Hürden sind und wie die SPD reagiert. Eine Analyse.

So ein Verfahren hat es bei der SPD noch nicht gegeben. Und am Ende sind Gerhard Schröder auch noch die Auslagen zu erstatten, wenn er das beantragt. 17 Ortsvereine und Unterbezirke hatten ein Parteiordnungsverfahren gegen den eigenen Altkanzler angestrengt, mit dem Ziel des Parteiausschlusses, wegen seiner Verbindungen zu Wladimir Putin und die Tätigkeit für russische Energiekonzerne.

Der 78-Jährige ist seit 1963 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, zur Zeit im SPD-Ortsverein Hannover-Oststadt/Zoo, sein Verhalten hat ihn viele Ehrenmitgliedschaften gekostet, anders als bei früheren Kanzlern dürften kaum Straßen oder Plätze nach ihm benannt werden, auch Ehrenbürger Hannovers ist er nicht mehr. Und die Altkanzler-Ausstattung will ihm der Bundestag wegnehmen, auch dagegen geht er aber vor. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war auf maximale Distanz zu ihm gegangen.

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Selbst langjährige Weggefährten berichten, dass sie an Schröder nicht mehr rankämen, er sei halt ein Sturkopf. Aber diesen Kampf hat er erstmal gewonnen. Denn für so einen Rauswurf gibt es in der SPD enorm hohe Hürden - das zeigte schon der Fall Thilo Sarrazin, der am Ende dann doch mit einem Ausschluss endete.

Die zuständige Schiedskommission des Unterbezirks Hannover hat nun unter Vorsitz von Heiger Scholz entschieden: „Der Antragsgegner hat sich eines Verstoßes gegen die Parteiordnung nicht schuldig gemacht.“ Begründet wird das unter andere damit, dass Schröder in keiner Weise Putin in seinem kriegerischen Vorgehen bestärken würde, zudem habe er bei seinen Aufsichtsratstätigkeiten keinen Einfluss auf das operative Geschäft der Energiekonzerne.

Wie die Entscheidung begründet wird

Mit der Mitgliedschaft in der SPD sei es unvereinbar, einen Angriffskrieg zu fordern oder den kriegerischen Überfall eines Staates auf einen anderen zu rechtfertigen. Das habe Schröder aber nicht getan; vielmehr habe er bereits am Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine erklärt, die „Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigen nicht den Einsatz militärischer Mittel“. Er habe auch erklärt, Russland führe einen Krieg gegen die Ukraine.

Detailliert wird aufgeführt, wie Schröder sich vor und seit Kriegsbeginn geäußert hat - dass er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet sei, und sich zu dieser Freundschaft weiter bekenne. Das jüngste, besonders umstrittene Interview im „Stern“ konnte nicht mehr Eingang finden in das laufende Verfahren.

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Der heutige SPD-Chef Lars Klingbeil war lange ein Wegbegleiter von Gerhard Schröder, arbeitete in seinem Wahlkreisbüro.
Der heutige SPD-Chef Lars Klingbeil war lange ein Wegbegleiter von Gerhard Schröder, arbeitete in seinem Wahlkreisbüro.

© Morris Mac Matzen/REUTERS

Kommt es zum Einspruch? SPD-Chef: Schröder ist isoliert

Einige Antragsteller dürften den Beschluss anfechten. Sie haben zwei Wochen Zeit, um bei der Bezirksschiedskommission Einspruch einzulegen. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil betont: „Die Schiedskommission in Hannover hat eine juristische Entscheidung getroffen. Für uns steht fest: Politisch ist Gerhard Schröder mit seinen Positionen in der SPD isoliert.“

Der Vorsitzende der SPD Region Hannover, Steffen Krach, sagte dem Tagesspiegel: „Diese Entscheidung respektiere ich. Politisch habe ich für die Position von Gerd Schröder in keinster Weise Verständnis.“ Dies sei die überwiegende Auffassung der Mitglieder des Unterbezirks der Region Hannover.

Textexegese der Schröder-Interviews zu Putin und dem Krieg

In dem Verfahren wurden reihenweise Aussagen von Schröder abgeklopft. „Ich werde meine Gesprächsmöglichkeiten mit Präsident Putin nicht aufgeben“, wird ein Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aufgeführt. Putin habe Interesse an einer Verhandlungslösung, Verhandlungen seien aber bisher an der Ukraine gescheitert, wird Schröder weiter zitiert. Am 10. März 2022 habe er selbst drei Punkte skizziert, wie eine Verhandlungslösung aussehen könne: „a) Anerkennung, dass die Krim faktisch russisch sei, auch wenn der Status völkerrechtlich kompliziert sei; b) die Ukraine müsse neutral werden (Beispiel Österreich); c) das Minsker Abkommen müsse ernst genommen und den Regionen im Donbass mehr Autonomie gewährt werden.“ Der Krieg sei nur durch diplomatische Verhandlungen zu beenden. Er selbst begab sich auf eine Mission nach Moskau.

Zuletzt hatte auch der Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, Mychailo Podoljak, in einem Interview mit dem Tagesspiegel in Kiew Schröder für dieses Denken scharf kritisiert. „Herr Schröder versteht in keiner Weise, was Russland wirklich tut, wie es agiert. Russland will keine Verhandlungen, Russland will eine Eroberung von Gebieten.“

Heute auf Distans: Olaf Scholz trifft 2018 den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Ehefrau Soyeon.
Heute auf Distans: Olaf Scholz trifft 2018 den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Ehefrau Soyeon.

© Paul Zinken/dpa

Reduzierung der Tätigkeit für russische Konzerne

Schröder, selbst Anwalt, war sich immer sicher, dass es nicht für einen Ausschluss reichen wird. Auch wenn viele in der SPD seine Ansichten gegenüber Putin für naiv halten. Auch hatte er eigentlich einen Bruch angedeutet, sollte Russland jemals das Gas als wirtschaftliche Waffe einsetzen - er ist seit über 16 Jahren Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG - die Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 waren zuletzt auf 20 Prozent gedrosselt worden. Deutschland droht durch die in seiner Kanzlerschaft und in der von Angela Merkel ausgeweiteten hohen Energieabhängigkeit eine veritable Gas-Versorgungskrise im Winter.

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Auf ein zusätzliches Aufsichtsratsmandat bei Gazprom hat er verzichtet, zudem war er seit 2017 Aufsichtsratschef bei Rosneft, am 20. Mai wurde mitgeteilt, Schröder werde auf diesen Posten verzichten.

In dem Beschluss wird betont, welche tatsächlichen Gründe das gehabt haben könnte: „Zuvor waren Forderungen im Europäischen Parlament bekannt geworden, den Antragsgegner auf die Sanktionsliste gegen russische Verantwortliche zu setzen.“

Antragsteller: Schröder rechtfertigt Putins Krieg

Die auf den Ausschluss pochenden SPD-Gliederungen machten geltend, dass Schröder nach dem völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine sich nicht hinreichend von dem Angriffskrieg distanziert habe; dies sei aber wegen seiner Verbindung zum Putin wie auch seiner Mitgliedschaft in Gremien „von direkt oder indirekt von der Russischen Föderation gehörenden Gasunternehmen geboten gewesen".

Im Gegenteil habe er versucht, den Krieg zu rechtfertigen. „Aufgrund seiner exponierten Stellung als früherer Bundeskanzler und Parteivorsitzender trage er eine besondere Verantwortung. Dazu gehöre auch, dass er sich aus den Gremien der Gasunternehmen hätte zurückziehen müssen.“ Das tat er nicht, obwohl er dazu auch von den SPD-Vorsitzenden ermahnt wurde. Und so wird das Kapitel Gerhard Schröder die SPD weiter beschäftigen.

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